FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019

Media-Konten oder gefakten Nachrichten, um Entscheidungen des Computers in ihre Rich- tung zu lenken. Trotz möglicher Risiken kommt das Thema KI gut an, auch auf Investorenseite. So stiegen die von Venture-Capital-Unternehmen inves- tierten Summen in Start-ups, die sich mit KI beschäftigen, von weniger als zwei Milliarden US-Dollar im Jahr 2013 auf rund 24 Milliar- den im vergangenen Jahr. Mittlerweile ist auch die Politik auf den Zug aufgesprungen: Die EU-Kommission möchte von 2021 bis 2027 in Summe rund neun Milliarden Euro für Projekte mit KI-Bezug bereitstellen. Bei aller Euphorie über die neue künstliche Intelligenz: Nicht jeder Bankkunde kann sich mit Automatisierungslösungen wie Chatbots anfreunden. Daher wird es bei den meisten Instituten wahrscheinlich auch in Zukunft zumindest noch den einen oder anderen Ansprechpartner aus Fleisch und Blut geben, mit dem man auch mal ein paar private Worte wechseln kann. Wie viele das sein werden, ist allerdings fraglich. MARCUS HIPPLER | FP Foto: © Christian Rieck, Frankfurt University Christian Rieck | Frankfurt University of Applied Sciences „Banken müssen sich völlig neu erfinden“ Christian Rieck, Professor für Finance und Wirtschaftstheorie an der Frankfurt University of Applied Sciences, über den Einsatz von künstlicher Intelligenz bei Banken – und die größten Hemnisse, die die Technologie bremsen. C hristian Rieck, Jahrgang 1963, macht nicht nur als Wissenschaftler und Autor Karriere, er ist auch als launi- ger Redner gefragt, unter anderem zur Fra- ge, wie der Megatrend rund um Digitalisie- rung, künstliche Intelligenz und Robotik die Finanzbranche umkrempeln wird. Herr Professor Rieck, wie erklären Sie einem Laien das Thema „künstliche Intelligenz“? Christian Rieck: Künstliche Intelligenz be- deutet, dass Computer nicht mehr genaue Anweisungen bekommen, was sie tun sol- len, sondern dass sie selber lernen können. Es wird für meine Begriffe immer noch hoffnungslos unterschätzt, welche Auswir- kungen das für die Zukunft haben wird. Vielfach haben wir das Gefühl, dass künst- liche „Intelligenz“ eine Übertreibung sei, weil die Rechner kein Bewusstsein ent- wickeln. Aber das ist eine Fehleinschätzung: Für rein kognitive Leistungen braucht man kein Bewusstsein. Welche Anwendungsgebiete sehen Sie im Bankenumfeld neben den vielfach diskutierten Themen Betrugsprävention im Zahlungsverkehr und dem Bereich „Know your Customer“? Ich fürchte, man muss die Frage andersherum stellen: In welchen Bereichen der Bank gibt es keine Anwendungsmöglichkeiten? Und da fällt mir leider kein einziger ein. Computer sind wie geschaffen für die Aufgaben in einer Bank oder auch Versicherung. Dass wir in der Vergangenheit noch Menschen brauchten, lag daran, dass sich Computer bisher mit unscharfen Daten und Aufgaben schwergetan haben. Auf einmal löst KI solche Aufgaben aber. In gewisser Weise kann man KI zu großen Teilen als Übersetzer ansehen, der Schnittstellenprobleme auf den verschie- densten Ebenen löst. Angefangen von der Systemebene bis hin zur Kommunikation mit Menschen. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hemmnisse beim Einsatz der KI bei Kreditinstituten? Regulierung, Altsysteme und Fairness. Die Regulierung verhindert, dass man beliebige neue Systeme einfach mal nebenbei einfüh- ren kann wie im Buchhandel. Das hat die Branche länger als andere Branchen vor den „Big Techs“ geschützt. Dass die Ban- ken ihre Schonfrist so schlecht nutzen konnten, liegt daran, dass sie sehr früh in die IT eingestiegen sind und daher jetzt von geschichteten Altsystemen abhängen, die man nur mit extremem Aufwand KI-taug- lich machen kann. Und dann gibt es noch etwas, woran nicht automatisch gedacht wird: Banken behandeln die Kundendaten als etwas Privates und Schützenswertes. Wir verkennen das gesellschaftlich aber völlig und verwechseln das mit altmodi- schem Denken. Da die Daten der Kunden sehr viel wert sind, gibt das den Tech-Un- ternehmen einen wesentlichen Vorsprung in der Monetarisierung, weil dort derartige Fairnessüberlegungen keine Rolle spielen. Ein Blick in die Zukunft: Welche Mög- lichkeiten könnte die KI beispielsweise in 20 Jahren im Einsatz für die Banken bieten? In 20 Jahren ist jedes Smartphone in unserer Tasche leistungsfähiger als unser Gehirn, ob- gleich es dann natürlich nicht mehr so heißen wird und vielleicht als Implantat vorliegt. Heutige Banken sind die Schnittstelle zwi- schen Menschen und Märkten. Diese Funk- tion wird dann in der jetzigen Form nicht mehr nötig sein. Die Banken müssen sich al- so völlig neu erfinden, um die neuen Bedürf- nisse zu erfüllen. Wenn ich wüsste, welche das sind, würde ich sie natürlich nicht hier verraten, sondern ein Start-up gründen. MARCUS HIPPLER | FP Christian Rieck, Frankfurt University: „In 20 Jahren ist jedes Smartphone leistungsfähiger als unser Gehirn.“ 370 www.fondsprofessionell.de | 4/2019 bank & fonds I künstliche intelligenz

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