FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2015
im letzten Jahr bereits etwa die Hälfte über ein Fortbildungskonto. Im Vergleich Peanuts Zwölf Monate nach dem Start weist die Datenbank von „Gut beraten“ bereits knapp drei Millionen Fortbildungspunkte aus, im Schnitt 30 Punkte je Konto – Peanuts im Ver- gleich zu jenen Kosten, die der gesamten Branche durch den Fortbildungszwang der IDD entstehen könnten. Zwar ist die Fortbil- dungsquote in der Versicherungswirtschaft schon heute deutlich höher als in anderen Be- rufsgruppen, angesichts der sich abzeichnen- den schieren Menge an Vermittlern fehlt vie- lerorts dennoch eine professionelle und ent- sprechend zielgerichtete Bildungsarchitektur. Um den riesigen Bedarf zu decken, sind In- vestitionen unumgänglich. In Zeiten von Nullzinsen und Provisions- kürzungen durch das LVRG wird das Thema Fortbildung zu einem erheblichen Kostenfak- tor für die Anbieter und ihre Vermittler. So schlägt etwa eine Bildungsmaßnahme bei der von der Versicherungswirtschaft und anderen Marktteilnehmern geförderten DMA im Fest- preis mit 280 Euro am Tag zu Buche, was man im Marktvergleich als günstig bezeichnen darf. 2014 haben etwa 7.000 Teilnehmer eines der über 100 DMA-Se- minare durchlaufen und im Schnitt pro Tag zehn Fortbil- dungspunkte erworben. Um das von „Gut beraten“ gesteck- te Minimalziel von 40 Punkten im Jahr zu erreichen, wären demnach vier Fortbildungstage Pflicht. Kostenpunkt dafür: 1.120 Euro, Mehraufwände für Anreise oder Übernachtung nicht eingerechnet. Marktstudien zufolge inves- tieren unabhängige Vermittler pro Kalenderjahr sogar etwa 2.000 Euro in ihre Fort- und Weiterbildung. Würde man die- sen Betrag als Maßstab für die kolportierten 400.000 Personen zugrunde legen, beliefe sich das jährliche Fortbildungsbud- get der deutschen Versiche- rungsbranche auf 800 Millio- nen Euro. Die Managementberatung ZEB geht nach der Einführung der Versicherungsvertriebsricht- linie sogar von jährlichen Weiterbildungsko- sten von rund einer Milliarde Euro aus – fast dreimal so viel wie vor der Einführung. Um die hohen jährlichen Investitionen in Bildung nachhaltig abzusichern und Fehlallokationen auszuschließen, müssten nahezu alle Versiche- rungsunternehmen in Deutschland in Zukunft ein stringentes Bildungscontrolling einrichten, so die ZEB. Wachstumssegment Zu den Profiteuren dieser Entwicklung dürften insbesondere unabhängige Bildungs- anbieter zählen, die in einem ohnehin seit Jahren wachsenden Marktsegment auf weitere lukrative Aufträge aus der Versicherungswirt- schaft hoffen können, Schulungen und Ab- schlüsse zu entwickeln und umzusetzen. Der Platzhirsch Frankfurt School of Finance & Management, die sowohl Zertifikatsstu- diengänge im Finanz- und Versicherungs- vertrieb als auch Tagesseminare anbietet, hat seit der Finanzkrise ein Umsatzplus von 50 Prozent auf 67 Millionen Euro verzeichnet. Kann man die großen Bildungsinstitute deutschlandweit an zwei Händen abzählen, liegt die Zahl der kleineren Dienstleister weit- gehend in Dunkeln. Verlässliche Studien oder Markterhebungen gibt es dazu nicht. Einen – wenn auch nur vagen – Anhaltspunkt liefert die Liste der bislang akkreditierten Bildungs- dienstleister von „Gut beraten“, die insgesamt 333 Unternehmen umfasst (siehe Grafik Seite 296). Wie viele davon in den letzten Monaten tatsächlich aktiv waren und Punkte an die In- itiative gemeldet haben, können die Fort- bildungswächter aus München nicht sagen. „Nicht alle Partner melden ihre vergebenen Punkte direkt im Anschluss an ein Seminar. Meine Wahrnehmung ist aber, dass gerade auch viele kleinere Bildungsanbieter hier schon sehr aktiv sind“, erklärt Katharina Höhn, Vorstandsmitglied im Berufsbildungs- werk der deutschen Versicherungswirtschaft (BWV), einem von acht Trägerverbänden von „Gut beraten“. Interpretationsspielräume Ein Ende der Fahnenstange ist für die Bil- dungsdienstleister damit längst nicht erreicht. Im Gegenteil: Mit dem Dreiklang aus Ver- sicherungsvertriebsrichtlinie, der Markets in Financial Instruments Directive (Mifid II) und der Verordnung für Retailinvestmentprodukte (PRIIPs) werden EU-weit einheitliche Standards in Sa- chen Anlageberatung und Anlegerinformation geschaf- fen. Die Pflicht zur laufenden Fortbildung rückt damit für den gesamten Finanzdienst- leistungsmarkt in greifbare Nähe. Auch wenn die 2016 zur Umsetzung anstehende Mifid II diesbezüglich noch keine konkreten Vorgaben enthält: Je nach Lesart ergeben sich indirekt Interpretationsspiel- räume, die auf eine Fortbil- dungspflicht schließen lassen; für die betroffenen Wert- papierunternehmen eine Art Kaffeesatzleserei. Von Bedeu- tung dürfte in diesem Zusam- menhang die wichtiger wer- dende Rolle der europäischen Aufsichtsbehörden für Wert- papierunternehmen (ESMA), Banken (EBA) und Versi- cherer (EIOPA) sein. Ihr Ein- fluss führt zu einer zentral gesteuerten Auslegung von Regulierungsvorhaben und fonds & versicherung I for t- und weiterbildung 298 www.fondsprofessionell.de | 1/2015 Die Fortbildungspflicht im Vermittlermarkt Sonstige Vermittler Finanzanlagenvermittler Tied Agents Kundenservice/Schadensregulierer Angestellte von Vermittlern Sonst. Angestellte eines Vers. mit Kundenkontakt Callcenteragenten (Direktvertrieb) Angestellter Außendienst VU Produktakzessorische Vermittler Kundenberater von Banken Makler Mehrfachvertreter Ausschließlichkeitsvertreter Angestellte im Vertrieb von Versicherungs- unternehmen und Vermittlern Hauptberufliche Versicherungsvermittler Summe Nein Nein Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja 40.500 35.000 16.000 100.000 10.000 42.000 3.000 130.000 25.000 12.000 58.900 Zielgruppe Fortb. IMD 2 Anzahl 1 472.400 1 Schätzungen BVK, ZEB und eigene Recherchen Quelle: ZEB Ausgehend vom aktuellen Entwurf erfasst die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD auch die Ange- stellten von selbstständigen Vermittlern, Direktvertriebe sowie die Kundenberater von Banken und Sparkassen. Schätzungen gehen daher nicht nur von einer Fortbildungspflicht für die rund 240.000 registrierten Versicherungsvermittlern aus, sondern von insgesamt 400.000 bis 500.000 Personen, die die IDD direkt tangiert – selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass die zusätzliche Hürde bei der Berufsausübung ein weiteres Mal zu einer spürbaren Marktbereinigung vor allem unter den nebenberuflichen Vermittlern führen wird.
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