FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019
Foto: © klick | stock.adobe.com I n einem solchen Fall wäre wohl jeder Fondspoliceninhaber richtig sauer: Zwei Jahre vor Ablauf der Ansparphase von 32 Jahren hatte der Versicherer noch mitgeteilt, die mögliche Ablaufleistung werde sich nach dem aktuellen Stand auf 100.000 Euro belau- fen. Die darin enthaltenen Überschüsse hatte die Versicherung mit 20.000 Euro beziffert. Wunderbar, denkt sich der Fondspolicen-Spa- rer, doch als der Vertrag dann fällig wird, stellt sich heraus: Statt 100.000 Euro bekommt er nur 90.000 Euro ausgezahlt. Die Differenz von 10.000 Euro waren Schlussüberschüsse – und die hat der Versicherer im letzten Jahr vor Ablauf der Ansparphase gestrichen. Eine solche Kürzung der Ablaufleistung ist überhaupt nicht möglich? Zugegeben, der beschriebene Fall hat sich so nicht ereignet. Zumindest theoretisch ist es aber möglich, dass Anbieter von Fondspolicen sogenannte Schlussüberschüsse im Jahr vor der Fälligkeit streichen. Denn anders als die laufenden Überschussbeteiligungen, die dem Versiche- rungsnehmer einmal pro Jahr verbindlich gut- geschrieben werden, sind Schlussüberschüsse widerrufliche Überschüsse. Erst im letzten Jahr der Ansparphase ent- scheidet der Versicherer, ob er sie dem Kun- den endgültig gutschreibt oder nicht. Was für das Unternehmen eine Art Sicherheitspuffer für den Fall unerwartet steigender Kosten ist, stellt für den Policeninhaber einen Unsicher- heitsfaktor dar. Und: Ob ein Fondspolicen- anbieter Schlussüberschüsse bildet oder nicht, können Vermittler bislang in Vergleichspor- talen nicht erkennen. Dabei gehen gar nicht wenige Versicherer so vor, wie eine aktuelle Untersuchung der Ratingagentur Morgen & Morgen ergeben hat. Keine Seltenheit „Ich kenne Schlussüberschüsse aus der klassischen Lebensversicherung, aber dass sie auch bei Fondspolicen ohne Garantien vor- kommen, war mir nicht klar“, sagt ein Aktuar, der seinen Namen nicht in der Presse lesen möchte. In der Tat sind Schlussüberschuss- fonds in der klassischen Lebensversicherung üblich. Damit bilden Versicherer sozusagen einen Liquiditätspuffer für den Fall, dass sie vor Jahrzehnten abgegebene Garantien nicht stemmen können. Doch auch bei fondsgebundenen Renten- versicherungen ganz ohne Garantien sind diese Schlussüberschüsse keineswegs eine Seltenheit. Der Grund ist dafür einfach: Wie klassische Lebensversicherungen haben auch Fondspolicen sehr lange Laufzeiten. Daher müssen die Anbieter ihre Kosten auf Jahr- zehnte im Voraus planen und dabei vorsichtig vorgehen. So setzen sie etwa ihre Risiko- und Verwaltungskosten in der Kalkulation lieber etwas höher an als tatsächlich erwartet (siehe Kasten nächste Seite). Fallen diese dann niedriger aus oder zahlen Fondsgesellschaften höhere Rückvergütungen als angenommen, so bilden die Versicherer aus der Differenz jährlich Überschüsse, die dem Kunden gutgeschrieben werden. Einige Anbieter von Fondspolicen schrei- ben den Versicherungsnehmern die Überschüsse jedoch nicht verbindlich gut, sondern buchen einen Teil davon in eine sogenannte Rückstellung für Bei- tragsrückerstattungen ein. Puffer für Kostensteigerungen Diese Schlussüberschüsse kann der Versicherer verwenden, um even- tuelle Kostensteigerungen auszuglei- chen, denn sie werden dem Kunden in der Regel erst im letzten Jahr vor Ablauf der Ansparphase unwider- ruflich gutgeschrieben. Hat der Fonds- policenanbieter den „Reserve-Topf“ bis dahin angegriffen oder – im eher unwahr- scheinlichen Fall – ganz aufgezehrt, entgehen die darin eingebuchten Summen dem Versi- cherungsnehmer. „Ich halte die Bildung von Schlussüber- schüssen nicht für grundsätzlich schlecht“, sagt Thomas Leithoff, Leiter Recht beim Ver- sicherungsmakler Impuls Finanzmanagement in Gersthofen bei Augsburg. Sie seien schließ- lich nichts anderes als eine Vorsichtsmaßnah- me für unvorhergesehene Kostensteigerungen in der Zukunft. „Da sie sozusagen für die Ver- waltung des Vertrags zurückgestellt sind, kön- nen sie auch ausschließlich für Kostensteige- rungen verwendet werden, die im Zusammen- hang mit der Police entstehen“, erklärt Leit- hoff. Für andere Zwecke dürfen die Summen nicht ausgegeben werden. Allerdings haben Rückstellungen für Bei- tragsrückerstattungen für den Versicherer Manche Anbieter von Fondspolicen bilden Schlussüberschüsse, die für die Versicherungsnehmer Risiken bergen. Eine Studie bietet Vermittlern erstmals eine Übersicht über Tarife mit und ohne diese Überschüsse. Umstrittene Reserve Kette drum und abgeschlossen: Einige Anbieter von fondsgebundenen Rentenversicherungen schaffen Liquiditäts- reserven, um sich gegen steigende Kosten abzusichern. Das kann für den Versicherungsnehmer ungünstig sein. 238 www.fondsprofessionell.de | 4/2019 fonds & versicherung I fondspolicen
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