FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2015

Was genau meinen Sie mit dem Begriff „ungewöhn- lich“? Scott Mather: Ich meine die enorme Divergenz, die wir der- zeit sowohl in den Emerging Markets als auch in den ent- wickelten Ländern beobachten. In den Schwellenländern bei- spielsweise haben die großen Preisverschiebungen bei Roh- stoffen und Energie sowohl Gewinner als auch Verlierer hervorgebracht, und viele die- ser Länder werden mit dieser Situation auch weiterhin zu kämpfen haben. In den Indu- strieländern ist es der große Unterschied zwischen den USA, die auf dem Weg zu ei- nem höheren Wachstumslevel sind, und den meisten anderen entwickelten Staaten, die schon kräftig werden strampeln müs- sen, um in die Nähe ihres eige- nen und dann immer noch ge- ringeren Potenzialwachstums zu gelangen. Und wir sollten nicht vergessen, dass wir es derzeit mit einer Situation in der Geldpolitik zu tun haben, die historisch be- trachtet geradezu das Gegenteil dessen ist, was wir in der jüngeren Zeit gesehen haben. Inwiefern das Gegenteil? Scott Mather: Während Europäische Zentral- bank und Bank of Japan aktuell regelrecht aufs Gaspedal drücken, denkt die Federal Reserve über ihre erste Zinserhöhung im der- zeitigen Zyklus nach. Man muss in der Ge- schichte schon Jahrzehnte zurückgehen, um sich eine vergleichbare Situation in Erinne- rung zu rufen. Die Marktteilnehmer hatten sich doch geradezu daran gewöhnt, dass die geldpolitischen Entscheidungen in den unter- schiedlichen Teilen der Welt eher stark mit- einander korreliert waren beziehungsweise in die gleiche Richtung gingen. Es kam lediglich zu einer Zeitverzögerung von sechs Monaten oder vielleicht einem Jahr, bis beispielsweise die EZB eine Entscheidung der Fed nachvoll- zogen hat oder umgekehrt. Momentan dage- gen bewegen sich beide Notenbanken in ge- nau entgegengesetzte Richtungen. Das führt dazu, dass man sich als Fondsmanager aus der US-Perspektive defensiv aufstellen kann, in dem man stärker in Papiere aus Regionen investiert, wo noch eine lockere Geldpolitik gefahren wird und die Zinsen noch weiter sin- ken werden wie etwa in Europa. Während andere Marktteilnehmer etwas zurückhaltender geworden sind, sind Sie bisher immer noch davon ausgegangen, dass die amerikanische Notenbank im Sommer die Zinsen erhöhen wird. Blei- ben Sie dabei? Scott Mather: Wir können na- türlich auch nicht wirklich den Zeitpunkt vorhersagen, wann die Fed ihren ersten Schritt zu höheren Zinsen tat- sächlich vornehmen wird. Aber ich glaube nach wie vor, dass der Markt falschliegt mit der Erwartung, dass dieser Schritt erst zum Jahresende erfolgen wird. Einige Markt- teilnehmer sind offenbar wie gebannt von einer rückläufi- gen Gesamtinflation, die aber im Prinzip nur das Resultat niedrigerer Energiepreise ist. Janet Yellen und ihre Kolle- gen wissen aber nur allzu ge- nau, dass es in erster Linie die Lohnentwicklung ist, die die weitere Entwicklung an der Preisfront bestimmt. Gleich- zeitig sehen die US-Noten- banker natürlich auch, dass niedrige Energiepreise sich positiv auf das Wirtschafts- wachstum auswirken. Aber auch wenn die Fed bereit zu sein scheint, eine leichte Überhitzung der Wirtschaft in Kauf zu nehmen, ist sie nach meiner Wahrnehmung nach wie vor entschlossen, die Zinsen nicht auf einem Niveau von null zu belassen. Auch weil derArbeitsmarkt aktuell posi- tive Signale aussendet? Scott Mather: Der Arbeitsmarkt zeigt sich mo- mentan extrem stark, die USA sind auf dem besten Weg, in der zweiten Jahreshälfte wieder Vollbeschäftigung zu vermelden. Die Zinsen auf dem derzeitigen Niveau zu belassen würde heißen, dass die Notenbank die Wirtschaft stär- ker stützt als nötig und damit gleichzeitig das Risiko eingeht, dass sie eventuell die Zinsen zu einem späteren Zeitpunkt sehr viel stärker und schneller anheben muss. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass eine moderate Zinserhöhung den Aufwärtstrend bei Arbeits- markt und Lohnentwicklung ernsthaft gefähr- den würde, im Gegenteil: Ein solcher Schritt würde für ein kontinuierlicheres und länger an- haltendes Wachstum sorgen. Die Zinsen auf dem aktuellen Niveau zu belassen würde eher Kosten und Risiken für die Wirtschaft erhö- hen, als sie weiter zu stützen. Selbst wenn die Fed die Zinsen in kleinen Schritten auf ein Ni- veau von zwei Prozent anheben würde, wäre das im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung Scott Mather: „An der Art und Weise, wie die Verantwortlichkeiten im Fondsmanagement bei Pimco geregelt sind, hat sich im Grunde nichts verändert.“ cover I scott mather | pimco 256 www.fondsprofessionell.de | 1/2015 » Janet Yellen und ihre Kollegen wissen nur allzu genau, dass es in erster Linie die Lohnentwicklung ist, die die weitere Entwicklung an der Preisfront bestimmt. « Scott Mather, Pimco Foto: © Christoph Hemmerich Scott Mather Scott Mather ist Managing Director und seit September vergangenen Jahres als Chief Investment Officer für die US-Core-Strategien von Pimco verantwortlich. Zuvor hat er lange Zeit das Portfoliomanagement von Pimco in Europa geleitet und gleichzeitig die Aufgabe eines Ma- naging Directors bei Allianz Global Investors übernom- men. Mather verfügt über 20 Jahre Branchenerfahrung und stieß im Jahr 1998 zu Pimco. Davor hat er als Anleihenhändler und Spezialist für Mortgage Backed Securities bei Goldman Sachs in New York gearbeitet.

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