FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2014
289 www.fondsprofessionell.de | 3/2014 mittels Vergleichsrechnern, gefolgt von der Dokumentation und dem Vertragsabschluss. Roter Faden für Berater Diese Struktur versteht sich in erster Linie als Stütze beziehungsweise roter Faden für den Vermittler. Sie soll dazu beitragen, dass er trotz der Komplexität des Versicherungs- angebots den Überblick behält und dabei stets eine ebenso effiziente wie rechts- und haf- tungssichere Beratung anbieten kann. „Der Makler muss schließlich klar nachvollziehbar und unter Aufzählung aller Kriterien begrün- den, warum er einem Kunden ein bestimmtes Produkt empfohlen und vermittelt hat. Zudem muss er das auch protokollieren, und das möglichst ohne bürokratischen Aufwand“, sagt Sabine Schmitz, Vorstandsmitglied des Maklerpools Jung, DMS & Cie. Weil aber alle – auch der Gesetzgeber – davon ausgehen, dass jede Beratung indivi- duell erfolgen soll und muss, und man dem Makler als Sachverwalter des Kunden die Möglichkeit geben möchte, seine Expertise einzubringen, wird der endgültige Ablauf der Beratung dem Makler überlassen. Nicht zu- letzt deshalb, weil die beschriebene Struktur zwar grundsätzlich sinnvoll ist, aber nicht jede Beratung notwendigerweise alle oben aufge- führten Schritte umfassen muss. Ein Single- Haushalt mit geringem Einkommen ohne be- stehende Verträge benötigt natürlich weniger Analyse als eine mehrköpfige, gut situierte Familie. Dieser Freiraum spiegelt sich auch in den Programmen wider, die Berater bei ihrer Auf- gabe unterstützen sollen. Bis auf wenige Aus- nahmen geben sie keinen Prozess vor. Die Anwender sollen und müssen sich mithilfe der verschiedenen Analyse- und Vergleichs- rechner selbst einen eigenen Prozess erarbei- ten, der ihrer Arbeitsweise entspricht. „Scheu vor Prozess“ Wie sieht das alles nun aber in der Praxis aus? Es ist ohne Zweifel juristisch und opera- tiv notwendig, empfehlenswert und sinnvoll, Versicherungen auf Grundlage eines definier- ten Beratungsablaufs zu vermitteln. Umso erstaunlicher ist es, dass nach Schätzungen von Branchenkennern rund 50 Prozent der Makler trotzdem keinen strukturierten Bera- tungsprozess verwenden. Bezüglich der Gründe dafür herrscht Erklärungsnot. „Viele Makler haben ihre Scheu vor einer systema- tischen Beratung immer noch nicht abgelegt“, antwortet stellvertretend für viele Stephan Fischer, Geschäftsführer für den Bereich As- sekuranz beim Maklerpool Fondsnet. So wür- den Vermittler oftmals keine umfassende Ana- lyse der Kundenbedürfnisse vornehmen oder auch bei den Wünschen der Kunden nur halb- herzig nachfragen. Wolfgang Drols, Vor- standsmitglied der Brancheninitiative KuBI und ein Verfechter des Beratungsprozesses, betont dabei, dass ein solcher jedoch noch lange keine gute Beratung bedeute: „Man kann bei jeder Prozessstation viele Fehler ma- chen, wichtige Fragen an bestimmten Stellen nicht stellen oder fehlerhafte Versorgungs- analysen liefern.