FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2014
290 www.fondsprofessionell.de | 3/2014 kann“, erläutert der Geschäftsführer der Mak- lerfirma WMS Probitas. Aus einem ähnlichen Grund lohnt es sich seiner Meinung nach, eine umfassende Dokumentation zu erstellen. „Wenn ich nach einem längeren Zeitraum wieder bei einem Kunden bin, gehe ich vor- her die alten Dokumente durch und bin so gut auf das Gespräch vorbereitet.“ Winands führt aber noch ein anderes handfestes betriebswirt- schaftliches Motiv für eine strukturierte Bera- tung an: „Vor einem Bestandskauf prüfe ich sehr genau, ob der Verkäufer den Beratungs- prozess sauber durchgeführt und auch entspre- chend dokumentiert hat. Wenn dies nicht der Fall ist, kann es zu einer Schadenshaftung kommen, die ich nicht in meinem Bestand haben möchte.“ Brancheninitiativen Um Vermittlern bei der Durchführung eines strukturierten, VVG-konformen Prozesses zu helfen, haben sich bislang drei Initiativen be- ziehungsweise Organisationen des Themas Beratungsprozesse angenommen; eine ge- meinsame „Task Force“ der Versicherungs- branche ist nach Angaben von Kritikern bis- lang am Geltungsbedürfnis vieler Personen in der Assekuranz gescheitert. Die bekannteste Vereinigung ist der „Arbeitskreis Beratungs- prozesse“, der sich 2010 aus der Branchen- initiative „Arbeitskreis EU-Vermittlerrichtlinie Dokumentation“ entwickelt hat und hinter dem mehrere Vermittlerverbände und Service- gesellschaften stehen. Die Brancheninitiative hat eine Reihe von Hilfsmitteln für Vermittler erstellt, wobei man das Rad aber nicht neu erfunden haben möchte: „Wir haben nur be- reits bekannte Ansätze der Branche auf- gegriffen und weiter systematisiert“, betont Friedel Rohde vomArbeitskreis. Das bekann- teste und wichtigste Hilfsmittel ist die Bera- tungslandkarte. Das ist eine im Original DIN- A1 große Matrix, die alle relevanten Einfluss- faktoren seitens der Kunden bei einer Bera- tung mit den zu behandelnden Beratungs- aspekten zusammenführt (siehe Kasten). Auf Grundlage der Beratungslandkarte hat der Arbeitskreis Beratungsleitfäden und Risiko- analysebögen für unterschiedliche Anlässe entwickelt, die der Vermittler in der Beratung einsetzen sollte. Die Führung der Initiative betont die praktische Bedeutung der Hilfs- mittel vor allem in geschäftlicher Hinsicht: „Wenn man im Beratungsprozess vor der eigentlichen Spartenberatung zunächst eine Auftragsklärung mithilfe der Beratungs- leitfäden durchführt, hat man den Bedarf beim Kunden schnell geweckt und generiert Ge- schäft, das man sonst liegen gelassen hätte“, sagt Rohde, womit er auf einer Linie mit Fischer und Winands liegt. Die Arbeit des Ar- beitskreises wird in der Branche übrigens ins- gesamt positiv eingeschätzt. Kritisiert wird je- doch, dass die Vorschläge „verkopft“ seien. Fokussiert sich der Arbeitskreis auf die Hilfsmittel für eine rechtssichere Beratung und nicht so sehr auf den Prozess an sich, so versucht dies seit einiger Zeit das EI-QFM Europäisches Institut für Qualitätsmanage- ment finanzmathematischer Produkte und Verfahren in Kaiserslautern. Wissenschaftler sowie Vertreter der Branche erstellen dort in einer Arbeitsgruppe eine sehr genaue Be- schreibung des Beratungsprozesses, wobei auch das Risikoverhalten der Kunden ein- bezogen werde, wie der Leiter der Gruppe Beratungsprozesse, der Consultant und Do- zent Volker P. Andelfinger, erklärt. Weitere