FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2015
311 www.fondsprofessionell.de | 1/2015 ständiger Berater aus dem mobilen Vertrieb einer deutschen Großbank. Auch die Aufklärungspflichten steigen: „Die Kreditrichtlinie sieht vor, dass ein Bera- ter den Kunden noch stärker als bisher über das Anschlussrisiko aufklärt. Er soll beispiels- weise aufzeigen, wie sich die monatliche Rate bei der anschließenden Finanzierung verän- dert, wenn der Zins um drei Prozentpunkte gestiegen ist“, so Sven Westmattelmann vom Immobilienfinanzierer Dr. Klein. Zudem muss der Vermittler einschätzen können, ob es wahrscheinlich ist, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen auch nachkommen kann. Wer die Kreditwürdigkeit nicht ausreichend prüft, wird sanktioniert – zur Freude des Darlehens- nehmers. „Der Kreditnehmer muss anstatt des vereinbarten Zinses nur noch die marktübli- chen Refinanzierungssätze leisten, der Kredit- geber büßt also seine Gewinnmarge ein“, sagt Dorothea Mohn vom Bundesverband der Ver- braucherzentralen. Alternativ darf der Kunde das Darlehen ohne Vorfälligkeitsentschädi- gung zurückzahlen, vorausgesetzt, er ist liqui- de. Wer Kredite vorzeitig kündigt, muss nach wie vor „Wiedergutmachung“ leisten. Das Konstrukt der Vorfälligkeitsentschädigung bleibt zumindest in Deutschland noch beste- hen, ist jedoch umstritten. „Aufgrund des un- gewöhnlich drastischen Zinsabschwungs leis- ten Verbraucher heute überwiegend mehr als zehn Prozent des Restkapitals als Vorfällig- keitsentschädigung, dies ist zu viel“, so Mohn. Die Verbraucherschützer möchten sie auf ma- ximal fünf Prozent der noch ausstehenden Restschuld begrenzen. Die meisten Finanzdienstleister begrüßen die neuen Regelungen und rechnen mit einer Marktbereinigung. Der AfW erwartet auf Ba- sis einer Umfrage rund 20.000 Registrierun- gen nach § 34i. „Nicht qualifizierte Berater werden nicht zugelassen und dürfen ab März 2017 keine Finanzierungen mehr vermitteln, was wir sehr positiv sehen. Zudem zwingt der bürokratische Mehraufwand viele kleinere Be- rater zur Aufgabe. Und einige Vermittler wer- den sich größeren Vertrieben und Maklerpools anschließen“, so Westmattelmann. Ende der „Doppelverdiener“ Auch die sogenannten „Doppelverdiener“ sterben aus: Dass Berater, wie heute noch vielfach üblich, gleichzeitig die Immobilie wie auch den Kredit vermitteln, wird in Zukunft seltener werden. „Der Berater muss eine Qua- lifikation als Immobilienmakler nachweisen können und auch Kredite nach den neuen Vorgaben vermitteln dürfen. In der Praxis wird es nicht allzu viele Personen geben, die dies anbieten werden“, so Joachim Klare vom Bundesverband der deutschen Immobilien- finanzierer (BVdIf). Inwieweit die Verbrau- cher mit den zusätzlichen Informationen, die in das bereits existierende europäische stan- dardisierte Merkblatt ESIS aufgenommen werden, besser fahren, ist noch offen: „Ob dieser ,Information Overkill‘ wirklich ver- braucherschützend ist, bleibt abzuwarten“, so Rechtsanwalt Erik Kraatz von der Kanzlei Dr. Schulte und Partner aus Berlin. Eine Umfrage der auf Finanzdienstleister spezialisierten Be- rater Cofinpro unter 1.000 Bundesbürgern er- gab ein ernüchterndes Bild. Gut 58 Prozent der Befragten glauben, dass die neuen Rege- lungen nicht zu einer besseren Beratung beim Hauskauf führen werden. Vor einem „Mehr an Papier“ warnt auch Shirin Sommer von Cofinpro: „Der Gesetzgeber sollte Augenmaß halten, sonst sehen wir eine ähnliche Über- regulierung wie im Bankenbereich.“ Noch Fragen offen Wie bei jeder neuen Regelung gibt es noch einige Punkte, die unkonkret oder teilweise nicht praktikabel sind. „Wenn Vermittler nicht nur an einen Kreditgeber gebunden sind, sol- len sie in der vorvertraglichen Information alle Namen der Darlehensgeber angeben, mit de- nen sie zusammenarbeiten. Bei uns wären dies aktuell mehr als 170 Anbieter bundes- weit“, so Westmattelmann. Auch die künftig von der Kreditvergabe unabhängige Immobi- lienbewertung lässt Fragen offen. Da der Be- rater dafür normalerweise nicht ausgebildet ist, müsste ein Gutachter oder der zukünftige Kreditgeber als Bewerter einspringen. Offen bleibt, wer für die Expertise bezahlt. „Entwe- der wird das Wertgutachten in den Immobili- enpreis mit ,eingepreist‘ oder man erhebt eine zusätzliche Gebühr dafür. Das erklärte Ziel der EU war es, Schrottimmobilien als solche zu identifizieren“, so Joachim Klare vom BVdIf. „Im Zweifel zahlt dann wohl der Kun- de für das Gutachten – dies ist aber noch nicht abschließend geregelt.“ MARcUS HIpplER | FP Michiel Goris, Interhyp: „Eigenheimkäufer konnten noch nie so günstig Immobilienkredite aufnehmen.“ Joachim Klare, BVdIf: „Kosten für das unabhängige Wert- gutachten werden in den Kaufpreis mit eingepreist.“ Auch Banken betroffen Nicht nur die Vermittler, sondern auch die kreditgebenden Institute sind von der neuen EU-Richtlinie betroffen. Die Banken sollen vor Vertragsabschluss und auch bei der Kreditbewerbung umfassender aufklären und informieren als bisher. „Beispielsweise muss die Bank jetzt unaufge- fordert vor dem Abschluss des Darlehensvertrags den von ihr angenommenen tatsächlichen Wert der finanzierten Immobilie angeben. Bislang ermitteln die Banken ledig- lich intern einen Beleihungswert, der den Darlehensneh- mern regelmäßig nicht mitgeteilt wird“, so der Berliner Rechtsanwalt Erik Kraatz. Dies gleicht einer kleinen Re- volution in der Kreditvergabepraxis der Häuslefinanzierer, denn viele Käufer deuten die Kreditzusage als Indiz für einen angemessenen Kaufpreis. Dass dem nicht immer so ist, beweisen die Klagen der Käufer von Eigentums- wohnungen, die als Steuersparmodelle dienen sollten, gegen die finanzierende Bank. „Die Erwerber erhalten zukünftig eher Klarheit über den Wert ihrer Immobilie, oh- ne dass zuvor zwingend ein langfristiger Darlehensvertrag abgeschlossen worden ist“, so Kraatz.
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