FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019

Umso überraschender erscheint das unge- naue Wissen der Banken, wo welcher Auf- wand anfällt. „Ohne genaue Zuordnung fehlt den Instituten jegliche Basis zur Bewertung, wie profitabel einzelne Produkte sind“, erläu- tert Unternehmensberater Jacobi. Schon ein Drittel der Sparkassen und sogar 42 Prozent der Genossenschaftsbanken berechnen vor einem Produktstart nicht oder nur teilweise die zu erwartenden Kosten jedes Angebots (siehe Grafik unten). Dies setzt sich dann über die Lebensdauer einer Dienstleistung fort. 78 Prozent der Sparkassen und 62 Prozent der Volks- und Raiffeisenbanken gaben an, dass die Preisfindung eines Produkts vollständig oder zumindest zum Teil losgelöst von den Kosten erfolge. Stellschrauben erkennen Zudem stecken die Banken in einem Di- lemma. Angesichts der angespannten Markt- lage stehen die Preise nahezu aller Retail-Ban- king-Produkte unter Druck. Derweil kann es sich kaum eine Filialbank leisten, allzu viele Offerten aus ihrem Sortiment zu streichen. Denn die Institute müssen eine breite Service- palette unterhalten, um als erste Anlaufstelle in Finanzfragen alles aus einer Hand zu bieten und somit die Kunden an sich zu binden. „Gerade bei Produkten, die sich aufgrund der aktuellen Marktlage wenig oder gar nicht rentieren, jedoch aus strategischen Gründen angeboten werden müssen, sollten Kosten und Aufwand bestmöglich gesenkt werden“, sagt Jacobi. Dazu müssen jedoch die richtigen Stellschrauben identifiziert werden – was ohne Kenntnis der konkreten Kosten kaum möglich ist. „Die Quersubventionierung geht somit munter weiter“, so der Branchenkenner. Um die Auslagen besser im Zaum halten zu können, sollten die Institute Zielkosten für ihre Angebote festlegen, rät Jacobi. Die inter- nen Aufwendungen für das jeweilige Produkt sollten im Schnitt nicht über diesem Ziel lie- gen. Solche Vorgaben haben sich aber ledig- lich 14 Prozent der befragten Institute gesetzt, zeigt die Emporias-Studie. Und selbst wenn ein solches Schema etabliert ist, heißt das nicht, dass es auch an ein sich veränderndes Umfeld angepasst wird. So gaben 74 Prozent der Sparkassen und 60 Prozent der Genossen- schaftsbanken an, dass vorab definierte Ziel- kosten für Produkte teilweise oder überhaupt nicht regelmäßig auf Basis aktueller Markt- preise aktualisiert würden. „Hier besteht noch Luft nach oben“, meint Jacobi. „Ohne die Definition von Zielkosten kann kaum sinnvoll an der Kostenschraube gedreht werden.“ Die Studie zeige, dass die Mehrheit der Banken ihre Möglichkeiten noch nicht ausschöpft, um die entscheidenden Hebel bei den Kosten zu identifizieren. Im- merhin: 80 Prozent der befragten öffentlich- rechtlichen und 70 Prozent der Volks- und Raiffeisenbanken gaben gegenüber Emporias an, aktuell ein konkretes Projekt zur Optimie- rung der Kosten gestartet zu haben. Eine Aufgabe für alle Eine mögliche Erklärung für die mangelnde Klarheit über die Ausgaben liegt in der Struk- tur des Finanzsektors. Ein erheblicher Teil der Auslagen entfällt auf die Mitarbeiter. Wie viel Zeit die Angestellten wofür genau aufwenden, lässt sich nur näherungsweise erfassen. „Die Ausgaben bei einem hohen Personalkosten- anteil an den Gesamtkosten zu justieren be- deutet, die Prozesse und die damit gebunde- nen Kapazitäten zu steuern“, erläutert Jacobi. Einen wichtigen Beitrag dazu leiste die Dokumentation der Verfahren. Vor allem müs- se aber die Dauer der Arbeitsschritte geplant, überwacht und gegebenenfalls der Kapazitäts- einsatz nachjustiert werden. Dies steht und fällt damit, ob die Angestellten mitziehen. „Kosten zu managen und die damit verbun- den Prozesse effizienter zu gestalten, ist die Aufgabe aller Mitarbeiter“, betont Jacobi. Dies lässt sich nicht von oben verordnen, son- dern nur vorleben. SEBASTIAN ERTINGER | FP Foto: © Prof. Dr. Eckart Jacobi Carsten Jacobi, Emporias: „Die Quersubventionierung geht munter weiter.“ Über den Daumen gepeilt Anteil der Nennungen nach Bankengruppe 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Volksbanken Sparkassen Volksbanken Sparkassen Volksbanken Sparkassen Volksbanken Sparkassen Volksbanken Sparkassen Volksbanken Sparkassen Trifft über- wiegend / voll zu Trifft teil- weise zu Trifft nicht / nur vereinzelt zu Eine Kostenberechnung erfolgt vor Verkaufsstart jedes Produkts. Eine Kostenberechnung ist Grundlage der Entscheidung für ein neues Produkt. Zielkosten für Produkte werden regelmäßig auf Basis aktueller Marktpreise aktualisiert. Die Preisfindung für Produkte erfolgt teilweise losgelöst von Kosten. Der anfallende Aufwand für jedes Produkt / jede Produktgruppe kann benannt werden. Ein Schema zur Bewertung der Profitabilität der Produkte existiert. Die Beratungsgesellschaft Emporias befragte jeweils 50 Entscheidungsträger von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenban- ken zu ihren Prozessen. Hier gezeigt sind aus- gewählte Ergebnisse – aufgeschlüsselt nach den beiden Institutsgruppen. Quelle: Emporias, Umfrage 2019 386 www.fondsprofessionell.de | 4/2019 bank & fonds I produktkosten

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