FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2014
Heuser: Wenn Sie von einem schwächer werdenden Wirtschafts- wachstum sprechen, dann geht die chinesische Regierung immer noch von einem Zuwachs des BIP in Höhe von 7,5 Prozent aus. Zu hoch? Ho: Die Zahl ist sicher zu hoch. Investoren sollten meiner Ansicht nach eher von fünf Prozent ausgehen angesichts einer fort- schreitenden Restrukturierung der dortigen Wirtschaft, die das Land unabhängiger von einem bisher rein investmentgetriebenen Wachstum machen wird. Aus der Perspek- tive eines Anlegers mag diese Einschätzung eher bedrohlich wirken, aus meiner Per- spektive als Fondsmanagerin tut sie das keineswegs. Denn für mich ist nicht ent- scheidend, wie hoch das BIP-Wachstum ausfällt, ich muss vielmehr die wahren Wachstumsquellen finden, das ist meine Aufgabe. Und diese liegen sicher nicht in jenen Unternehmen, aus denen sich aktuell der Aktienmarktindex zusammmensetzt. Heuser: Was wird die weitere Entwicklung des Gesamtmarktes in China bestimmen? Ho: Es gibt noch immer einen erheblichen Unterschied zwischen den Märkten der etablierten Industrieländer und speziell dem chinesischen Markt. In den Industrieländern durchlaufen die meisten Branchen einen wiederkehrenden Zyklus, in dessen Verlauf sie an Attraktivität gewinnen oder eben auch zeit- weise verlieren. In China ist das vollkommen anders. Es gibt eine ganze Reihe von Bran- chen, die sozusagen gelaufen sind und für vie- le Jahre auch nicht wieder zurückkommen werden. Dazu gehören beispielsweise die Stahl- oder die Zementindustrie sowie auch die Erzeugung und Verarbeitung von Koh- le. Diese Branchen werden es auf viele Jah- re hinaus schwer haben, sei es aufgrund der internationalen Wettbewerbssituation oder einer zurückgehenden Nachfrage. In China war es schon oft so: Wenn es für eine be- stimmte Branche vorbei ist, dann ist es auf sehr lange Zeit vorbei. Heuser: Aber was muss passieren, damit solche Branchen wieder zurückkom- men? Denn es wird ja auch künftig noch eine generelle Nachfrage nach Zement oder Stahl geben? Ho: In manchen Sektoren wird es zehn Jahre und mehr dauern, bis die entspre- chenden Unternehmen wieder zu attrakti- ven Investments werden. Zu einem wirklichen Neuanfang nach einer sehr langen Phase der Restrukturierung wird es dort erst kommen, wenn 90 Prozent der Wettbewerber ver- schwunden sind und der Bereich eine wirkli- che Konsolidierung durchlaufen hat. Bis dahin wird es natürlich weiterhin Preiskämpfe geben, und es wird zu kleinsten zyklischen Bewegungen kommen. Der große Trend aber ist in diesen Branchen vorüber. Vielen Dank für das Gespräch. FP Anna Ho: „In China war es schon oft so: Wenn es für eine bestimm- te Branche vorbei ist, dann ist es auf sehr lange Zeit vorbei.“ KREUZ VERHÖR » Für mich ist nicht entscheidend, wie hoch das BIP-Wachstum aus- fällt, ich muss vielmehr die wahren Wachstumsquellen finden. « Anna Ho, Nestor China Fonds 64 www.fondsprofessionell.de | 3/2014 markt & strategie I fondsmanager im kreuzverhör Alle Fotos: © Sarah Weal Analystenurteil: „Hoch konzentriertes Portfolio“ China und der Ferne Osten sind für einen aktiven Stock- picker das wohl beste Revier auf der Jagd nach Alpha oder Outperformance. Unternehmen sind hier nicht so gut von Aktienanalysten abgedeckt wie in den entwickelten Märkten, und die Möglichkeiten für Fondsmanager, echte „Rohdiamanten“ zu finden, sind eventuell viel größer. Der Nachteil dieser größeren Möglichkeiten ist natürlich ein potenziell höheres Risiko. Anleger nehmen die hohen Standards der Unternehmensführung in den entwickelten Märkten, die durch strenge Regulierung, Zulassungsvor- schriften und Unternehmensstrukturen gegeben sind, oft als selbstverständlich hin. Im Vergleich dazu sind viele Unternehmen in China und im Fernen Osten geprägt durch einen hohen Familienbesitz über mehrere Genera- tionen und starke kulturelle Traditionen, die der Westen nur schwer versteht. Erfolgreiche Investments in dieser Region erfordern daher einen Fondsmanager, der nicht nur in der Lage ist, her- kömmliche Stockpicking-Analyse zu betreiben, Bewer- tungskennzahlen und Finanzstatements zu verstehen, son- dern auch eine tiefe Wertschätzung für die genannten Charakteristika der Region aufbringt. Anna Ho hat dieses Verständnis. Sie ist in Peking geboren, hat in China stu- diert und verfügt gleichzeitig über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Fondsmanagement, ein durchaus beein- druckender Vorteil. Bei der Auswahl eines Fondsmanagers bevorzugen einige Investoren ein großes Haus, das über erhebliche analytische Ressourcen und ein großes Research-Team verfügt. Gruppen wie J.P. Morgan Asset Management, Fidelity oder BlackRock kommen einem in den Sinn. Andere Anleger setzen in erster Linie auf das intellektuelle Kapital eines Fondsmanagers, der allein auf Alphajagd geht. Letzteres bedeutet natürlich, dass man ein hohes Maß an Schlüsselpersonenrisiko und eine geringe Infrastruktur akzeptieren muss, so wie Anna Ho bei Nestor. Es überrascht nicht, dass sie sich selbst als „Marathonläuferin“ beschreibt. Es mag der Mangel an Ressourcen sein, der Anna Ho veranlasst, sich auf ein kleines Universum von Aktien und damit ein hochkonzen- triertes Portfolio aus ihren 30 bis 40 besten Ideen zu beschränken. Ihr thematisch geprägter Investmentansatz erlaubt es ihr, einen bestimmten Sektor deutlich stärker zu gewichten. Wer sie persönlich kennenlernt, erkennt ihre hohe Kom- petenz, Leidenschaft und Erfahrung. Sie verfügt über ein ruhiges und bedächtiges Temperament, eine besondere Fähigkeit in einer Region, die vielen chaotisch erscheint. Nicht sofort einleuchtend erscheint einem ihr Verständnis von Überzeugung im Sinne von „Conviction“, also der Größe einzelner Positionen relativ zu anderen, genauso wie ihre Auffassung von Liquiditätsrisiko und Risiko- management. Allerdings sind ihre tatsächlichen Risiko- Rendite-Ergebnisse durchaus überzeugend. Wer als Anleger mit einem vergleichsweise hohen Schlüssel- personenrisiko durchaus leben kann, den wird die Exper- tise von Anna Ho in jedem Fall überzeugen. nestor China Fonds ISIN: LU0656651824 Agio: 3,00% Verwaltungsgebühr: 1,40% p.a Erstausgabedatum: 01. 08. 2011 Fondsmanager: Anna Ho, Nestor China Fonds
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