FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2014

Rauch: Ich bin davon überzeugt, dass ein An- leger mit 20.000 Euro Depotvolumen auch im Provisionssystem nicht wirklich beraten werden kann. Wenn der Vermittler im Schnitt 0,4 Prozent Bestandsprovision bekommt, entspricht das 80 Euro im Jahr. Darum wider- spreche ich auch der Aussage, dass die Form der Vergütung keine Auswirkung auf die Qualität der Beratung hat. Wer für einen Kunden nur 80 Euro im Jahr erhält, muss sich zwangsläufig Gedanken darüber ma- chen, wo er mehr Geld herbekommt. Hammer: Einer Studie der Steinbeis-Hoch- schule Berlin zufolge wären nur 19 Prozent der Bundesbürger mit bis zu 1.000 Euro Ein- kommen dazu bereit, Honorar für eine Fi- nanzberatung zu bezahlen – das dann im Schnitt bloß 35 Euro pro Stunde betragen dürfte. Bei über 5.000 Euro Einkommen wür- den immerhin 37 Prozent ein Honorar von durchschnittlich 45 Euro bezahlen. Die Frage ist: Was machen wir mit dem großen Rest? Rauch: Die Berater, die sich dem VDH ange- schlossen haben, nehmen im Schnitt 128 Euro die Stunde. Deren Kunden sind dazu bereit, weil sie wissen, dass die Provision in keinem Teil der Wertschöpfungskette mehr eine Rolle spielt. Der Knack- punkt ist: Wie gelingt es mir als Be- rater, dem Kunden die Vorteile eines Honorars zu transportieren? Den Engpass sehe ich nicht beim Kunden, sondern beim Berater. Der ist es in aller Regel nicht gewohnt, seine Dienstleistung selbstbewusst zu ver- kaufen. Das gilt übrigens auch im Provisionsmodell. Die wenigsten le- gen ihre Provisionen selbstbewusst offen und sagen: Das ist der Preis für meine Dienstleistung. Jehn: Da sprechen wir aber immer über die Bezahlung einer konkreten Beratung. Was ist mit den Vermitt- lern, die von der Bestandsprovision leben? Herr Rauch hat recht, die be- kommen nur 80 Euro je Kunde. Aber die bekommen sie tausendmal. Mikosch: Und wie werden diese Kunden beraten? Jehn: Überhaupt nicht. Sie haben oft gar keinen Beratungsbedarf mehr. Rauch: Da haben wir ein generelles betriebs- wirtschaftliches Problem, unabhängig vom Vergütungssystem. Für 80 Euro im Jahr lässt sich kaum eine vernünftige Dienstleistung erbringen. Daher sind bei bestimmten Ein- kommensgruppen dringend standardisierte Produkte nötig, die quasi im Hintergrund Beratung liefern. In den USA und Groß- britannien haben sich solche Modelle schon etabliert, auch in Deutschland gibt es erste Ansätze. Lang: Eines dieser Modelle ist die standar- disierte Fondsvermögensverwaltung, die de- finitiv ein Trend ist. Die Wachstumsraten in diesem Segment sind exorbitant. Die Akzep- tanz seitens der Vermittler ist sehr hoch. Der Berater fragt sich, welche Dienstleistung er einem Durchschnittshaushalt mit 2.800 Euro Bruttoeinkommen und 10.000 bis 20.000 Euro Vermögen noch anbieten kann. Da ist die standardisierte Fondsvermögensverwal- tung die richtige Antwort. Beratung muss bezahlbar bleiben, auch für diese Zielgruppe. Jehn: Ein Beispiel aus der Praxis unserer Unternehmensberatung: Wir sollten einen IT- gestützten Beratungsprozess entwerfen. Der Auftrag lautete: Konzipieren Sie das Ganze auch mal so, dass man auf den Berater ver- zichten kann! Ein Teil der Branche ist also der Auffassung, dass der unabhängige Fi- nanzberater tot ist, und wendet sich direkt an den Endkunden. Der wird online zu einem gewissen Teil selbst ausgebildet, erfährt eine Risikoprofilierung und bekommt dann ein standardisiertes Portfolio. Unser Mandant denkt für Kunden bis 50.000 Euro in diese Richtung, erst bei größeren Summen kommt ein spezialisierter Berater zum Zug. Heuser: Ist der freie Finanzvertrieb tat- sächlich tot? Juretzek: Wir werden eine Zweiteilung des Marktes erleben: auf der einen Seite die Thorsten Jehn, Jehn & Kollegen: „Letztlich läuft alles auf die Professionalisierung des Beraters hinaus. Das ist schon beim Thema Servicegebühren zu erkennen.“ 230 www.fondsprofessionell.de | 3/2014 honorarberatung spezial I roundtable ? ! HN Foto: © Christoph Hemmerich Christian Hammer, NFS: „Ich hätte mir gewünscht, dass es auch eine Gebührenverordnung gibt, ähnlich wie bei Rechtsanwälten. Das hätte vieles vereinfacht.“ »Es wird nicht gelingen, den jetzt bestehenden Verkäufer- und Bera- termarkt eins zu eins auf einen reinen Beratermarkt umzustellen.« Philipp Mertens, BMS Rechtsanwälte

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