FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2015
normalerweise einen Brutkasten für Frühge- borene. Im Inkubator der Commerzbank er- halten die jungen Gründer Starthilfe für ihr Unternehmen. Dabei geht es keineswegs nur darum, Büroräume bereitzustellen. „Wir stel- len den Start-ups neben monetärer Hilfe auch unser Netzwerk und unsere Kontakte zur Ver- fügung“, erklärt Birgit Striegler von der Com- merzbank. „So sprechen wir bei interessanten Ideen auch unsere mittelständischen Kunden an. Die Frankfurter Großbanker engagieren sich auch bei den „Großen“: Unternehmen, die bereits eigene Produkte auf den Markt ge- bracht haben, steht die im Herbst letzten Jah- res gegründete Commerzventures mit Eigen- kapital und Beratungsleistungen zur Seite. Damit Kooperationen oder Übernahmen auch langfristig erfolgreich sind, fordert Un- ternehmensberater Michael Mellinghoff, der Fintechs in London berät, einen Bewusstseins- wandel bei den etablierten Bankern: „Es muss neues Gedankengut einziehen, denn smarte Gründer wünschen sich vor allem Teilhaber, die ihr Geschäft verstehen. Dem ist nicht im- mer so.“ Der Berater zieht Parallelen zu den Zeiten der Finanzkrise: „Damals hat eine Viel- zahl von Beteiligten die Risiken der Asset- Backed-Transaktionen auch nicht verstanden, aber jeder wollte mitmischen. In einigen Ban- ken gab es damals nur zwei bis drei Personen, die überhaupt die Risiken einschätzen konn- ten. Ähnlich ist es mit der Digitalisierung, auch diese findet zunächst im unsichtbaren Raum statt und häufig außerhalb der Wahr- nehmungsfläche vieler Entscheider“, so Mel- linghoff. „Banken, die sich nicht damit be- schäftigen, könnten von einem Tsunami heim- gesucht werden“, befürchtet Mellinghoff. Start-up-Plattform Die Hamburger Privatbank Sutor, die stark im Vermittlergeschäft tätig ist, scheint bereits umgedacht zu haben. Das Institut stellt jungen Gründern ihre Infrastruktur zur Verfügung: „Die Start-ups können sich ganz auf den Aus- bau ihrer Geschäftsidee konzentrieren, wäh- rend alle abwicklungs- und bankspezifischen Prozesse über unsere Bankplattform zuverläs- sig abgesichert sind“, so Robert Freitag, Chef der Hamburger Bank. „Die Fintechs sind eine neue Art digitaler Partner, die wir in unsere Bankprozesse genauso integrieren wie bisher unsere Vermittlerpartner und Honorarberater – nur über technische Schnittstellen statt über 282 www.fondsprofessionell.de | 1/2015 bank & fonds I fintechs Foto: © Mellinghoff Michael Mellinghoff, Fintech-Experte „Es gibt zu viele Anbieter am Markt“ Fintech-Experte Michael Mellinghoff über die Zukunft der innovativen Start-ups und die Herausforderungen für Banken M ichael Mellinghoff berät in London junge Start-up-Unternehmen aus dem Bereich Finanztechnologie. Der Unternehmensberater kennt die Branche. Er war einige Jahre Geschäftsführer von Sharewise, einer Aktiencommunity im Inter- net. Davor arbeitete er bei der Investment- gesellschaft Adig und der DZ-Bank Herr Mellinghoff, welche Erfahrungen haben Sie mit Start-up-Unternehmen gemacht? Die jungen Unternehmen vollziehen oftmals mehrere Schwenks in ihren Geschäftsmodel- len, bevor sie ihr endgültiges gefunden haben. Ich bringe Gründer und Unternehmen zusam- men und halte engen Kontakt zu Investoren. Dabei hilft, dass ich Erfahrungswerte sowohl aus der Finanzdienstleistungs- als auch aus der Start-up-Branche mitbringe. Es ist ein „People Business“. Fast täglich hört man, dass Venture-Ca- pital-Geber bei jungen Fintechs einstei- gen. Ist die Situation mit dem Hype um den Neuen Markt vergleichbar? Nein, das sehe ich nicht. Mein Eindruck ist, dass die institutionellen Geldgeber heute ganz genau hinschauen: Gibt es ein tragfähiges Geschäftsmodell? Wie weit ist das Produkt, und besteht Marktreife? Wird bereits Ertrag generiert, und woher stammt dieser? Die Ket- te der Kennzahlen, die man sich heute an- schaut, ist länger als damals. Die Venture-Ca- pital-Geber suchen natürlich auch nach den Perlen. „Silly Money“ kann ich im Bereich Fintech momentan nicht erkennen, aber natürlich auch nicht ausschließen. Welche Möglichkeiten haben Banken, sich im Fintech-Bereich zu engagieren? Es gibt zahlreiche Alternativen. Als Bank kann man einen Inkubator, eine Art Brutstätte für junge Unternehmen, gründen, wie es bei- spielsweise die Commerzbank in Frankfurt gemacht hat. Die Banco Santander legte einen eigenen Corporate Venture Fund, der in Fintech-Start-ups investiert, auf. Am ge- eignetsten erscheinen mir Modelle, die eine neutrale Plattform für Fintechs und Banken gleichermaßen bieten, beispielsweise unab- hängig gemanagte Venture Funds. Einige Banken verschließen bisher allerdings die Augen und verzichten auf die Möglichkeit, mithilfe von Start-ups den Innovationsprozess in der Bank aufzufrischen. Diese Vorgehens- weise empfehle ich jedoch nicht. Auffällig ist, dass insbesondere kleinere Institute sehr viel agiler sind. Mithilfe digitaler Geschäftsmo- delle möchten sie auch überregionale Bedeu- tung erlangen. In welchen Funktionsbereichen droht den Banken die größte Konkurrenz? Ist zum Beispiel der Zahlungsverkehr am stärksten betroffen? Ich denke, dass nicht nur der Zahlungsver- kehr, sondern mittelfristig alle Bankfunktio- nen betroffen sein werden, die automatisier- bar sind. Ein Beispiel ist der Bereich der Ver- braucherkredite, also die Kernkompetenz von Michael Mellinghoff: „Wir werden in der Branche einige Fusionen sehen.“
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