FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

ja gerade deshalb selbstständig gemacht, weil er unabhängig sein wollte. Da fällt es schwer, sich einem anderen Unternehmen anzuschlie- ßen. Letztlich ist das wohl eine Frage der per- sönlichen Leidensfähigkeit. Ohne mich auf valide Zahlen stützen zu können: Gefühlt darf man mit 50 Jahren in der Gilde der unabhängigen Vermö- gensverwalter wohl als jung gelten. Auch die meisten Kunden werden schon 60 Jahre oder älter sein. Hat die Branche ein Demografieproblem? Nein, das passt eigentlich sehr gut zusammen. Die Vermögenden sind zwar, wie Sie richtig sagen, überdurchschnittlich alt, aber sie wün- schen sich kein junges Gegenüber. Das ist ganz typisch, dass ein Vermögensverwalter gemeinsam mit seinen Kunden altert. Und was wird die Erbengeneration tun? Bleibt sie den Vermögensverwaltern ihrer Eltern treu? In unserer Befragung haben sich zwei wich- tige Gründe herauskristallisiert, warum ein Vermögensverwalter Klienten verliert: Der Kunde kauft eine Immobilie – oder er stirbt. Dass die Erben Kunden bleiben, ist keinesfalls garantiert. Oft handelt es sich außerdem um eine Erbengemeinschaft. Dann bleibt das Vermögen nicht erhalten, sondern es wird in viele kleine Teile zerlegt. Wie kann ein Vermögensverwalter mit diesem Problem umgehen? Er muss sich mit den Erben beschäftigen. Das ist oft schwierig, weil der Senior seine Nach- kommen nicht unbedingt mit an den Tisch nehmen will. Außerdem leben bekanntlich nicht alle Familien in Harmonie. Ein Vermö- gensverwalter sollte dennoch versuchen, die gesamte Familie im Blick zu behalten und insbesondere die Kinder einzubeziehen. Sonst ist das Ende der Kundenbeziehung absehbar. Im Idealfall hat der Vermögensverwalter einen jüngeren Berater in der Firma, der die nächste Generation betreut. Allerdings können dies nur größere Anbieter leisten. Als zweiten wichtigen Punkt für einen Kundenschwund hatten Sie den Immo- bilienkauf genannt. Wie verhindert ein Vermögensverwalter, dass der Kunde sein Geld abzieht, um damit Häuser zu kaufen? Am besten nimmt er die Immobiliensehnsucht seiner Kunden auf. Er kann zum Bei- spiel den Anspruch haben, eine Ge- samtvermögensberatung anzubieten, und da gehören Immobilien in jedem Fall dazu. Dann kann er den Kunden aktiv bei Immobilientransaktionen be- gleiten. Außerdem sollte er ihn ermun- tern, ein aktives Immobilienportfolio- management zu betreiben. In Deutsch- land ist es üblich, ein Haus zu kaufen, es zu halten und eines Tages zu verer- ben, obwohl das meist überhaupt nicht sinnvoll ist. Mit Aktien würde man das schließlich auch nicht machen. Sobald ein Standort einen gewissen Punkt im Zyklus überschritten hat, besteht in jedem Fall Handlungsbedarf. Ich will doch nicht der Letzte sein, der in der Uckermark das Licht ausmacht! Akti- ves Immobilienportfoliomanagement ist noch kaum verbreitet und bietet gerade deshalb interessante Chancen für große Vermögensverwalter und Banken. Die meisten Vermögensver- walter kommen allerdings aus dem Wertpapiergeschäft, von Immobilien haben sie keine Ahnung. Die entsprechende Expertise müssen sie sich erst aufbauen. Wie kommen die unabhängigen Vermö- gensverwalter überhaupt an neue Kun- den heran? Das mit Abstand wichtigste Akquisitionsin- strument ist die persönliche Empfehlung. Es gibt zwar nach wie vor Kunden aus Sparkas- sen oder Banken, deren Vermögen gewachsen ist und die sich eine persönlichere und profes- sionellere Betreuung wünschen. Doch zurzeit sind die meisten Kunden zufrieden, weil sich die Märkte gut entwickeln und sie mehr ver- dienen als mit Festgeld. Die ohnehin kaum vorhandene Wechselbereitschaft ist dann noch geringer. Der beinahe einzige Weg, in einem solchen Umfeld Kunden hinzuzugewinnen, besteht daher in Weiterempfehlungen. Fällt es Ihnen eigentlich leicht, Studenten für diese Themen zu begeistern? Bei 12.000 Punkten im DAx geht das prima. Der Besuch meiner Vorlesungen liegt auf einem Fünfjahreshoch. Allerdings bin ich noch nicht auf dem Niveau des Jahres 2000. Damals war der Studienschwerpunkt Finance der größte der gesamten Hochschule. Vielen Dank für das Gespräch. BERnD MIKoscH | FP Hartwig Webersinke: „In unserer Befragung haben sich zwei wichtige Gründe herauskristallisiert, warum ein Vermögensverwalter Klienten verliert: Der Kunde kauft eine Immobilie – oder er stirbt. Dass die Erben Kunden bleiben, ist keinesfalls garantiert.“ vertrieb & praxis I har twig webersinke | hochschule aschaffenburg 204 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 » Ich staune immer wieder, mit wie wenig Einkommen einige Vermögensverwalter offensichtlich zufrieden sind. « Hartwig Webersinke, Hochschule Aschaffenburg Foto: © Christoph Hemmerich

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