FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

161 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 deren Kenntnissen auftreten, mehr Pflichten. Sie müssen beispielsweise selbst aktuelle Informationen zu dem empfohlenen Invest- ment einholen. Darauf baut die laufende Rechtsprechung auf. Das Oberlandesgericht Brandenburg betonte im vergangenen Novem- ber die besonderen Prüfpflichten eines spe- zialisierten Beraters, zu denen auch die Aus- wertung der Berichterstattung der Wirtschafts- presse gehört. Auch das Oberlandesgericht Karlsruhe erklärte im Juni 2014, dass einem Berater erkennbare Fehler im Prospekt mit einem kritischen Blick und gewissen wirt- schaftlichen Grundkenntnissen auffallen müs- sen. Dabei kann sich der Berater nach Ansicht des Gerichts nicht auf ein Prospektprüfungs- gutachten verlassen. Wenn es erkennbare Lücken in der Prüfung aufweist, muss der Berater selbst diese Prüfung mit dem kriti- schen Sachverstand durchführen. „Allerdings besteht kein abschließender durch den Gesetz- geber oder den BGH vorgegebener Katalog für eine richtige Prüfung“, betont Klein. Aufwand und Haftung So weit sind viele Vertriebe nicht, weil ih- nen zum Teil die grundlegende Rechtslage nicht bewusst ist. Und sie ist eindeutig: Grundsätzlich haften Berater im Rahmen ihrer Beratungsleistung für Produkt- und Prospekt- fehler, die sie im Rahmen ihrer Plausibilitäts- prüfung, die sie auf jeden Fall machen müs- sen, finden können. Der Aufwand muss zu- mutbar sein, wobei die, die sich als Experten ausgeben, einen höheren Aufwand tragen müssen, weil der Investor eine tiefer gehende Analyse des empfohlenen Produkts erwarten darf. Unstrittig, aber juristisch irrelevant ist der Umstand, dass in der komplexer gewor- denen Sachwertinvestmentwelt die Produkt- prüfung auch wirtschaftlich eine Herausfor- derung geworden ist. Je intensiver Anbieter und Produkte geprüft werden, umso mehr Geld und Zeit kostet das – Zeit, die auch gut in die Beratung der Kunden investiert wäre. Finanzdienstleister, die den Aufwand der Produktprüfung nicht betreiben wollen, kön- nen sich diesem auf zwei verschiedene Arten entziehen: Erstens steht der Berater nicht in der Haftung, wenn er den Anleger ausdrück- lich darauf hinweist, dass er die Plausibilitäts- und Prospektprüfung nicht durchgeführt hat. Zweitens kann der Berater auf fremde Ana- lysen zurückgreifen. Erstaunlicherweise behaupten fallweise sogar Anbieter gegenüber Vertriebspartnern, dass die Auslagerung der Plausibilitätsprüfung nicht gestattet sei. Dem ist aber nicht so, richtig ist hingegen, dass die Verwendung der Fremdprüfungen nur mit einer Haftungsfreistellung Sinn ergibt. Der Hintergrund: Die direkte Haftung des Beraters gegenüber seinem Kunden bleibt immer bestehen, auch wenn er mit nicht selbst erstellten Produktgutachten arbeitet. Deshalb bieten beispielsweise Vertriebspools wie Efonds und Dr. Ludz ihren angeschlossenen Partnern Haftungsfreistellungen für die geprüften Fonds an. „Diese Haftungsfrei- zeichnung ermöglicht dem Berater in dem Fall, dass er von seinem Kunden in Anspruch genommen wird, gegenüber dem Prüfungs- partner Regress zu nehmen“, erklärt Votum- Geschäftsführer Klein. In diesem Zusammenhang gibt Rechts- anwalt Norman Wirth zu bedenken: „Man muss sich mit den fremden Prüfungen dahin- gehend auseinandersetzen, ob sie plausibel und vertrauenswürdig sind.