FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

256 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 bank & fonds I big data banking Foto: © Fidor Bank W enn IT-Experten Vorträge über „Big Data“ halten, beginnen sie gern mit einer amüsanten Geschichte: Vor et- wa 20 Jahren stellte die US-Kaufhauskette Walmart fest, dass immer abends der Absatz von zwei Produkten anstieg – Windeln und Bier. Eine Analyse sämtlicher Kassendaten zeigte, dass sich genervte Familienväter, die von ihren Ehefrauen zum Windelkauf in den Supermarkt geschickt wurden, zur Belohnung ein Sixpack gönnten. Walmart postierte dar- aufhin das Bier in der Nähe der Windeln und steigerte die Verkaufszahlen noch weiter. Vor allem aber brachte die Studie dem Einzelhan- delskonzern eine große Menge Daten. Was für Walmart mit Windeln und Bier begann, ist heute längst gang und gäbe. Un- ternehmen generieren Daten, um so viel wie möglich über ihre Kunden zu erfahren und aufgrund dieser Erkenntnisse neue Geschäfts- modelle zu entwickeln. Auch für Banken ist der Begriff Big Data – das Sammeln und Auswerten riesiger Datenmengen – nichts Neues. Allerdings findet sich in Deutschland kein zweites Institut, das dieses Thema so lebt wie die Münchner Internetbank Fidor. Gegenseitige Beratung „Das Herzstück ist bei uns die Commu- nity“, sagt Fidor-Gründer und -Vorstand Matthias Kröner. Rund 275.000 Kunden und registrierte Nutzer tauschen sich in der digi- talen Internetgemeinde aus. Sie beraten sich gegenseitig in Geldfragen, geben Spartipps oder präsentieren ihre Wunschprodukte. Be- ratung bietet die Internetbank selbst nicht an, das übernimmt mehr oder weniger die Com- munity. Zwar kann das ein ausführliches Be- ratungsgespräch nicht ersetzen, die Tipps, die User geben, dienen anderen aber zumindest als Entscheidungshilfe. Die Community bietet ihren Nutzern außer dem digitalen Austausch auch gemeinsame Geschäfte. So können sich Mitglieder bis zu einer Höhe von 500 Euro untereinander zins- freie Kredite geben. Wird eine höhere Summe benötigt, übermittelt Fidor Kunden an die Kreditplattform Smava, sofern dies gewünscht ist. Über Crowdfunding oder Crowdinvesting haben Unternehmen und Privatpersonen die Möglichkeit, Kapital zur Finanzierung von Projekten einzuwerben. Zugriff aufs Facebook-Profil „Banking mit Freunden“ nennt die Münch- ner Direktbank ihr Modell, in das sie die Kun- den so stark einbezieht, wie sie es eben zulas- sen. Wie eng die Beziehung zur Bank sein darf, entscheidet der Nutzer zum ersten Mal, wenn er sich registriert. Wählt er die Regis- trierung über Facebook, gibt er Fidor direkten Zugriff auf sein öffentliches Profil – inklusive der Liste seiner Freunde und seiner persönli- chen Beschreibung. Aus Sicht von Daten- schützern ist dies unbedenklich. Denn zum einen ist niemand dazu gezwungen, sich über Facebook zu registrieren, zum anderen wird der neue Nutzer deutlich darüber aufgeklärt, welche Daten er preisgibt. Doch Banking geht bei Fidor durchaus noch familiärer. Dafür sorgt das sogenannte Community-Karma. „Wir mussten uns etwas einfallen lassen, um unsere User dazu zu brin- gen, noch aktiver zu werden“, berichtet Fidor- Vorstand Kröner. Außerdem sollte die Bera- tungsqualität der digitalen Finanzgemeinschaft verbessert werden. Mit dem Community-Kar- ma wird die Qualität von Beiträgen und Inter- aktionen zwischen Nutzern über ein standar- disiertes System bewertet und transparent gemacht. Je nach Güte seiner Tipps, Fragen und Antworten bekommt jeder User sein Kar- ma. Dies stuft die Aktivität eines Nutzers ein, qualifiziert ihn beispielsweise als „Ideen- geber“ oder „Öffentlichkeitsarbeiter“. Gleich- zeitig bewertet das Karma die Finanzkennt- nisse und damit die Vertrauenswürdigkeit von Community-Mitgliedern. Wer sein Karma verbessern möchte, hat dazu mehrere Mög- lichkeiten. Eine besteht darin, all seine sozia- len Netzwerke offenzulegen – und der Bank so noch mehr Zutritt zu seiner Privatsphäre zu ermöglichen. „Community-Karma“ „Einen Aufschrei in der Community gab es nicht, als wir das Modell eingeführt haben“, sagt Kröner. Und hinsichtlich des Datenschut- zes gilt auch hier: Niemand wird gezwungen, zudem ist das Verfahren transparent. „Wir haben durch das Community-Karma unsere Ausfallquoten beim ‚Kredit-Notruf‘ von neun auf fünf Prozent reduziert“, sagt Kröner. Sol- che Minikredite bis zu 100 Euro bekommen Fidor-Kunden, die arg in der Klemme sind. „Zudem haben wir jetzt unseren eigenen Credit Score 2.0“, erklärt der Fidor-Vorstand. Kosten für Auskunfteien wie Boniversum spart die Bank daher ein. Und wenn Fidor den Kauf bestimmter Finanzprodukte fördern möchte, reicht es oft, gezielt eine Diskussion in der Onlinegemeinde anzustoßen. Für die Zukunft hat Kröner große Pläne: Das Modell des Web-2.0-Bankings soll auch in Großbritannien und den USA eingeführt werden. „Und ich möchte ein Fidor-Konto 2.0 entwickeln, das den Kunden aktiv in seinem Leben unterstützt.“ Das wäre für ihn dann ganz großes Big Data. AnDrEA MArtEns | FP Die Münchner Fidor Bank wertet über eine eigene Community die Daten ihrer Kunden aus. Dadurch gewinnt sie tiefe Einblicke in das Privatleben der Klientel. Big Data unter Freunden Matthias Kröner, Gründer und Vorstand der Fidor Bank: „Das Herzstück ist bei uns die Community.“ Die Fidor Bank in Kürze Die Fidor Bank wurde im Jahr 2003 gegründet, zunächst unter dem Namen Kölsch Kröner & Co. Zum Gründungs- team gehörte Matthias Kröner, zuvor Vorstandssprecher der DAB Bank. 2009 erhielt Fidor eine Banklizenz. Die Internetbank bietet unter anderem Tages- und Festgeld- konten, Sparbriefe, Geldanlagen in Edelmetallen und Fremdwährungen, eine Kreditkarte sowie ein Firmengiro- konto für Geschäftskunden an.

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