FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019
Foto: © Sanga | stock.adobe.com D er ehemalige britische Premierminister Winston Churchill wusste es schon 1939: „Russland ist ein Rätsel inner- halb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium“, sagte er damals. Und wer schon einmal länger im flächenmäßig größten Land der Welt unterwegs war, weiß es: Russland hat von der prunkvollen Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz in Moskau bis zu der kleinen Insel Olchon am Baikalsee, wo es bis heute noch kein fließendes Wasser gibt, viele Mysterien zu bieten. Auch Anleger werden in Russland derzeit vor ein Rätsel gestellt – immerhin aber vor ein positives. „Es mag viele Investoren überraschen, aber Russland ist in diesem Jahr einer der besten Schwellenmärkte“, sagt Angelika Millendor- fer, Abteilungsleiterin Aktien CEE & Global Emerging Markets bei der Raiffeisen Kapital- anlage-Gesellschaft (KAG) aus Wien. In der Tat: Allen Sanktionen, dem Krieg in der Ost- ukraine sowie der Militäraktion des Kremls in Syrien zum Trotz zeigen die Indizes an der Moskauer Börse nach oben: So legte etwa der russische Leitindex RTS, der die nach Markt- kapitalisierung bis zu 50 größten Unterneh- men des Landes umfasst, seit Jahresbeginn um knapp 31 Prozent zu. Zum Vergleich: Der MSCI Emerging Markets Index kommt im selben Zeitraum nur auf ein Plus von etwas mehr als zehn Prozent. Vielversprechende Beimischung Die russische Wirtschaft wächst zwar lang- sam, aber Aktienanleger können derzeit Divi- dendenrenditen von durchschnittlich sieben Prozent erzielen. Und Fonds, die in den rus- sischen Aktienmarkt investieren, brachten Investoren in den vergangenen fünf Jahren zum Teil jährliche Renditen von deutlich über zehn Prozent (siehe Tabelle nächste Seite). Russland-Fonds können als Beimischung im Portfolio also durchaus vielversprechend sein. „Natürlich sind die seit 2014 von den USA und der Europäischen Union verhängten Wirt- schaftssanktionen an Russland nicht spurlos vorbeigegangen“, sagt Millendorfer. Hinzu komme der relativ niedrige Ölpreis. Lag das Wachstum des russischen Bruttoinlands- produkts (BIP) 2018 noch bei überraschenden 2,3 Prozent, so rechnet etwa die Europäische Kommission in ihrer Herbstprognose nur noch mit einem BIP-Wachstum von einem Prozent für das Gesamtjahr 2019. Für 2020 gehen die Experten von 1,4 Prozent aus. „Das geringe Wirtschaftswachstum ist der Politik aber bewusst, nicht zuletzt weil es negative Effekte für die Bevölkerung mit sich bringt“, weiß Millendorfer. Daher sieht der Ausgabenplan von Präsident Wladimir Putin vor, die russische Wirtschaft mit gezielten Investitionen in zwölf nationale Projekte bis 2024 kräftig anzukurbeln. Fördern will Putin vor allem den Ausbau der regionalen Infra- struktur, auch die Digitalisierung des Landes soll vorangetrieben, mehr Wohnraum geschaf- fen und der Export gestärkt werden. Moderate Verschuldung Positive Effekte zeigt heute schon die 2017 eingeführte überarbeitete Haushaltsregel. Diese legt fest, dass der Ölpreis im russischen Staatsbudget konstant mit 40 US-Dollar pro Barrel gerechnet wird. Damit hat die Regie- rung begonnen, die Wirtschaft von der starken Abhängigkeit vom Ölpreis zu befreien. Nicht zuletzt deswegen erzielt Russland Überschüs- se. „Die öffentliche Verschuldung des Landes ist mit 13 Prozent des BIP sehr niedrig“, er- klärt Millendorfer. Der Leistungsbilanzüber- schuss lag dem Münchner Ifo Institut zufolge 2018 bei 116 Milliarden US-Dollar, damit kommt Russland weltweit an dritter Stelle nach Japan und Deutschland. „Die Auslands- verschuldung sowie die private Verschuldung sind recht moderat“, sagt Millendorfer. Und die Währungsreserven übertreffen mit 500 Milliarden US-Dollar seit Kurzem wieder die Auslandsschulden. „Wirtschaftlich ist das eine sehr stabile und sichere Situation“, findet Millenberger. Auch größere politische Verwerfungen erwartet sie nicht, denn trotz aller Kritik aus dem Westen Trotz Krieg in der Ostukraine und Sanktionen – Russland geht es wirtschaftlich ziemlich gut. Davon profitieren Aktienfonds, die in das Land investieren. Kasatschok an der Börse Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz in Moskau: Russland steckt bis heute voller Mysterien. Auf den ersten Blick ist es auch ein Rätsel, wie das Land trotz Sanktionen eine sehr positive wirtschaftliche Entwicklung erzielen konnte. Über die Zukunft der Emerging Marktes referiert Thomas Schaffner von Vontobel Asset Management bei seinem Vortrag auf dem FONDS professionell KONGRESS in Mannheim. Anmeldung: www.fondsprofessionell.de MANNHEIM, 29. + 30. JAN. 2020 156 www.fondsprofessionell.de | 4/2019 markt & strategie I russland-investments
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