FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2015

ren ermöglichen. In dem Maß, wie die EZB Ersatzkredite zur Verfügung stellt oder private Kredite absichert, kann das allerdings nicht funktionieren. Die Hoffnung besteht doch darin, das Wirtschaftswachstum in den Peripheriestaaten wieder in Gang zu bekommen. Gibt es Indikatoren, die aktuell positive Signale liefern? Der günstige Ölpreis und der schwache Euro sollten sich doch positiv auswirken. Diese Wachstumsdiskussion ist eine ver- steckte Verschuldungsdiskussion. Wenn die Politiker von Wachstum sprechen, meinen sie eigentlich Verschuldung. Sie möchten Wachstumsimpulse durch Bud- getdefizite setzen. Und in der Tat wirken diese keynesianisch und schaffen im Mo- ment eine gewisse Entlastung und redu- zieren die Arbeitslosenquote, allerdings verhindern genau diese Maßnahmen die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Können Sie dies an einem Beispiel erklären? Wir sehen das etwa an Portugal, das aktuell für seine Bemühungen gelobt wird. In Wahr- heit ist das Land massiv verschuldet. In der Krise hat man Portugal dann noch mehr Ver- schuldung zugestanden mit der Folge, dass alles halbwegs läuft. Dies hat zur Folge, dass es allerdings auch zu keiner realen Abwertung kommen kann. Portugal hat seine Preise rela- tiv zu den anderen Ländern zwar bis zum Jahr 2013 ein wenig gesenkt, aber seitdem auch wieder erhöht. Eine Verbesserung der Wettbe- werbsfähigkeit konnte somit nicht stattfinden, dazu müssten die Preise um 30 Prozent runter. Warum konnte sich Irland besser aus der Krise lösen als die südeuropäischen Staaten? Was haben die Iren besser gemacht? Irland ist ein gutes Beispiel: Dort hatte man die Preise in der Krise gegenüber den anderen um 13 Prozent gesenkt und ist heute aus der Krise raus. Dort gab es allein im letzten Jahr einen Anstieg der Industrieproduktion um 20 Prozent. Irland hat es durch die Abwertung geschafft. Warum haben die Iren abgewertet und die anderen nicht? Weil sie keine Hilfe bekommen haben. Irland stellt die Ausnahme der Problemländer dar, da man dort bereits 2006 nach dem Platzen der Immobilienblase in die Krise geschlittert ist. Und da war niemand, der Irland geholfen hätte. Es kam kein Geld aus der Druckerpres- se und keines von Rettungsschirmen. Also hat man den Gürtel enger geschnallt und die Löh- ne und die Preise gesenkt, und das war’s dann. Nachdem die anderen Länder 2008 in die Krise geraten waren, haben sie sich – an- statt die irische Ochsentour zu wiederholen – ihrer Mehrheit im EZB-Rat besonnen und die Lösung darin gesehen, die Regeln, nach de- nen man Geld aus den lokalen Druckerpres- sen ziehen kann, entsprechend zu lockern. Wir sind also in der Lösung der Euro- krise keinen Schritt weiter? Ja, es gibt einfach einen Widerspruch zwi- schen der Gesundung des Landes und kon- junkturellen Wachstumsimpulsen. Je mehr konjunkturelle Wachstumsimpulse gesetzt werden, umso langsamer gesundet das Land. Das ist vergleichbar mit jemand, der eigent- lich eine langwierige und schmerzhafte Therapie machen müsste und stattdessen nur Schmerzmittel nimmt. Wie würde nun Ihre Lösung für die Krisenländer aussehen? Ich würde eine Schuldenkonferenz einberufen und für Südeuropa einen Schulden- schnitt machen. Machen wir uns nichts vor, wenn in Europa die Zinsen wieder auf ein normales Niveau zurückkehren würden, wären die Staaten reihenweise zahlungsunfähig. Ein Schuldenschnitt gäbe der EZB die Möglichkeit, zu nor- malen Zinsen zurückzukehren. Damit würde auch die Fehllenkung des Kapi- tals aufhören. Zudem glaube ich, dass wir den Euro in dieser Form nicht mit allen Ländern aufrechterhalten können. Wir müssen den Euroraum verkleinern und eine offene Währungsunion schaf- fen. Jemand, der nicht zurecht kommt, muss die Möglichkeit haben, vorüber- gehend auszutreten, abzuwerten und beispielsweise nach zehn Jahren wieder einzutreten. Drittens brauchen wir im Eurosystem härtere Budgetbestimmun- gen. Ein System, in dem man sich das Geld drucken kann, wie man es gerade braucht, führt zu Missbrauch. Zudem brauchen wir eine Stärkung der Euro- päischen Union. Ich glaube nach wie vor, dass die EU ein Erfolgsmodell ist und beibehalten werden sollte. Nur: Der Euro in seiner jetzigen Form ist integrations- feindlich und bringt die Länder Europas ge- geneinander auf. Wie sieht Ihrer Schätzung nach ein Zeit- raum aus, in dem diese Punkte umge- setzt werden könnten? Man kann die Regeln sehr schnell ändern, allerdings bin ich Realist. Daher glaube ich, dass man nur in der Krise Dinge verändern kann. Denn was man machen müsste, wäre ja schon radikal. Für die Politik ist es einfacher, so weiterzumachen wie bisher. Und wie lang kann man noch so weiter- machen? Reiche Länder halten das sehr, sehr lange durch – bis die Länder hinreichend herun- tergewirtschaftet sind, dauert es. Die demografische Entwicklung wird den Prozess bei uns wohl beschleunigen, oder? Ja, die demografische Krise wird Westeuropa in 15 Jahren erreichen. Die Babyboomer der EU-Länder sind 50 Jahre alt. Da ist die nächste Krise vorprogrammiert. Vielen Dank für das Gespräch. GEorG Pankl | FP Prof. Dr. Hans-Werner Sinn: „Ein Schuldenschnitt gäbe der EZB die Möglichkeit, zu normalen Zinsen zurückzukehren.“ Foto: © Günter Menzl markt & strategie I hans-werner sinn | ökonom 100 www.fondsprofessionell.de | 1/2015

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