FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2015

308 www.fondsprofessionell.de | 1/2015 nur noch ein Jahr lang Zeit, auch in den hin- tersten Schubladen zu suchen, die Tafelpa- piere hervorzuholen und zur Bank zu bringen – sonst droht zumindest eine teilweise Ent- eignung. Als Begründung, warum Luxemburg effek- tive Stücke abschaffen will, werden die Ver- meidung von Geldwäsche und der regulatori- sche Druck besonders aus den USA genannt. „Luxemburg möchte hier auf keinen Fall am Pranger stehen und hat daher die Abschaffung der Tafelpapiere besonders schnell umge- setzt“, sagt Stefan Lutz, Pressesprecher von Allianz Global Investors. „Es ist davon aus- zugehen, dass über kurz oder lang eine ähnli- che Regelung auch in Deutschland und ande- ren europäischen Ländern eingeführt wird.“ Die Vereinigten Staaten haben ihren Druck besonders mit dem Steuerabkommen FATCA erhöht. Hier hatte die EU-Fondsbranche Er- leichterungen für sich ausgehandelt. Im Ge- genzug musste sie den Amerikanern verspre- chen, die Neuausgabe von effektiven Stücken einzustellen. Luxemburg ist nun einen Schritt weiter gegangen und lässt auch die noch im Umlauf befindlichen Tafelpapiere einziehen. Lutz erklärt die Prozedur, die Investoren nun auf sich nehmen müssen: „Der Anleger geht mit Mantel und Bogen zu seiner Bank. Diese nimmt die Papiere entgegen, schreibt sie dem Depot des Kunden gut und vernichtet anschließend die effektiven Papiere. Dabei werden auch die Ausschüttungen auf ältere Kupons, die noch nicht eingelöst wurden, gut- geschrieben.“ Ausschüttungen luxemburgi- scher Fonds haben kein Verfallsdatum. Verfall ans Großherzogtum Effektive Fondsanteile mit einer luxembur- gischen Wertpapierkennnummer, die bis zum 18. Februar 2016 nicht eingeliefert wurden, werden laut Gesetz für wertlos erklärt. „Der Gegenwert dieser Stücke wird an die Luxem- burger Caisse des Consignations überwiesen und nicht verzinst“, sagt Marc-André Bechet, Leiter der Rechtsabteilung des Luxemburger Fondsverbandes ALFI. Bei dieser Stelle wer- den auch Gelder aus „inaktiven Bankkonten“ aufbewahrt, bei denen über viele Jahre keine Bewegungen mehr stattgefunden haben und deren Inhaber beziehungsweise dessen Erben nicht auffindbar sind. Später kann der Anleger lediglich den Anteilswert per 18. Februar 2016 beanspruchen, Ausschüttungen und Wertsteigerungen werden nicht mehr berück- sichtigt. 30 Jahre lang warten die hinterlegten Beträge bei der Caisse des Consignations auf die Berechtigten. Wenn sie dann nicht einge- fordert sind, fallen sie an das Großherzogtum. „Obwohl die Sache wirklich dringlich ist, gehen wir gehen davon aus, dass längst nicht alle Fondsanteile bei der Rückrufaktion auf- tauchen werden“, sagt Lutz, „wir hatten ge- dacht, die Nachricht schlage bei den Medien ein wie ein Paukenschlag, aber das Presse- echo war eher verhalten, obwohl doch viele Anleger betroffen sind.“ Einsatz für soziale Zwecke? Was eines Tages mit dem Geld passiert, das an den Staat fällt, ist noch nicht geklärt. Groß- britannien fand bereits 2008 mit dem „Dor- mant Accounts Act“ eine bemerkenswerte Lö- sung für solche „schlafenden Gelder“: Dort wurde kurzerhand ein Sozialfonds namens „Big Society Capital“ aufgelegt, der in soziale Projekte investiert. Dort hinein flossen im- merhin 400 Millionen Pfund „schlafender Gelder“. Es wird sich zeigen, ob dieses Bei- spiel Schule macht und auch in anderen Län- dern umgesetzt wird. AnKE DEMBoWSKI | FP steuer & recht I effektive fondsanteile Foto: © ALFI, Hansainvest Marc-André Bechet, ALFI: „Der Gegenwert wird an die Luxemburger Caisse des Consignations überwiesen.“ Tafelpapiere Was sind effektive Stücke? In jüngerem Jargon würde man wohl von „Hardcopies“ spre- chen, denn es handelt sich um effektive Wert- papiere (auch „Tafelpapiere“ genannt), die eine Aktie, einen Rentenwert oder einen Fondsanteil verbriefen. Es handelt sich in der Regel um Inhaberpapiere: Sie gehören demjenigen, der sie in den Händen hält – ähnlich wie bei einem Geldschein, der ebenfalls ein Inhaberpapier ist. Tafelpapiere bestehen aus einem Mantel, der das eigentliche Wertpapier verbrieft, und einem Bogen, der die Kupons enthält. Jeder Kupon berechtigt zu einer Ausschüttung oder Zins- zahlung. Unten auf dem Bogen befindet sich der Erneuerungsschein (Talon), mit dem man einen neuen Bogen beziehen kann, wenn alle Kupons eingelöst sind. Steuervermeidung: In früheren Zeiten gerie- ten Inhaber effektiver Wertpapiere unter den Generalver- dacht, ihre Erträge nicht zu versteuern, was oft auch so gewesen sein mag. Schließlich war es möglich, sich bei fast jeder Bank gegen Vorlage des Kupons die Ausschüt- tung oder Zinszahlung auszahlen zu lassen – anonym und bis zur Einführung der Zinsabschlagsteuer 1993 ohne Ab- zug irgendwelcher Steuern. Danach wurden Tafelpapiere dann vorübergehend dann steuerlich schlechter behandelt als depotverwahrte Papiere: Bei ihnen mussten inländische Institute 35 statt nur 30 Prozent Zinsabschlagsteuer abziehen. Doch seit Einfüh- rung der Abgeltungsteuer 2009 werden effektive und depotverwahrte Papiere im Prinzip wieder gleich behandelt, denn bei beiden werden 25 Prozent Abgeltungsteuer plus Solidaritäts- zuschlag abgezogen. „Wenn ein Kunde jetzt Kupons einliefert, ist aufgrund des Geldwäsche- gesetzes keine Barauszahlung mehr möglich. Die Kundenbeziehung muss hinterlegt sein. Da geht nichts mehr anonym“, erläutert Stefan Lutz, Pressesprecher von Allianz Global Investors. Mittlerweile werden Kunden also auch bei Tafelgeschäften identifiziert. Ende der Tafelgeschäfte: Inzwischen scheuen sich viele Banken regelrecht davor, Kupons einzulösen, und haben entsprechende Abwehrmaßnahmen getroffen. So lösen einige Institute nur Kupons der konzerneigenen Fondsgesellschaft ein. Andere haben die Gebühren so hoch angesetzt, dass den Anlegern die Lust am Tafelgeschäft vergeht. So sieht der Bogen aus, der zehn Hansainternational-Anteile verbrieft. Der dazugehörige Mantel enthält die Kupons, die zu Ausschüttungen berechtigen.

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