“ Grundsätzlich darf das Fehlen eines Bera- tungsprozesses aber als „Fehler“ betrachtet werden. Für verzichtbar dürften ihn vor allem Berater halten, die nur darauf fokussieren, Kunden eine oder mehrere Versicherungen zu „verkaufen“. Der Beratungsprozess orientiert sich in diesen Fällen also an dem oder den Produkten. Die Protokollierung wird dann entsprechend „hingebogen“, sofern überhaupt eine angefertigt wird. Eine solche Praxis war nicht zuletzt deshalb lange Zeit möglich, weil Vermittler dafür kaum gerichtlich belangt wurden: „Es gibt nur wenige Gerichtsent- scheidungen zu falschen Dokumentationen“, sagt Kempf. Geschäftliche Vorteile Das – so muss man befürchten – wird sich ändern, allerdings sollte es nicht der einzige Beweggrund für die Etablierung standardisier- ter Abläufe sein. Branchenkenner weisen vor allem auf die geschäftlichen Vorteile einer strukturierten Beratung hin: „Jene Makler, die im Beratungsprozess einem roten Faden fol- gen, sind auch die, die Umsätze machen“, stellt Stephan Fischer fest. Und diese Beob- achtung bestätigt auch Frank Winands: „Bei einem solchen Gespräch erkennt man sehr schnell, welche Produkte dem Kunden fehlen, sodass man ihm weitere Empfehlungen geben Andre Kempf, Arbeitskreis Beratungsprozesse: „Der Prozess muss vor allem akkurat sein.“ Beratungslandkarte Der Arbeitskreis Beratungsprozesse möchte den Bera- tungsprozess in der Assekuranz fachlich strukturieren. Der Grundansatz der Initiative, deren Musterberatungs- prozess dem allgemein anerkannten Ablauf aus Anlass, Auftragsklärung, Bedarfsanalyse, Produktempfehlung, Dokumentation und Antrag folgt, ist sehr stark an das Allfinanz-Konzept angelehnt. Für jeden Haushalt soll daher immer eine Balance aller finanziellen Angelegen- heiten gefunden werden. Dabei haben aber die Absi- cherung von Haftungsrisiken, eine Krankenversicherung und die Absicherung von Lebensrisiken wie Krankheit, Berufsunfähigkeit und Tod oberste Priorität. Weil Mus- terfallansätze nach Ansicht des Arbeitskreises keine Qualitätsberatung gewährleisten – die Realität weiche zu oft von dem Muster ab –, hat man dies aufgegeben und betrachtet die „Wirkungszusammenhänge isoliert auf Ebene der Einflussfaktoren beziehungsweise der An- lässe für eine Beratung“. Das wichtigste Hilfsmittel da- für ist die Beratungslandkarte. Diese ist eine im Original DIN-A1 große Matrix, die alle relevanten Einflussfaktoren seitens der Kunden bei einer Beratung mit den zu be- handelnden Aspekten zusammenführt. Die Karte ist in vier gleiche Bereiche aufgeteilt, wobei auf der linken Seite alle Aspekte der Risikoabsicherung (Tod, Krank- heit, Pflege etc.) und rechts alle Aspekte des Vermö- gensaufbaus behandelt werden. Unterhalb der Mittellinie werden Einflussfaktoren wie Alter, familiäre Lage oder Einkommen auf Risiken wie Krankheit oder Tod auf- geführt. Für den Einzelaspekt „Welchen Einfluss hat der Faktor Lebensalter auf Haftungsrisiken?“ beispielsweise lassen sich laut dem Arbeitskreis Basisaussagen wie „keine Auswirkung“ treffen. Dies funktioniert auch für Konstellationen wie „Berufliche Situation oder Tod“, „Hobbys und Freizeit/Unfall“ oder „Versorgungsver- pflichtungen/Sachrisiken“. Für die Versicherungsver- mittler am wichtigsten ist die obere Hälfte, vor allem die linke. Hier werden die Beratungsanlässe mit den Risiken in Verbindung gebracht. Zum Beispiel: Bei einer Heirat sollte hinsichtlich möglicher Einkommensausfälle überlegt werden, ob das Einkommen des Partners bei der Bedarfsanalyse berücksichtigt werden muss. „Wenn ein Kunde ein Haus gekauft hat und eine Haftpflichtver- sicherung möchte, springen viele Makler in der Bera- tung oft gleich in die Sparte. Sie vergessen dabei aber, dass auch Aspekte wie BU oder Pflegeversicherung auf- grund der finanziellen Belastungen durch einen Haus- kauf bedacht und gegebenenfalls abgedeckt werden müssen“, erläutert Friedel Rohde vom Arbeitskreis.
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