Die Abschlussprovision als Vergütungsform muss modernisiert werden, hatte der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) kürzlich klargestellt. "Vielleicht ist jetzt die richtige Zeit", hofft BDVM-Geschäftsführer Hans-Georg Jenssen. Dabei müsse zunächst aber mit einer "Vielzahl von Irrtümern und falschen Vorstellungen in zahlreichen Teilen der Gesellschaft und Politik aufgeräumt werden", legt Jenssen am Dienstag (12. Oktober) auf dem virtuellen Jahrespressegespräch des Verbands nach.

Kaum finanzielles Wissen
Irrtum Nr. 1 bestehe darin zu glauben, dass die Bürger über finanzielles Wissen verfügen. "Die meisten haben eben kein ausgeprägtes finanzielles Wissen", sagt Jenssen mit Verweis auf die täglichen Beratungen der BDVM-Mitglieder. Weit über 50 Prozent der Bevölkerung könnten eine Haftpflicht- nicht sicher von einer Hausratversicherung abgrenzen. "In der Politik und bei den Verbraucherschützern wird jedoch immer so getan, als wenn die Bürger das selbst schaffen und voller Freude nichts anderes zu tun haben, als selbst die beste Lösung zu suchen", so Jenssen. Das stimme aber nicht.

Irrtum Nr. 2 sei, dass sich die Masse interaktiv im Netz selbst absichert, ohne Beratung. Kein Tischlermeister, der seinen Kunden immer empfiehlt, einen Profi bei Tischlerarbeiten ranzulassen, werde sich über mehrere Wochenenden selbst vor den PC setzen, um die optimale Absicherung seines Handwerkbetriebes heraus zu suchen und auch seine Altersversorgung und die seiner Mitarbeiter selbst zu erarbeiten. "Bei der Netzrecherche wird er feststellen, dass es eine Vielzahl unterschiedlicher Deckungen gibt, er oft nur 'chinesisch' versteht und eher verzweifelt", so Jenssen weiter.

Zwangssysteme scheren alle über einen Kamm
Die Beschäftigung mit Versicherungen und dem Kleingedruckten mache eben keinen Spaß. Daher würden diese Themen verdrängt, genau wie die Frage der Altersabsicherung in jungen Jahren. Irrtum Nr. 3 sei, dass man die Leute zu ihrem Glück zwingen sollte, etwa durch ein obligatorisches Standardprodukt wie einen Staatsfonds. "Diese Modelle bauen auf dem Prinzip des 'one fits it all' auf, doch in einer so ausdifferenzierten Welt ist das Vorsorgebedürfnis aller Bürger nicht gleich groß und die Risikoneigung für Kapitalanagen ebenfalls nicht", warnt Jenssen.

Irrtum Nr. 4 sei es zu glauben, dass die Verbraucher nur richtig aufgeklärt werden müssten, um auch bei der Vorsorge mehr Risiko einzugehen, auf lange Sicht zahle sich Mut zum Risiko aus. "Doch wenn die Frage der Investments ein rein rationaler Akt wäre, hätten  Gewerkschaften und Arbeitgeber beim Sozialpartnermodell, das keinerlei Garantien bietet, laut 'Hurra' schreien müssen" gibt der BDVM-Chef zu bedenken. Die Wahrheit sei: "Es gibt in der Bevölkerung ein starkes Bedürfnis nach Sicherung und Absicherung von Kapitalanlagen."

Macht Honorar alles billiger?
Jenssens Fazit aus diesen Irrtümern: Weite Teile der Bevölkerung sind  – ebenso wie bei Rechtsfragen – auf professionelle Hilfe angewiesen, die speziell Versicherungsmakler als Sachwalter des Kunden bieten können. Die aber kostet Geld, ob nun in Form von Provision oder Honorar. Die Alternative wäre, die Bevölkerung in Zwangssysteme zu drängen, die auf die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse naturgemäß nicht eingehen können.

Es grassierten jedoch weiterer Irrtümer, wie: Wenn Beratung notwendig ist, dann besser gegen Honorar, weil man provisionsgetriebenen Vermittlern nicht trauen kann. Und: Mit Honorarberatung wird alles billiger und Interessenkonflikte seien ausgeschlossen. "Die Verknüpfung der Vergütung mit der Frage der Unabhängigkeit ist ein grundlegend falscher Ansatz", sagt Jenssen. Verliert beispielsweise ein Rechtsanwalt seine Fähigkeit zur unabhängigen Beratung, weil bei einer Niederlage vor Gericht trotzdem seine Gebühren bezahlt werden? Oder: Ist ein Arzt nicht mehr den Interessen seines Patienten verpflichtet, weil ihn eine Krankenkasse bezahlt?

