FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

Hans Heuser (FONDS professionell): Nicht erst seit den jüngsten Reformvorschlägen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird eine zu geringe Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge in Deutschland diskutiert. Wo stehen wir heute im Hinblick auf die erreichte Verbreitung und eine Reform des bAV- Systems? Heribert Karch (Aba Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung): Wir sprechen im Zusammenhang mit der bAV heute von einem System, das neben einem Mitarbeiter- motivationssystem auch ein sozialstaatliches Subsystem zur Füllung einer vorhandenen Rentenlücke sein soll. Ich habe schon mehr- fach von der Halbzeit gesprochen, in der wir in dem 2002 angestoßenen Prozess einer bAV-Reform angekommen sind. Wir sehen dabei zum einen eine Zweiteilung – und das gleich in mehrfacher Hinsicht: einmal im Hinblick auf den Unterschied zwischen pri- vatem und öffentlichem Sektor, in Letzterem besteht durch die Zusatzversorgungssysteme ohnehin eine 100-Prozent-Abdeckung. Das führt in Zeiten, da eine zusätzliche Altersver- sorgung immer wichtiger wird, dazu, dass der öffentliche Dienst im Vergleich zur Pri- vatwirtschaft immer attraktiver wird. Das ist aus meiner Sicht eine problematische Ent- wicklung für Gesellschaft und Wirtschaft. Eine Zweiteilung gibt es aber auch im pri- vaten Sektor selbst, weil die Verbreitung der bAV innerhalb der unterschiedlichen Bran- chen der Wirtschaft sehr unterschiedlich ist. Insgesamt würde ich sagen, dass wir sicher keinen Grund haben, zu frohlocken, ganz zu schweigen von der bei Weitem noch zu gerin- gen Höhe hinsichtlich des zur Verfügung stehenden Versorgungskapitals. Deshalb kann man den Zustand der bAV in Deutsch- land wohl auf eine Art Kurzformel bringen, die lautet: zu geringe Verbreitung, zu gerin- ges Versorgungskapital und – wenn wir nicht aufpassen – bald auch schon zu spät im Hin- blick auf eine mögliche Reform. Marco Arteaga (DLA Piper UK): Wobei als zusätzliches Problem noch ein ganz anderer Aspekt hinzukommt: Wenn wir von den offi- ziellen Zahlen einer Ausdehnung des Ver- breitungsgrades der bAV von knapp unter 40 Prozent im Jahr 2002 auf heute rund 60 Pro- zent im Privatsektor ausgehen, dann hat diese Verbreitung fast nur im Bereich der Entgelt- 280 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 roundtable I bav Suche nach dem Neuanfang Die Diskussionsteilnehmer (v. l. n. r.): Uwe Deist (Büchner Barella), Michael Schwerdtle (Heysenberg), Bernd Steinhart (WWK Leben), Ilka Houben (GDV), Marco Arteaga (DLA Piper UK), Georg Schuh (Deutsche AWM), Andreas Beys (Sauren Fonds-Service), Nikolaus Schmidt-Narischkin (Towers Watson) Fotos: © Christoph Hemmerich In einer Runde von Experten aus Fondsindustrie, Versicherungswirtschaft und Verband sowie Consultants und Vertrieb diskutierte die Redaktion über die Zukunft der betrieblichen Altersversorgung. » Den Zustand der bAV in Deutschland kann man auf eine Art Kurzformel bringen, die lautet: zu geringe Verbreitung, zu geringes Versorgungskapital und – wenn wir nicht aufpassen – bald auch schon zu spät im Hinblick auf eine mögliche Reform. « Heribert Karch, Aba Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung

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