FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2014
Sauren: Eine Frage an Kushal Kumar in die- sem Zusammenhang: Sie haben sich meines Wissens ausführlicher mit dem europäischen Bankensektor auseinandergesetzt. Was er- warten Sie im Hinblick auf den anstehenden Asset Quality Review der EZB, der noch vor dem Bankenstresstest erfolgen wird? Kumar: Das ist in gewisser Weise nur ein Mosaikstein in einem durchaus relevanten Stadium des gesamteuropäischen Projekts. Über die Bondmärkte ist es bereits zu so etwas wie der Vergemeinschaftung von Schulden gekommen. Der zweite Schritt wird nun die Bankenunion sein. Es braucht aus meiner Sicht einfach eine gemeinsame Bankenaufsicht. Aber auch wenn der AQR nun den letzten Schritt in Richtung dieser Bankenunion darstellt, dann ist das ein durchaus wichtiges und mächtiges Zeichen, das damit gesetzt wird. Man sagt, dass die USA die Bereinigung ihres Bankensektors sehr gut hinbekommen haben. Mit der Um- setzung der Bankenunion in der Eurozone hätte Europa wahrscheinlich ebenfalls schon zwei Drittel dieses Wegs hinter sich gebracht. Pessimisten würden vielleicht sagen, es wäre dann gerade einmal die Hälfte geschafft. Aber wir hätten damit eine Hürde ge- nommen, und es würde erstmals wirklich eine Bankenlandschaft im Eurogebiet er- kennbar, die diesen Namen auch verdient hat. Und von diesem Stadium aus wäre es dann nur noch ein kleiner Schritt bis zur nächsten Veränderungswelle im Banken- sektor, wenn nämlich Institute, die man eigentlich schon abgeschrieben hat, dann auf einmal zu Übernahmekandidaten werden, nur weil die Bankenunion rasant voranschreitet. Das wäre ein enorm star- ker Schritt nach vorn für Europa. Sauren: Wie beurteilen Sie in diesem Zu- sammenhang die Staaten an der europäi- schen Peripherie? Wo sind noch Invest- mentchancen zu erwarten, wenn eine zehnjährige Spanien-Anleihe eine deut- lich niedrigere Rendite bietet als das ent- sprechende Papier in den USA? Und kann das überhaupt lange so bleiben? Dowding: In diesem Zusammenhang muss man zusätzlich noch auf die Situa- tion in Italien hinweisen. Das Land ist in ernsthaften Schwierigkeiten und zuletzt in elf von zwölf Quartalen geschrumpft. Nun fallen die Preise, und das nominale Bruttoinlandsprodukt schrumpft ebenfalls. Das ist aufgrund der ihr eigenen Dynamik eine sehr gefährliche Situation, wenn die Relation Verschuldung zu BIP ein Niveau von 135 Prozent erreicht. Daher würde ich sagen: Wenn es darum geht, in die Eurozone zu investieren, findet man mittlerweile eine höhere Wertigkeit in einem Land wie Lett- land, das beim Verhältnis Verschuldung zum BIP eine Relation von 39 Prozent aufweist und ein Wachstum von vier Prozent. Gleich- zeitig werden die Staatsanleihen mit einer ähnlichen Rendite gehandelt wie italienische Staatspapiere. Aber um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Rentenmärkte sind ineffizient, und ein Großteil der Kreditrisiken ist nicht wirklich eingepreist. Es mag in dem einen oder anderen Land durchaus Invest- mentchancen geben, aber man muss seine Hausaufgaben sehr gut erledigen, weil in dem einen Land ganz klar größere Risiken bestehen als in einem anderen Land. Heuser: Herr Durand, müssen Sie als Fondsmanager für Emerging Markets Bonds vor diesem Hintergrund nicht schon längst in Länder wie Griechenland, Italien oder Spanien investieren, weil diese Staaten mittlerweile eigentlich schon eher Schwellenländer sind? Durand: Wir haben das im Fall von Zypern und Griechenland durchaus schon getan. In Italien und Spanien waren wir bisher mit unseren Fonds nicht investiert, weil die ent- sprechenden Papiere noch nicht das Niveau von wirklich notleidenden Anleihen erreicht haben. Aber es gibt unter meinen Mitbewer- bern natürlich immer häufiger die Tendenz, in solchen Ländern zu investieren – umso mehr, als die Wahrscheinlichkeit von wei- teren Umschuldungsmaßnahmen in Europa zunehmen dürfte. Entsprechend werden im- mer mehr Emerging-Markets-Rentenfonds auf den Zug aufspringen. Dowding: Ich frage mich, ob es überhaupt noch einen Grund gibt, bei der herkömmli- chen Klassifizierung in Schwellenländer und entwickelte Länder zu bleiben. Das ist doch mittlerweile vollkommen irreführend. Begrif- fe wie Emerging und Developed Markets wa- ren sinnvoll in einer Welt, in der das eine für Länder mit hohem Kreditrisiko stand und das andere für Länder, die kein Kreditrisiko auf- wiesen. Heutzutage sitzen alle im selben Boot. Daher ist die Unterscheidung regelrecht anachronistisch. Aber es ist schon interessant, wie stark und wie lang die Welt, auch die Bör- senwelt, an unterschiedlichen Trading Desks, Indizes und auch Produkten festhält. An sol- chen Übergangspunkten in der Geschichte ergeben sich häufig außergewöhnliche Gele- genheiten oder Chancen, die man nutzen kann. Ich bin gespannt, wann die Welt tat- sächlich aufhören wird, Emerging Markets als Schwellenländer wahrzunehmen. Heuser: Ich bedanke mich für eine inter- essante Diskussion. FP Mark Dowding (BlueBay AM): „Deutschland und die deutschen Konsumenten sind die Einzigen, die Europa noch aus einem tiefen Loch herausholen können.“ »In den USA gehört dem jeweiligen Eigentümer nicht nur das Land und seine Nutzungs- möglichkeiten, sondern auch die Bodenschätze und die Verfügungsgewalt darüber.« David Whitten, Henderson, 90 West AM 114 www.fondsprofessionell.de | 3/2014 cover I sauren golden awards Foto: © Christoph Hemmerich
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