Courtage vergütet pauschalierten Aufwand
Vielfach würde die Courtage als "mechanisches Vergütungssystem" überhaupt nicht verstanden. Sie bietet dem Kunden, etwa dem Beispiel-Tischler, eine gewisse Sicherung, den vollen Umfang der Maklerdienstleistung zu einem von Anfang an feststehenden Preis zu bekommen. "Die Courtagehöhe richtet sich nach einem prozentualen Satz an der Prämie und nimmt auf individuelle Aspekte der Beratung, Vermittlung und Betreuung keine Rücksicht, sondern pauschaliert", erklärt Jenssen. Dadurch müsse sich der Kunde – anders als beim Honorar - keine Gedanken über eine individuelle Vergütung machen, die mit deutlichen Unsicherheiten für ihn verbunden wäre.

Bei einem Honorar, speziell einem Zeithonorar, würde der individuelle Aufwand des Kunden abgerechnet. Dies kann zu extrem hohen Aufwendungen speziell im Schadensfall führen. Das Unternehmen, hier der Tischler, hätte dann bei einem Brand in seiner Tischlerei nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Feuerversicherer zu führen, den unterbrochenen Betrieb, einem gewissen Selbstbehalt und damit finanzielle Belastungen, sondern auch erhöhte Kosten für den Versicherungsmakler auf Honorarbasis. "Und das alles in einer Phase, in der die finanziellen Ressourcen am angespanntesten sind", gibt Jenssen zu bedenken.

Welchen Charme das österreichische Modell hätte
Die Courtage als erfolgsabhängige Vergütung für die Vermittlung und Betreuung hat für den Kunden zudem den Vorteil, dass er für eine bloße Beratung, die zu keinem Abschluss führt, nichts bezahlen muss – anders als bei einer Honorarberatung als reine Tätigkeitsvergütung. Der BDVM glaubt zudem nicht, dass die meisten Kunden willens und finanziell in der Lage sind, sich eine werthaltige Beratung über Honorar leisten zu können. "In Großbritannien sind seit Einführung der Honorarberatung für die Altersvorsorge rund 80 Prozent der Leute ohne Berater, weil sie sich die einfach nicht leisten können", erinnert der BDVM.

Wenn man überhaupt noch Änderungen für die Finanzberatung vornehmen wolle, sollte man allenfalls danach unterscheiden, ob ein Vermittler im Lager des Kunden oder im Lager des Versicherers respektive Produktgebers steht. Dies würde dem Berufsbild in Österreich folgen. Dort können Versicherungsmakler als Sachwalter der Interessen des Kunden mit diesem umfassend regeln, auf welcher Basis auch bei der Vergütung sie tätig werden wollen. "Hätten wir dieses Modell rechtzeitig eingeführt, wäre die Schaffung der anderen Kategorien der Finanzvermittler und Berater überflüssig gewesen", so Jenssen.

Gute Courtage-Einnahmen in der Sachversicherung
Tatsächlich waren Versicherungsmakler in der Pandemie gefragter denn je, heißt es in einer Trendumfrage des BDVM, an der sich 232 Mitgliedsbetriebe beteiligten. "98 Prozent beurteilen ihre Geschäftslage in den ersten acht Monaten 2021 als gut oder befriedigend", berichtet Jenssen.

Quelle: BDVM
Grund für die positive Einschätzung waren unter anderem bei 68,5 Prozent steigende Courtage-Einnahmen, vor allem in der Sachversicherung. 60 Prozent der Mitglieder meldeten hier gestiegene Umsätze. In der Lebens- sowie in der Krankenversicherung fielen die Courtagen hingegen bei 15 beziehungsweise acht Prozent geringer aus, auch wegen der Pandemie und unsicherer politischer Rahmenbedingungen. Jenssen nannte das Geschäft der Mitglieder "im Durchschnitt stabil, man ist aber weit davon entfernt, nicht zu wissen, wohin mit dem Geld". (dpo)