“ Das bedeutet, dass die Finanzdienstleister unter anderem die Schlüssigkeit der Prüfungskriterien und der Bewertungssystematik der Gutachter und Analysen kontrollieren müssen. FONDS professionell hat in den Recherchen keine Fälle aus der Praxis entdeckt, bei denen das Poolabsicherungsmodell für den Berater nicht funktioniert hat. Christoph Ludz, Geschäfts- führer des Pools Dr. Ludz & Partner, berich- tet: „Bei unserem Pool wurde die Plausibilität weitgehend von den Partnern mit unserer Unterstützung geprüft. Dennoch gab es einige Klagen gegen die Berater. Gegen uns als Pool richteten sich schließlich nur drei Klagen wegen Beratungshaftung, die alle abgelehnt wurden.“ Poolgrenzen Die Vertriebsplattformen bieten mit der Produktprüfung zwar eine sinnvolle Leistung an, dabei gilt es allerdings zu beachten, dass es Qualitätsunterschiede bei den Plausibili- tätsanalysen gibt. Außerdem decken die Pools nicht alle Produkte ab, sodass der Berater am Ende doch auch selbst Produkte prüfen muss, wenn er etwas anderes anbieten will. Das bedeutet aber, dass man für die Unabhän- gigkeit etwas tun muss. Finanzberater Werner M. Holfelder ist sich des entsprechenden Aufwands bewusst: „Eine Lösung könnte sein, dass man sich auf eine Handvoll geprüf- ter Produktpartner konzentriert.“ Mit Efonds etwa würde an Grenzen stoßen, wer Direkt- investments, Genussrechte und Anleihen verkaufen möchte. Gründer Alexander Betz lässt nämlich nur vereinzelt Direktinvestments auf seine Plattform. Unabhängig davon achten größere Finanz- dienstleister sowieso auf ihre Freiheit und Unabhängigkeit. „Aufgrund unserer Größe bewältigen wir die Hürden selbstständig. Da- mit erhöhen sich natürlich die Rechtsbe- ratungskosten und die Kosten für den admi- nistrativen Aufwand“, erzählt Axel Hermann, stellvertretender Finanzleiter beim freien Finanzdienstleister Hörtkorn Finanzen. Bis zur Vertriebsfreigabe vergehe weit mehr Zeit als früher. Dafür sei aber die Kundenberatung insgesamt besser geworden. „Es müssen mehr Informationen eingeholt werden, und wenn der Vermittler diese Informationen entspre- chend bei der Produktauswahl einsetzt, steigt die Beratungsqualität“, glaubt Hermann. ALexANDeR eNDLweBeR | FP Christoph Ludz, Dr. Ludz & Partner: „Alle drei Klagen gegen uns als Pool wurden abgelehnt.“ Die Produktprüfung und das KAGB Nach Auffassung von Rechtsanwalt Norman Wirth könnte bei den geschlossenen alternativen Investmentfonds die Plausibilitätsprüfungspflicht mit Inkrafttreten des KAGB weggefallen sein. Er verweist hierzu auf den Paragraf 306, in dem die Prospekthaftung geregelt ist. Im dritten Absatz heißt es, dass ein Berater nicht für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts haftet, wenn er davon nicht gewusst hat und diese Unkenntnis nicht grob fahrlässig ist. Kannte er Fehler und hat den Fonds trotz- dem verkauft, haftet der Berater. Rechtsanwalt Martin Klein ist hingegen der Ansicht, dass der Paragraf 306 KAGB nicht von den Prüfpflichten entbindet. „In Absatz 6 ist ausdrücklich geregelt, dass weitergehende Ansprüche aufgrund von Verträgen von den Regelungen dieses Paragrafen unberührt bleiben. Der BGH hat festgestellt, dass die Plausibilitätsprüfung eine vertragliche Ver- pflichtung im Rahmen des Auskunftsvertrags zwischen Vermittler und Kunden ist.“

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