FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019
Foto: © karepa | stock.adobe.com, Heidekamp D ie Versicherer haben jahrelang den Wettbewerb um die besten Bedingun- gen in der Berufsunfähigkeitsversiche- rung (BU) angeheizt und zugleich die Bei- träge für wenig riskante Berufe drastisch gesenkt. In der Folge konnten sich viele Menschen mit gesundheitlich gefährlicheren Berufen, etwa Handwerker oder Künstler, den Invaliditätsschutz nicht mehr leisten. Die Ver- sicherer erfassen dabei immer mehr Risiko- merkmale. Jüngstes Beispiel: Zurich Deut- scher Herold verlangt von rauchenden Neu- kunden seit August 2019 einen deutlich höhe- ren Beitrag als von Nichtrauchern. Bislang war diese Tarifdifferenzierung nur in der Risi- kolebensversicherung üblich. Marktkenner rechnen damit, dass bald alle Anbieter ihre BU-Prämienkalkulation ändern. „Wer nicht mitmacht, muss damit rechnen, nur noch Rau- cher als Kunden zu bekommen – und könnte dann gezwungen sein, die Beiträge plötzlich stark zu erhöhen“, sagt Andreas Bürse- Hanning, Vorstand des Maklerunternehmens Aures Finanz in Mülheim. Das Scoring-Modell von Zurich bringt die Abkehr vom üblichen Modell der Berufs- gruppen. „Digitalisierung und Automatisie- rung führen zu neuen Berufsbildern, das muss sich auch in der BU-Versicherung abbilden“, erklärt Jacques Wasserfall, Leben-Vorstand der Zurich-Gruppe in Deutschland. Man orientiere sich daher eher an der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit als an Berufsgruppen. Zunächst ermittelt das Unternehmen eine Grundprämie, indem es Kunden in eine von 13 Branchen einstuft. Der finale Beitrag ergibt sich aber erst, wenn weitere Fragen zur Qua- lifikation, zum Umfang der körperlichen Tä- tigkeit, zu Leitungsfunktion und Berufsstatus beantwortet werden. Damit dürften sich Poli- cen für riskante Berufe weiter verteuern. AU-Klausel Immerhin gibt die Zurich eine fünfjährige Stabilitätsgarantie auf den Nettobeitrag. Das tun in Niedrigzinszeiten längst nicht mehr alle Versicherer (siehe FONDS professionell 2/2018, Seite 316). Dagegen sind Leistungen schon bei Arbeitsunfähigkeit (AU) bei der Zurich nicht mehr automatisch enthalten: Die sogenannte AU-Klausel ist lediglich ein optio- naler Tarifbaustein. Das müssen Makler wis- sen und ihren Kunden gegenüber transparent machen, sonst riskieren sie Haftungsproble- me. Im Jahr 1999 hat die Condor als erster Anbieter am Markt die AU-Klausel einge- führt: Eine BU-Leistung fließt schon dann, wenn der Kunde mehr als sechs Monate ar- beitsunfähig, also krankgeschrieben, ist. „Es hat mehr als zehn Jahre gedauert, bis weitere Versicherer AU-Leistungen mitversichert haben“, sagt Bert Heidekamp, Versicherungs- makler aus Berlin und Sachverständiger für BU-, Unfall- und Pflegeversicherungen. Die Klauseln sind jedoch sehr unterschied- lich, hat Heidekamp beobachtet. Er betreibt auch die Onlineplattform Fairtest.de, auf der er Versicherungsbedingungen analysiert. AU- Klauseln bewertet er anhand von 15 Fragen und über 50 Qualitätsmerkmalen. Maklern rät er, bei der AU-Klausel folgende Punkte ge- nauer anzusehen: die Dauer von AU-Leistun- gen, die Meldefrist, die Anerkennungsfrist von AU-Bescheinigungen, den Geltungsbereich, die Art der versicherten Krankheiten, die Ziel- gruppen und die Ausschlüsse. „Allerdings bedeutet eine gute AU-Klausel nicht automatisch, dass die BU-Bedingungen insgesamt gut sind“, warnt der Experte. Ist die BU-Leistung gewährt, kann der Versicherer die Zahlung nur durch eine Nachprüfung ein- stellen. Fairtest.de bewertet es deshalb als positiv, wenn AU- und BU-Leistungen gleich- zeitig geprüft werden, was beispielsweise Allianz, Condor und HDI so handhaben. Leistungsregulierung Wichtig für Makler ist auch, was nach dem BU-Antrag passiert. Ein umfassender Markt- überblick zur BU-Leistungsregulierung fehlt. Immerhin hat das Analysehaus Franke und Bornberg kürzlich zum dritten Mal seit 2014 das Regulierungsverhalten der BU-Versicherer untersucht. Die „BU-Leistungspraxisstudie“ bezieht sich auf eigene Untersuchungen zum Geschäftsjahr 2017 der sechs Versicherer Aachen Münchener, Ergo, HDI, Nürnberger, Swiss Life und Allianz. Genau diese Anbieter hatten sich zuvor schon dem BU-Unterneh- mens-Rating von Franke und Bornberg unter- zogen – und dabei alle „hervorragend“ abge- schnitten. Dennoch darf unterstellt werden, Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist für die meisten Verbraucher ein Muss. Für Makler ist diese Sparte jedoch alles andere als einfach. Ein aktueller Überblick. Ausrutsch gefahr Versicherer differenzieren ihre Tarife klassischerweise nach Berufsgruppen, ein Dachdecker zahlt daher mehr als ein Bibliothekar. Erste Anbieter haben jedoch begonnen, andere Risikomerkmale zu erfassen – etwa das Rauchen. 246 www.fondsprofessionell.de | 4/2019 fonds & versicherung I berufsunfähigkeit
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