FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019
sibilität geprüft zu haben, geht deshalb regel- mäßig dann ins Leere, wenn ein Fehler im Prospekt auch bei einer Plausibilitätsprüfung nicht aufgefallen wäre.“ Vermittler muss „anlegergerecht“ beraten – das „Bond-Urteil“ BGH, 6. 7. 1993, Az. XI ZR 12/93 § „Die Bond-Entscheidung ist die Ge- burtsstunde der anleger- und anlage- gerechten Beratung. Sie steht über allen nachfolgend ergangenen Entscheidungen“, kommentiert Rechtsanwalt Oliver Renner. Das Urteil kam zustande, da ein Anlegerpaar eine Volksbank wegen Beratungsfehlern beim Kauf von Anleihen der australischen Bond- Finance Ltd. im Wert von damals 20.000 D-Mark verklagt hatte. Das Rentenpapier war zum Zeitpunkt des Kaufs als spekulativ ein- gestuft worden, später wurde es wertlos. Die Kläger gaben vor Gericht an, der Berater habe auf Rückfrage ein Risiko in Bezug auf diese Anleihe verneint. Die Bank entgegnete darauf, dass damit nicht jedes Risiko gemeint war, sondern nur das des Wechselkurses. Im Übri- gen sei ihr das Rating des Papiers gar nicht bekannt gewesen. Der BGH stellte in seinem Urteil klar, dass ein Berater eine Kapitalanlage sorgfältig prüfen muss – in dem Fall auch das Rating. Ferner müsse er auch berücksichtigen, ob sein Vorschlag zur Lebenssituation des An- legers passt. „Eine Bank hat bei der Anlage- beratung den – gegebenenfalls zu erfragenden – Wissensstand des Kunden über Anlage- geschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft zu berücksichtigen (‚anle- gergerechte‘ Beratung); das von ihr danach empfohlene Anlageobjekt muss diesen Krite- rien Rechnung tragen (‚anlagegerechte‘ Bera- tung)“, lautet die Begründung des BGH. Berater ist nicht für Kurs- verschlechterung verantwortlich BGH, 21. 3. 2006, Az. XI ZR 63/05 § Nach dem Bond-Urteil tat sich längere Zeit nicht viel Spektakuläres in der Rechtsprechung zur Anlageberatung. Zumindest stammt das nächste von den Ex- perten genannte Urteil aus dem Frühjahr 2006. Ein Ehepaar hatte eine Erbschaft in offene Fonds investiert. Zunächst machte es Gewinne, dann fielen die Kurse wieder. Als das Paar dann, obwohl es noch in der Gewinnzone war, verkaufen wollte, riet ihnen die betreuende Sparkasse mit dem Hinweis ab, dass die Kurse wieder anziehen würden. Dennoch stießen sie die Papiere einige Mo- nate später ab – mit erheblichen Verlusten, woraufhin sie wegen Fehlberatung klagten. Der BGH gab ihnen nicht recht, da der wei- tere Kursverfall zu dem Zeitpunkt nicht abzu- sehen war. „Die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts durch einen Anlagebera- ter muss ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde“, lautet Anwalt Mer- tens zufolge die Begründung des BGH. Kunde trägt Beweislast für rechtzeitige Prospektübergabe BGH, 11. 5. 2006, Az. III ZR 205/05 § Weniger als zwei Monate später sprach der BGH erneut ein wichtiges Urteil: Ein Ehepaar hatte 2001 auf Anraten eines Anlagevermittlers 35.000 D-Mark in einen geschlossenen Filmfonds investiert. Nachdem sich dieser nicht rentiert hatte, ver- langten sie vom Vermittler Schadensersatz wegen mangelnder Risikoaufklärung. Der Vermittler berief sich im Prozessverlauf nun darauf, den Klägern rechtzeitig einen Anlage- prospekt ausgehändigt zu haben. Das Ehepaar hätte also genug Zeit gehabt, sich zu informie- ren. Die zentrale Frage in diesem Prozess war daher, wer beweisen muss, dass der Verkaufs- prospekt rechtzeitig beim Kunden war. Der Daniel Berger, Wirth Rechtsanwälte: „Prognosen im Prospekt sind einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen.“ Geschlossene Fonds für die Altersvorsorge? Nicht nur Entscheide des Bundesgerichtshofs in Karls- ruhe sind wichtig, auch das eine oder andere Ober- landesgericht (OLG) hat so manches Urteil gefällt, das Vermittler kennen sollten. Dazu zählt der Spruch des OLG Frankfurt, der das Datum des 12. Juli 2013 trägt (Az.: 19 U 263/12). Der Fall: Schon 1995 hatte ein Anleger 100.000 D-Mark in einen geschlossenen Immobilienfonds investiert. Jahre später verklagte er seinen Berater. Zum einen sei er nicht über Rückvergütungen auf- geklärt worden, zum anderen sei der Fonds nicht zur Altersvorsorge geeignet gewesen. Die Bedeutung dieses Urteils liegt Anwalt Martin Duncker zufolge nicht in den Ausführungen zu den Provisionen – Schadener- satzansprüche daraus sprach ihm das OLG übrigens nicht zu. Der Kernpunkt sind die Ausführungen zur Alters- vorsorge. Denn in nahezu jedem Anspruchsschreiben finde sich der stereotype Vortrag, der Kunde habe eine Kapitalanlage zur Altersvorsorge gewünscht, die empfoh- lene Anlage sei für dieses Ziel aber ungeeignet. Das OLG Frankfurt war laut Duncker mit der Entschei- dung eines der ersten Obergerichte, die sich detail- liert mit dem Verhältnis des Anlageziels Altersvor- sorge und geschlossenen Immobilienfonds aus- einandergesetzt haben. Die Kernaussage des Urteils: „Bei einer Beteili- gung an einem geschlossenen Immobilienfonds handelt es sich um eine langfristig angelegte Kapi- talinvestition, die aufgrund der zu erwartenden relativ geringen Schwankungsbreiten, die insbesondere wegen der dauerhaften Einnahmen aus Vermietung oder Ver- pachtung ohne Hinzutreten besonderer Umstände einen höheren Kapitalverlust nicht erwarten ließen, auch als Baustein für eine Altersvorsorge geeignet ist. “ Udo Brinkmöller, Kanzlei BMS: „Urteile konkretisieren die im BGB gegebenen Grundlagen der Beratung.“ www.fondsprofessionell.de | 4/2019 405
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