FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2014
310 www.fondsprofessionell.de | 3/2014 steuer & recht I gemeinsamer Ver treter Foto: © Terminator3d | Dreamstime.com, Rotter, OSA Z u beneiden sind Berater nicht, die Mit- telstandsanleihen eingesetzt haben, die mittlerweile Sanierungsfälle sind. Auch wenn es in der Situation verführerisch erscheint, sich einfach tot zu stellen, ist es besser, seine Kunden über den aktuellen Stand der Dinge aufzuklären und ihnen zu helfen, nun die rich- tigen Schritte einzuleiten. Dabei stellt sich un- ter anderem die Frage, ob ein sogenannter „gemeinsamer Vertreter“ bestellt werden soll. Interessenbündelung Dieser ist in der jetzigen Form möglich, seit das Schuldverschreibungsgesetz im August 2009 in Kraft getreten ist. Danach kann ein gemeinsamer Vertreter in der ersten Versamm- lung der Schuldverschreibungsgläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, bei der eine Präsenz von 50 Prozent des Kapitals notwendig ist, mit einfacher Mehrheit gewählt werden. Sind nicht genügend Schuldver- schreibungsgläubiger bei der ersten Versamm- lung anwesend – was meist der Fall ist –, reicht bei der zweiten Versammlung die ein- fache Mehrheit, um für einen gemeinsamen Vertreter zu stimmen. Wird er von der Gläubigerversammlung ge- wählt, bündelt der gemeinsame Vertreter die Interessen sämtlicher Anleihengläubiger im Rahmen der Befugnisse, die ihm die Gläubi- gerversammlung verliehen hat. Im Regelfall wird er mit dem in Zahlungsschwierigkeiten steckenden Unternehmen Verhandlungen über eine Restrukturierung der Finanzierung auf- nehmen: beispielsweise eine Anleihe prolon- gieren, Zinsen herabsetzen, Sicherheiten frei- geben oder die Schuldverschreibung in Eigen- kapital umwandeln, wie zuletzt bei der Sanie- rung von Solarworld oder MIFA – Mitteldeut- sche Fahrradwerke AG. Restrukturierungen Für die Anleger liegt der Vorteil des ge- meinsamen Vertreters in der Handlungsstärke gegenüber dem Anleihenschuldner, wie zum Beispiel bei der angeschlagenen Baumarkt- kette Praktiker im Herbst 2012 deutlich wur- de. Ohne die Interessenbündelung durch einen sachverständigen Vertreter haben Privatanle- ger und kleinere Institutionelle sonst oft keine Möglichkeit, ihre Gläubigerrechte bei einer Restrukturierung gut zu vertreten. „Anleihen- gläubiger sind häufig die größte Gläubiger- gruppe. Ohne einen gemeinsamen Vertreter besteht die Gefahr, dass die Banken einen sehr starken Einfluss nehmen und dabei natürlich ihre eigenen Interessen durchsetzen“, erklärt Frank Günther, Geschäftsführer von One Square Advisors, der öfter als gemeinsamer Vertreter bei Mittelstandsanleihen eingesetzt war, beispielsweise bei Windreich, S.A.G. Solarstrom, Zamek oder bei RENA. Der gemeinsame Vertreter sollte ein Finan- zierungsexperte sein. Dazu gibt Günther ein aktuelles Beispiel aus seiner Arbeit: „Bei der MIFA – Mitteldeutsche Fahrradwerke AG - wurde zunächst vorgeschlagen, dass die An- leihengläubiger als einzige Gläubiger auf 80 Prozent ihrer Forderung verzichten. Banken und Eigentümer sollten unangetastet bleiben. Nach drei Wochen der Verhandlung konnten wir im August erreichen, dass die Anleihen- gläubiger nur auf 60 Prozent ihrer Forderun- gen verzichten und dafür mindestens zehn Prozent des Aktienkapitals erhalten.“ Aktueller Fall FuBus Aktuell stellt sich die Frage des gemeinsa- men Vertreters bei der Future Business KGaA (FuBus), über die im April 2014 das Insol- venzverfahren eröffnet wurde. Der Beschluss, ob ein gemeinsamer Vertreter gewählt wird, gilt grundsätzlich für alle Anleihengläubiger der gleichenAnleihe, was die Sache bei FuBus komplex macht. „Dort gibt es 4.852 Serien von Orderschuldverschreibungen mit 45.343 einzelnen Orderschuldverschreibungen und insgesamt 25.070 Inhabern“, teilt Klaus Rot- ter, Betriebswirt und Fachanwalt für Bank und Kapitalmarktrecht aus München, mit. Er tritt ebenfalls öfter als gemeinsamer Vertreter auf und wurde in mehreren FuBus-Serien zum gemeinsamen Vertreter gewählt. Ist durch eine Restrukturierung nichts mehr zu retten, kann der gemeinsame Vertreter im Fall der Abwicklungsinsolvenz Druck auf den Insolvenzverwalter ausüben, schneller aus- zuzahlen, und schließlich für alle Anspruchs- berechtigten die Ansprüche gegen die Insol- venzmasse anmelden. Alternativ könnten in diesem Fall die Anleger ihre Ansprüche selbst anmelden. Bei sanierungsbedürftigen (Mittelstands-)Anleihen stellt sich die Frage, ob sich geschädigte Anleger für einen gemeinsamen Vertreter entscheiden sollen. Gemeinsam besser vertreten? Ein gemeinsamer Vertreter soll helfen, den Schaden für die Anleihengläubiger zu minimieren. Auch im Fall FuBus stellt sich derzeit die Frage eines gemeinsamen Vertreters, die nicht einfach mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten ist.
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