Details dieses Prozesses hat das EI-QFM aber bis dato noch nicht verraten. Softwaretools nicht einheitlich Neben diesen beiden Organisationen exis- tiert schließlich noch KuBI e.V., ein Verein, der 2001 auf Initiative des BVK (Bundesver- band Deutscher Versicherungskaufleute) ge- gründet wurde, um die Beratungsgüte von Vermittlern zu verbessern. Dazu vergibt man einige Awards – etwa den „Award zur Alters- vorsorgeberatung“ oder den „Eisenhut- Award“. Beim Ersten wird die Beratungsleis- tung des Vermittlers beurteilt, während eine Jury beim Eisenhut-Award Softwarelösungen für den Vermittler analysiert und bewertet. Der Hintergrund ist, dass bei einer Alters- vorsorgeberatung Versorgungsanalysen so schwierig zu berechnen sind, dass dies ohne Software nur selten möglich ist. Leider gibt es zu viele mangelhafte Beratungslösungen, die den Vermittler ungeahnt und ungewollt Beratungsfehler machen lassen, wie KuBI- Vorstandsmitglied Wolfgang Drols meint. Zugleich kritisiert er die Softwarehersteller, weil es diesen zu teuer sei, das einschlägige Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht, Steuer- recht in ihrer Software zu berücksichtigen. „Es gibt zwei Arten von Witwenrente, eine alte und eine neue“, erläutert Drols das Pro- blem an einem Beispiel. „Die alte wurde le- benslang gezahlt, die neue dagegen nur für zwei Jahre. Eine Rürup-Rente wird nur bei der neuen Witwenrente angerechnet. Die Soft- ware muss daher den Vermittlern dabei helfen, die Art des anzuwendenden Hinterbliebe- nenrechts herauszufinden und gegebenenfalls dazu das Hochzeitsdatum zu erfragen – und dann die Folgeberechnungen gesetzeskonform durchführen.“ Absichtliche „Softwaremängel“ Ein Sprecher eines Softwareherstellers, der nicht genannt werden möchte, streitet die feh- lerhaften Rechenergebnisse der Produkte ge- genüber FONDS professionell gar nicht ab, gibt den Schwarzen Peter aber an die Vermitt- ler zurück. Viele Berater beziehungsweise Maklerpools sowie Vertriebe bestellten indi- viduell zugeschnittene Programme, bei denen mitunter von vornherein bestimmte Einstel- lungen bei den Analysen ausgeklammert sind. Zudem werden bei den Vergleichsrechnern nur bestimmte Versicherer berücksichtigt. Die- se Prozessualität einer Software im Detail hängt wiederum von den Produktpartnern des Vermittlers, des Pools beziehungsweise des Vertriebs ab, deren Versicherungen auf diese Weise als Ergebnis herauskommen. Dies könnte sich aber bald ändern: Die Defino Deutsche Finanznorm plant, ihr Regelwerk „Standardisierte Finanzanalyse für den Privat- haushalt“, das einer von ihr zertifizierten Soft- ware zugrundeliegt, in eine DIN-Norm zu überführen. Damit wäre nach Meinung von Branchenkennern eine einheitliche Grundlage für die Beratungssoftwares geschaffen. Rechtsanwalt Kempf betont daher abschlie- ßend erneut die alleinige – rechtliche – Ver- antwortung der Vermittler. Diese sollten sehr vorsichtig sein, wenn sie zu sehr auf eine Software vertrauen. „Letztlich bleibt immer der Vermittler für die Vermittlung verantwort- lich. Eine Enthaftung mit dem Hinweis, dass die Lösung so von der Software vorgegeben wurde, funktioniert nicht!“ FP Foto: © Fondsnet Stephan Fischer, Fondsnet: „Viele Makler haben die Scheu vor einer systematischen Beratung nicht abgelegt.“ fonds & versicherung I beratungsprozesse
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