FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019

zent“, stellt Assekurata-Analyst Arndt von Eicken fest. Bafin stärken Die Unionsfraktion hält den Referenten- entwurf des SPD-geführten BMF zum Provi- sionsdeckelgesetz für verfehlt. Fachpolitiker Brodesser kann keine „Provisionsexzesse und keine massenhaften Beschwerden“ erkennen. Er verweist auf einen Alternativvorschlag sei- ner Arbeitsgruppe Finanzen der CDU/CSU- Fraktion, der bereits seit Juni vorliegt. So möchte Brodesser vor allem die Rechte der Finanzaufsicht Bafin stärken. Der Paragraf 143 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) zu „besonderen Anzeigepflichten der Lebens- versicherung“ soll um eine Vorgabe an die Unternehmen ergänzt werden, der Bafin die tatsächlich gezahlten maximalen Provisions- sätze zu melden – bisher gilt das nur für die kalkulierten Sätze. Ergeben sich neue oder geänderte tatsächliche Provisionssätze, wären diese automatisch anzuzeigen. Abweichungen von bis zu 30 Prozent von der durchschnitt- lichen Provisionshöhe sollen dann als markt- üblich gelten. Höhere Provisionen wären unzulässig oder müssten von der Bafin eigens genehmigt werden. Bei Restschuldversicherungen will die Union sogar einen „doppelten Deckel“ einführen: Die Provision soll maximal drei Prozent der Darlehenssumme und höchstens 50 Prozent des Gesamtbeitrags der Police ausmachen. So soll verhindert werden, dass die Leistungen bei gleichbleibendem Beitrag ausgehöhlt wer- den. Brodesser hofft, dass der Koalitionspart- ner SPD sich bald mit diesem Kompromiss anfreundet – und endlich den Deckel auf das leidige Thema draufmacht. DETLEF POHL | FP Foto: © Deutscher Bundestag / Thomas Koehler Carsten Brodesser | CDU „Wir ringen um einen Konsens “ Carsten Brodesser, Berichterstatter der Arbeitsgemeinschaft Finanzen der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, erläutert, warum der Provisionsdeckel für Lebenspolicen „sicher nicht im Wortlaut des Referentenentwurfs“ kommt. D er CDU-Politiker Cars- ten Brodesser kennt als Mitglied des Finanzaus- schusses nicht nur den aktuel- len Stand der Diskussion in Sachen Provisionsdeckel, er weiß auch über die Branche Bescheid: Bevor der heute 52- Jährige in den Bundestag ein- zog, arbeitete er als Vertriebs- leiter eines Beteiligungsunter- nehmens der Kreissparkasse Köln, hatte Führungspositio- nen bei Immobilienunterneh- men inne und war Regional- direktor der LBS in Münster. Herr Brodesser, das Bundesfinanzminis- terium (BMF) sieht den Referenten- entwurf zum Provisionsdeckelgesetz seit EndeAugust in der „finalen Diskussion“. Kommt der Deckel also doch noch? Carsten Brodesser: Sicher nicht imWortlaut des Referentenentwurfs. Mit der SPD, die auch das BMF führt, besteht weiter Dissens. Es wird noch um einen Konsens gerungen, der hoffentlich bald kabinettsreif ist. Dem jetzigen Vorschlag können wir nicht zustim- men, da es keine Provisionsexzesse und keine massenhaften Beschwerden gibt. Was schlagen Sie stattdessen vor? Schon heute liegt die Vergütung im Schnitt bei 37,74 Promille, also unter dem im Referentenentwurf vorgeschlagenen Deckel. Um einzelne schwarze Schafe zu scheren, muss man nicht die ganze Herde zum Scheren trei- ben. Das brächte nur mehr Bürokratie und Kosten, aber keinen Mehrwert für Verbrau- cher. Änderungsbedarf gibt es aber bei Restschuldversiche- rungen. Denkbar ist daher ein Deckel dort. Warum wirbt dann die Bafin trotzdem vehement für einen Provisionsdeckel? Offenbar geht man in der Breite von über- höhten Vergütungen aus. Die Zahlen aus dem LVRG-Evaluierungsbericht sind jedoch falsch, da neben Lebensversicherungen mit Sparanteil offenbar auch Biometrieprodukte und Restschuldversicherungen – dort sind 50 Prozent und mehr Provision üblich – einge- rechnet wurden. Müsste man nicht auch die Faktenlage für die Bafin verbessern? Ich finde, Versicherer sollten auf Basis des neu zu fassenden Paragrafen 143 VAG die Erlaubnis erhalten, die tatsächlich gezahlten maximalen Provisionssätze an die Bafin zu melden statt wie bisher die kalkulierten Sätze. Bei einer zu hohen Abweichung – beispiels- weise wenn das Niveau 30 Prozent über dem Marktdurchschnitt liegt – könnte die Behör- de gemäß Paragraf 48a VAG regulierend eingreifen. Wäre der Provisionsdeckel nicht ohne- hin verfassungswidrig? Ich bin kein Verfassungsrichter, aber ich emp- finde das so. Nur ein gewaltiger Missstand bei den Vergütungen würde einen schwerwie- genden Eingriff in die gesetzlich garantierte Gewerbefreiheit und die Privatautonomie der Unternehmen rechtfertigen. Diesen Missstand erkenne ich nicht. Zudem könnten Berufs- einsteiger die Kriterien für eine höhere Ver- gütung als 2,5 Prozent gar nicht erfüllen, weil sie noch keine Bestände besitzen. Verschwände der Deckel in der Versen- kung, käme dann das Provisionsverbot wieder auf den Tisch – wegen vermeint- licher Interessenkonflikte? Nein, sonst würden wir uns einen Beratungs- notstand wie in Großbritannien organisieren. Schon das IDD-Umsetzungsgesetz sorgte bei Vermittlern für eine Steigerung der Betriebs- kosten um 57 Prozent. Dabei verdient fast jeder dritte Vermittler maximal 50.000 Euro im Jahr vor Steuern und Altersvorsorge. Ein Provisionsverbot würde einen ganzen Berufs- stand ausrotten, der unmittelbar Verbraucher- beratung betreibt. DETLEF POHL | FP Carsten Brodesser: „Um einzel- ne schwarze Schafe zu scheren, muss man nicht die ganze Herde zum Scheren treiben.“ 264 www.fondsprofessionell.de | 4/2019 fonds & versicherung I lebensversicherung

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=