Ein neues Online-Vergleichsportal wirbt mit aggressiven Konditionen um Versicherungskunden – und hat das Potenzial, das Geschäft vieler traditioneller Versicherungsmakler und -vertreter zu erschweren. Die Plattform Gonetto bietet provisionsfreie Nettopolicen an. Entscheidet sich ein Kunde dennoch für einen herkömmlichen Bruttotarif, leitet Gonetto die Provisionen an ihn durch. Stattdessen zahlen Kunden eine Gebühr von einem Euro pro Monat und Vertrag. Auf dem Portal werden zu allen Tarifen die Provisionen angezeigt.

Nicht nur das: Nutzer können fast alle bestehenden Verträge auf Gonetto übertragen und die Provisionen fortan selbst einstreichen. Auch in diesem Fall zahlen sie nur einen Euro pro Monat und Vertrag. Herkömmliche Makler, Vertreter oder Vergleichsportale drohen also nicht nur Neugeschäft an das Start-up zu verlieren, sondern auch Teile ihrer Bestände.

Drei erfahrene Gründer
Hinter Gonetto stecken die drei Gründer Dieter Lendle, Michael Mebesius und Steffen Otte, die auf langjährige Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen der Finanzbranche zurückblicken. Lendle arbeitete früher als Derivate-Händler und war Geschäftsführer des Deutschen Derivate Instituts, einem Vorläufer des Deutschen Derivate Verbands (DDV).

Mebesius hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Assekuranz, unter anderem als Vertriebsdirektor bei Delta Lloyd und Moneymaxx sowie als Vorstand der Fortis Deutschland Lebensversicherung. Otte ist Experte für Marketing, Webprogrammierung und die sozialen Medien. Er leitete die Bereiche Marketing und IT beim Großmakler Hoesch & Partner, später gehörte er zum Gründungsteam des Insurtech-Unternehmens Asuro.

"Wir brauchen einen langen Atem"
"Ich habe erlebt, welchen Veränderungen die Bankenbranche in den vergangenen Jahren unterworfen war", sagt Lendle im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE. "Die Assekuranz hinkt der Bankenwelt in vielen Entwicklungen um Jahre hinterher. Das Potenzial für Verbesserungen und Einsparungen ist riesig." Gonetto wolle von der erwarteten Konsolidierung im Makler- und Vertretermarkt profitieren.

Größter Einzelinvestor von Gonetto ist die Berliner Beteiligungsgesellschaft German Startups Group, die Lendle zufolge gut 17 Prozent der Anteile gezeichnet hat. Die drei Gründer und Geschäftsführer halten in Summe rund 35 Prozent des Kapitals. Dazu kommen weitere Einzelpersonen. An Bord ist außerdem der Finanzen Verlag, der dem Fintech reichlich Anzeigenplatz einräumt, was für die nötige Aufmerksamkeit bei den Endkunden sorgen soll.

"Wir wollten bewusst nicht viele Millionen Startkapital einsammeln und gleich mit einer gigantischen Marketingkampagne starten", sagt Lendle. "Je höher man die Latte legt, umso größer ist das Risiko, Investoren mit zu hoher Renditeerwartung zu enttäuschen. Unser Geschäftsmodell muss mittel- bis langfristig funktionieren. Dazu brauchen wir einen langen Atem."

Anfangs nur Sachversicherungen – aber Lebenspolicen können folgen
Zu Beginn sind auf dem Portal nur Vergleiche zu Privathaftpflicht- und Hausratspolicen zu finden. "Wir werden das Angebot sukzessive um weitere Sparten ergänzen", so Lendle. Als nächstes will Gonetto einen Vergleich für Wohngebäudeversicherungen freigeschalten. "Ab Herbst soll der Sachversicherungsbereich recht vollständig abgedeckt sein."

Beratungsintensive Produkte, etwa Berufsunfähigkeits- und Lebenspolicen, wird es vorerst nicht geben. "Um diese Sparten wollen wir uns später kümmern. Die Frage ist, inwieweit sich auch solche Sparten über Robo-Beratung abdecken lassen. Wir wollen allerdings keinesfalls ausschließen, künftig auch Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen anzubieten."

Die Übertragung solcher Policen auf Gonetto ist ohnehin heute schon möglich. "Wir haben Courtage-Vereinbarungen mit mehr als 100 Versicherern abgeschlossen", sagt Lendle. Man habe bewusst den Weg über Direktanbindungen gewählt, statt sich einem Maklerpool anzuschließen.

Einen Verstoß gegen das Provisionsabgabeverbot sieht Gonetto nicht
Probleme wegen des Provisionsabgabeverbots, das bald im Versicherungsaufsichtsgesetz verankert sein wird, fürchtet Lendle nicht. "Das Gesetz sieht Ausnahmen vor. Bei einer dauerhaften Prämienreduktion für den Kunden dürfen Provisionen durchgeleitet werden – und um eine solche dauerhafte Prämienreduktion geht es bei Gonetto ja", sagt Lendle. "Darum sind wir fest davon überzeugt, dass unser Geschäftsmodell gesetzeskonform ist." Hans-Peter Schwintowski, Rechtsprofessor an der Berliner Humboldt-Universität und Mitglied des Gonetto-Beirates, habe diese Einschätzung bestätigt.

Das Kölner Unternehmen Moneymeets dagegen hatte vor dem Hintergrund der kommenden Regeln kürzlich beschlossen, für Versicherungspolicen keine Provisionen mehr an seine Kunden weiterzuleiten (FONDS professionell ONLINE berichtete).

"Viele Makler betreuen ihre Kunden nicht wirklich"
Bleibt die Frage, ob sich das Geschäft jemals rechnen wird. Bei einem Euro pro Vertrag und Monat kommen erst bei einem großen Bestand signifikante Umsätze zustande. Die Vermittlung der Policen und die Bestandsverwaltung lassen sich zwar weitestgehend automatisieren, entsprechend gut lässt sich das Geschäft skalieren. Aber was ist, wenn der Kunde seinen Makler braucht, etwa bei der Schadenregulierung? Frisst das bei hohen Kunden- und Vertragszahlen nicht zu viele Ressourcen?

"Eine wirkliche Betreuung der Kunden findet bei vielen Maklern ja überhaupt nicht statt", sagt Lendle. "In der Praxis ist es beispielsweise sehr häufig so, dass der Makler seinen Kunden bittet, den Schaden per Mail genau zu beschreiben. Diese Mail leitet er dann einfach an den Versicherer weiter." Das könne Gonetto auch leisten. "Oft wird vermutet, dass sich ein Makler für seinen Kunden persönlich für eine schnelle und zuvorkommende Schadenregulierung einsetzt", sagt Lendle. "Doch das ist nur sehr selten der Fall."

Wendet sich ein Verbraucher an Gonetto, der seine Policen nicht eigenständig abschließen möchte, sondern Beratung benötigt, verweist ihn das Portal an Makler, die sich dem auf Honorarberatung spezialisierten Dienstleister Confee angeschlossen haben. Lendle: "Unsere Kunden sollen sich darauf verlassen können, statt verdeckter Provisionen ein transparentes Honorar zu bezahlen – auch dann, wenn sie eine Beratung in Anspruch nehmen wollen." (bm)