FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2014

Wird es langfristig zu einer Verschiebung der Marktanteile kommen? Schoeller: Ich möchte hier nicht die große Vision an die Wand werfen, aber ich glaube, dass sich in zehn oder 15 Jahren ein oder zwei Rating- agenturen in Europa herauskristalli- sieren werden, die im globalen Ra- tingmarkt die europäischen Stimmen repräsentieren. Um den US-Kuchen werden sich dann die jetzigen drei großen Agenturen quasi streiten müssen. Das ist aus meiner Sicht die langfristige Perspektive. Wir bauen eine europäische Alternative auf, wohlwissend, dass unsere Wurzeln hier in Deutschland liegen, was si- cherlich nicht zu unterschätzen ist: Deutschland hat sich in den letzten Jahren ein gutes Standing erarbeitet, und ich glaube, dass wir dieses Stan- ding auch auf unsere Ratingagentur übertragen können. Entfernen Sie sich nicht zu stark von Ihrem eigentlichen Kerngeschäft, dem Fondsseg- ment, und vom Heimatmarkt Deutsch- land? Ihre Internetseite etwa ist nur noch englischsprachig? Bund: Natürlich ist der Internationalisierungs- effekt auch nach außen hin sichtbar. Wir ha- ben den Prozess der Neuausrichtung aber auch dazu genutzt, jeden Bereich noch einmal zu überholen. So wird es zeitnah eine neue Plattform für alternative Investmentfonds ge- ben, die den internationalen Standards ent- spricht. Der Fokus bleibt aber auf unserem Heimatmarkt Deutschland, wo nach wie vor 50 Prozent unserer Umsätze aus dem Fonds- bereich kommen. Torsten Hinrichs und ich sind uns einig, künftig sogar zusätzlich ana- lytische Kompetenz aufbauen zu wollen. Da- zu werden wir uns personell mit einem Leiter für das Fondsteam, der die Themen offene und geschlossene Fonds sowie Fondsmanage- ment-Ratings unter einem Dach koordiniert und internationalisiert. Kritik aus dem Markt hat es zuletzt an Ihrer Ratingmethodik von Mittelstandsan- leihen gegeben, die daraufhin angepasst wurde. Gibt es auch Anpassungsbedarf in anderen Bereichen? Bund: Es wird sicher die eine oder andere gezielte Anpassung geben, aber keine Anpas- sungswelle. Vielmehr werden wir unsere Me- thodik internationalen Standards angleichen. Nicht zuletzt erreichen wir über die interna- tionale Erfahrung, die wir uns in Haus holen, dass wir stärker über den Tellerrand hinaus blicken. Die eher kritische Sichtweise imAus- land auf den deutschen Mittelstand hat sich ja bewahrheitet. Herr Schoeller, wenn Sie durchaus selbstkritisch eine Bilanz der letzten Jahre ziehen müssten, wie würde diese ausfallen? Schoeller: Es ist wie in jeder anderen Branche auch: Man steckt in einem kontinuierlichen Lernprozess. Die Erkenntnisse, die wir heute über die Märkte haben, sind andere, als wir 2002 hatten. Das betrifft gleicher- maßen die eigene Leistungsfähig- keit und die Herangehensweise, wie man einen Markt erschließt. Heute ist Scope ein ganz anderes Unter- nehmen. Man kann an dieser Stelle auch von Erwachsenwerden spre- chen. 2002 war ich 28 Jahre alt, damals hatte ich ganz andere Vor- stellungen von dem Geschäft als heute. Wenn ich beispielsweise die Situation von 2006 nehme, mit welcher jugendlichen Forschheit wir in den Markt der offenen Im- mobilienfonds eingestiegen sind, auch mit welcher Radikalität und Überzeugung wir Ratings verteilt haben, dann ist das ist aus heutiger Sicht einer gewissen Jugendlichkeit zuzuschreiben. Heute würden wir wesentlich erwachsener mit den Dingen umgehen. Nach umstrittenen Verkaufsemp- fehlungen für einige offene Im- mobilienfonds sind Sie 2006 er- heblich unter Beschuss geraten. Für Scope hat sich daraus sogar eine existenzbedrohende Situation ent- wickelt. Uns war damals nicht in letzter Konsequenz bewusst, was es bedeutet, durch ein Rating innerhalb von 48 Stunden Abflüsse von 800 Millionen Euro aus zwei Fonds zu verursachen und sich damit gegen eine Branche zu stellen, die ein Volumen von 80 bis 90 Milliarden Euro Kapital verwaltet. Wir haben nicht vorhergese- hen, dass sich daraus auch eine unglaubliche PR-Situation mit taktischen Manövern ent- wickelt. Damals haben uns rund 25 Prozent unserer Kunden sehr plötzlich gekündigt. Und nicht, weil sie der Meinung waren, wir hätten falsch geurteilt, sondern einfach, weil wir eine für die Fondsbranche unangenehme Erkennt- nis sehr offensiv und direkt kommuniziert ha- ben. Wir wurden durch diese ungestüme Art der Kommunikation als Störenfried wahrge- nommen – als jemand, der ein gut laufendes Geschäft verdirbt. Auch wenn sich unsere Analyse der offenen Immobilienfonds dann 2008 als richtig herausgestellt hat, müssen wir uns rückblickend Fehler in der Kommunika- tion unserer Analyseergebnisse eingestehen. Wir haben es aber verstanden, aus diesen Feh- lern unsere Lehren zu ziehen. Vielen Dank für das Gespräch . FP vertrieb & praxis I florian schoeller und stefan bund | scope ratings 260 www.fondsprofessionell.de | 3/2014 Foto: © Tim Flavor Florian Schoeller: „2002 war ich 28 Jahre alt, damals hatte ich ganz andere Vorstellungen von dem Geschäft als heute.“ » Uns war damals nicht in letzter Konsequenz bewusst, was es bedeutet, sich gegen eine Branche zu stellen, die ein Volumen von 80 bis 90 Milliarden Euro Kapital verwaltet. « Florian Schoeller, Scope Ratings

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