FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2014

313 www.fondsprofessionell.de | 3/2014 Hier ermittelt die Staatsanwaltschaft Halle gegen den ehemaligen Alleinvorstand Peter Wicht wegen möglicher Verstöße gegen das Aktiengesetz und weiterer Straftaten. Durch die vielen Pleiten haben die Markt- teilnehmer mittlerweile offenbar verstanden, dass es im Markt der Mittelstandsanleihen erhebliche Risiken gibt, und sie üben sich in Zurückhaltung. Holt beobachtet: „Im ersten Halbjahr 2014 wurden nur acht Anleihen begeben – 2013 waren es noch 44.“ Bei der Recherche für diesen Artikel wollten einige Banken gar nicht mit FONDS professionell über Mittelstandsanleihen sprechen, so negativ besetzt ist das Thema. Die Börse Stuttgart, die das Segment BondM erst 2010 eingeführt hat, beantwortet eine Interviewanfrage: „Derzeit gibt es nur geringe Aktivitäten am Markt für Mittelstandsanleihen, daher gibt es aus unserer Sicht nicht genügend Stoff für ein Interview.“ Aber wie kommt es zu den hohen Ausfäl- len? „80 Prozent der Investoren bei Mittel- standsanleihen sind Privatanleger, daher ist die Professionalität dort nicht sehr hoch. Insti- tutionelle Investoren fordern einen deutlich höheren Grad an Transparenz“, erklärt Holt und fährt fort: „Etwa 50 Prozent der Anleihen werden tatsächlich für Akquisitionen benötigt, dienen also Investitionen und Wachstum. Der Rest wird für Refinanzierungen benötigt, was nicht so gut ist.“ Institutionelle Investoren wie Versicherun- gen oder Pensionskassen investieren derzeit lieber in Schuldscheindarlehen. Dies sind ver- briefte Kredite, die – anders als Anleihen – nicht an der Börse gehandelt werden. „Hier sind die Kriterien viel härter, die Bonität der Unternehmen ist höher – die meisten sind mit Investment Grade geratet. Entsprechend sind die Zinsen um einiges niedriger“, so Holt. Komplexe Analyse erforderlich Ist es für Privatanleger überhaupt möglich zu beurteilen, ob eine mittelständische Anleihe für sie geeignet ist oder nicht? Ratings könn- ten eventuell helfen, aber gerade die Ratings für mittelständische Unternehmen ließen in letzter Zeit oft Zweifel aufkommen. Beispiels- weise hatte der Marktführer in diesem Bereich – Creditreform – dem Telekommunikations- dienstleister Mox Telecom noch im Septem- ber 2013 eine stark befriedigende Bonität (BBB) bescheinigt, obwohl das Unternehmen dann schon im Juni 2014 einen Insolvenz- antrag stellen musste. „Um einen mittelständischen Anleihen- emittenten beurteilen zu können, sollten sich Anleger auf jeden Fall das Rating ansehen. Wichtig ist dabei, dass die jeweilige Rating- agentur eine zukunftsgerichtete Analyse durchführt. Sie sollte auf den Cashflow-Zah- len basieren, denn daraus werden Zins und Hauptforderung gezahlt. Die Bilanzkennzah- len sind hingegen vergangenheitsbasiert, die helfen bei der Betrachtung, wie solide und liquide das Unternehmen in Zukunft sein wird, nicht weiter“, erklärt Holt. „Außerdem sollten sich Anleihenkäufer vor der Investition die Dokumentation der Anleihe ansehen, bei- spielsweise ob sie besichert ist. Wenn sie das ist, bleibt im Insolvenzfall eine höhere Reco- very Rate, denn die Besicherung steht den Anleihengläubigern zu. Aber nur etwa jede zweite mittelständische Anleihe ist besichert.“ Fonds statt Einzelwerte Angesichts der Komplexität der Materie dürfte es für die meisten Privatanleger besser sein, dieses Marktsegment über Fonds abzu- decken. „Einzelengagements sind für Privat- anleger, die ja doch oft das Ausfallsrisiko nicht richtig einschätzen können, sehr ris- kant“, erklärt Johannes Führ, Pionier für Mit- telstandsanleihenfonds in Europa. „Außerdem können Privatanleger den emittierenden Un- ternehmen meist nicht so selbstbewusst wie ein Fondsmanager gegenübertreten und kriti- sche Fragen stellen.“ Mit dem Johannes Führ Mittelstands-Ren- tenfonds AMI P war Führ im Oktober 2010 der Erste, der in Europa mit einem speziell ausgerichteten Fonds auf den Mittelstand gesetzt hat. Da Führ im Jahr 2013 zusammen mit all seinen engsten Mitarbeitern seine alte Vermögensverwaltung verlassen und mit die- sen zusammen in der AMF Capital AG im Januar 2014 einen neuen Fonds aufgelegt hat, den AMF Family & Brands Renten, findet man auch hier die Führ’sche Philosophie wie- der. Hier setzt er aber verstärkt auf Anleihen familiengeführter Unternehmen. „Der gesunde Mittelstand, den wir suchen – beispielsweise Firmen wie Heraeus oder Aldi –, ist nicht börsennotiert und derzeit gar nicht oder nur sehr bedingt mit Anleihen am Markt. Entweder benötigen die Unternehmen gar kein Geld, weil sie eine ausreichend hohe Eigenkapitalquote haben, oder sie können sich wesentlich günstiger über Bankkredite finan- zieren als über Anleihen. Wenn ein solides mittelständisches Unternehmen heute ein Bankdarlehen benötigt, zahlt es derzeit 1,2 bis 1,5 Prozent. Bei einer Anleihe müsste das- selbe Unternehmen einen Zins von 2,5 bis 3,5 Prozent zahlen, einen Prospekt erstellen und viele Unterlagen aufbereiten“, erklärt Führ und kritisiert: „Viele der Unternehmen, die sich derzeit im BondM-Markt und vergleich- baren Börsensegmenten über Anleihen Geld besorgen, verdienen gar nicht die Bezeich- nung ‚Mittelstand‘, die ja für Solidität und Beständigkeit steht. Wir wollen nicht die Lük- kenbüßer sein. Wer schon keinerlei Bankkre- dit mehr bekommt, den wollen wir auch nicht finanzieren. Bei uns kamen in den letzten Jah- ren jeden Monat die verschie-densten Unter- nehmen vorbei, um uns ihre Anleihen anzu- bieten, da muss man sehr selektiv sein.“ FP RA Klaus Rotter: „Die von der Bank Sarasin beratenen Kunden wurden in mehrfacher Hinsicht getäuscht.“ Dr. Britta Holt, Scope: „Die Kehrseite der guten Zinsen bei Mittelstandsanleihen ist das mitunter hohe Ausfallsrisiko.“

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