FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019

weg zum Nachteil der Versicherungsnehmer ausgefallen“, bestätigt die Berliner Kanzlei Büchner Rechtsanwälte. Immerhin stützt sich die Allianz Versicherung nicht mehr „auf widersprüchliche Aussagen des IMB-Gutach- ters Ralf Wagner“, berichtet Jörg Büchner, Fachanwalt für Versicherungs- und Medizin- recht, mit Bezug auf einen Prozess vor dem Landgericht Berlin. Eine Verfügung des Land- gerichts Kiel besagt, dort konkret genannte Gutachter nicht mehr zuzulassen, weil deren Gutachten in der Vergangenheit nicht den Tat- sachen entsprachen und stets zum Nachteil der Kunden ausfielen. Auch Rechtswissen- schaftler Schwintowski fordert, die Sachver- ständigen, die die Gutachten verfassen, müss- ten neutral und unabhängig sein. Rechtsschutz hilft Streitfälle landen immer wieder vor Ge- richt. Günstig sei es daher, eine Privatrechts- schutzpolice zu besitzen, um das Prozess- kostenrisiko abzudecken, so Heidekamp. „Die Rechtsschutzpolice muss meist mindestens drei Monate vor BU-Vertragsabschluss be- standen haben, falls der Versicherer eine vor- vertragliche Anzeigenpflichtverletzung mo- niert hat“, betont der Spezialmakler. Wer keine Rechtsschutzversicherung be- sitzt, kann sich kostenfrei beim Versicherungs- ombudsmann beschweren. Die Verbraucher- schlichtungsstelle musste 2018 mehr als 14.100 zulässige Beschwerden über Versiche- rer bearbeiten, davon fast 400 in der BU-Ver- sicherung, Tendenz leicht steigend. „Viele Beschwerden warfen komplizierte medizi- nische und berufskundliche Fragen auf, die nicht immer abschließend geklärt werden konnten, da eine Beweiserhebung per Sach- verständigengutachten nötig wäre, was jedoch den Gerichten vorbehalten ist“, erklärt Om- budsmann-Geschäftsführer Horst Hiort. Viele Versicherte erwarten, dass sie im Rücktritts- oder Anfechtungsfall – oft wegen falscher oder unvollständiger Angaben zu den Gesundheitsfragen bei Vertragsabschluss – ihre eingezahlten Versicherungsbeiträge zu- rückerhalten. „Doch dem Versicherer steht nach Paragraf 39 Absatz 1 Satz 2 VVG der gesamte Beitrag bis zumWirksamwerden der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zu“, so Hiort. Da könne der Ombudsmann nicht hel- fen. Gefordert sei vielmehr eine sachgerechte Aufklärung und Beratung der Kunden vor Vertragsabschluss. Verlangt der Kunde vom Berater Schaden- ersatz, weil er sich nicht gut genug aufgeklärt gefühlt hatte, ist der Vermittler meist aus dem Schneider. „Der Versicherungsmakler muss die Befragung zu Gesundheitsfragen nicht in die Beratungsdokumentation aufnehmen“, sagt Rechtsanwältin Kathrin Pagel, Partnerin der Kanzlei Michaelis in Hamburg. Sie ver- weist auf einen Hinweisbeschluss des Ober- landesgerichts Hamm vom 2. Januar 2019 (Az.: I – 20 U 145/18). Laut OLG Hamm handelt es sich bei der Bearbeitung von Antragsfragen nicht um einen zu dokumen- tierenden Umstand. „Das Fehlen der Bera- tungsdokumentation führt nicht zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der korrekten Beantwortung von Gesundheitsfragen gegen- über dem Makler“, so Pagel. Bedingungsqualität Angesichts der Komplexität des Themas, der hohen Kapitalwerte und juristischer Spitz- findigkeiten sollten Makler nur solche Ver- sicherer in die engere Wahl ziehen, die eine ausgezeichnete Bedingungsqualität liefern, rät Makler Heidekamp. „Qualität lässt sich nur über die Leistung beziehungsweise Leistungs- merkmale messen“, fasst Rechtsexperte Schwintowski zusammen. Die Ansprüche des Kunden könne der Makler nur in der Einzelberatung herausar- beiten, so Heidekamp. Ein Rating könne so etwas nicht liefern. Vielen Maklern sei nicht bekannt, dass sie durch die Verwendung von Ratings und Vergleichsanalysen ihren Pflich- tenkreis und somit die Haftung vergrößern. „Deswegen muss der Vermittler dokumentie- ren, dass er die Ergebnisse nicht geprüft hat, um die Haftung wieder zu reduzieren“, erklärt Heidekamp. DETLEF POHL | FP Foto: © VZ Rheinland-Pfalz Michael Wortberg, Verbraucherzentrale: „Es gibt zahlrei- che ‚Auftragsgutachter‘ für die Versicherungsbranche.“ » Der Versicherungsmakler muss die Befragung zu Gesundheits- fragen nicht in die Beratungs- dokumentation aufnehmen. « Kathrin Pagel, Kanzlei Michaelis So hat der BGH in Sachen Berufsunfähigkeit entschieden § Wenn ein Versicherer eine BU-Leistung nicht zahlen will, muss er ein Nachprüfungsverfahren anstren- gen, bei dem der Kunde per Mitteilung über das Ende der Leistungspflicht informiert wird. Dies gilt selbst dann, wenn der Versicherer die BU-Leistung gar nicht anerkannt hatte, sondern erst vom Gericht dazu ver- urteilt wurde. Bis zur Nachprüfung hat der Kunde An- spruch auf BU-Rente. (Beschluss vom 13. März 2019; Az.: IV ZR 124/18) § Wenn der BU-Kunde parallel zur bisher ausgeübten Tätigkeit auch selbstständig tätig ist und einen Berufswechsel dahin plant, der BU-Fall aber vorher eintritt, ist lediglich das Einkommen aus der bisherigen Angestelltentätigkeit maßgeblich für die BU-Leistung. (Beschluss vom 16. Januar 2019; Az.: IV ZR 182/17) § Bei dem für die Verweisbarkeit des Kunden auf eine andere berufliche Tätigkeit gebotenen Ein- kommensvergleich ist das beim BU-Fall tatsächlich erzielte Einkommen grundsätzlich nicht fortzuschreiben. Die Lohn- und Gehaltsentwicklung im Ursprungsberuf nach Eintritt des Versicherungsfalls muss grundsätzlich außer Betracht bleiben. (Urteil vom 26. Juni 2019; Az.: IV ZR 19/18). § Wenn der Versicherer auf eine andere Tätigkeit verweist, um nicht zahlen zu müssen, gilt: Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert. Zudem sollte sie in ihrer Ver- gütung und der sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter dem Niveau des bislang ausgeübten Berufs liegen. (Urteil vom 20. Dezember 2017; Az.: IV ZR 11/16) § Hat der Kunde vergessen, bei Vertragsabschluss wichtige Arztbesuche anzugeben, berechtigt dies den Versicherer im Leistungsfall nicht automatisch zu Rücktritt oder Anfechtung des Vertrags. Der Kunde muss allerdings plausibel machen, weshalb es zu dem Versäumnis kam. (Urteil vom 11. Februar 2009; Az.: IV ZR 26/06) 248 www.fondsprofessionell.de | 4/2019 fonds & versicherung I berufsunfähigkeit

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