FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

281 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 umwandlung stattgefunden, in der Regel über die Direktversicherung. Wirtschaftlich betrachtet aber ist die Entgeltumwandlung verflixt nahe an der privaten Vorsorge, denn die Motivation geht in aller Regel von der Privatperson aus – vom Arbeitnehmer und nicht vom Arbeitgeber. Deshalb passiert da etwas im Grunde Absurdes: Versicherungs- vertriebe wie auch andere Finanzvertriebe sowie Banken ziehen los, weil sie wissen, da ist ein Produkt, das sich mehr oder weniger problemlos verkaufen lässt, ist es doch hoch subventioniert durch eine damit verbundene Ersparnis bei Sozialversicherungs- und Steuerabgaben. Das hat dann den Effekt, dass die Verbreitung zwar hochgetrieben wird auf vielleicht 60 Prozent, aber dahinter stehen dann eben in den meisten Fällen Individual- versicherungen, die mit der vollen Provision beladen sind, die wenigsten werden im Rah- men von Kollektivverträgen abgeschlossen. An dieser Stelle muss man der Versi- cherungswirtschaft schon den Vorwurf ma- chen, dass sie hier insofern Vorschub leistet, als massenhaft vermeintliche Kollektivver- träge abgeschlossen werden, die aber in Wahrheit stinknormale Einzelverträge sind. Das ist eigentlich nicht gemeint gewesen mit einer notwendigen Ausdehnung der bAV- Verbreitung. Nikolaus Schmidt-Narischkin (Towers Wat- son): Wobei man an dieser Stelle wirklich der Fairness halber fragen muss: Wie viel einfacher als eine Direktversicherung soll es denn noch werden bei der bAV? Bernd Steinhart (WWK Lebensversicherung): Aber selbst bei dieser Lösung werden ja immer noch genügend Fehler gemacht. Schlimm ist meiner Ansicht nach, dass das gesamte Thema der betrieblichen Vorsorge bei den meisten Arbeitgebern seit Langem extrem negativ behaftet ist. Wobei man sich eigentlich nicht darüber wundern kann: Wenn man als Berater heute zu einem Unter- nehmer mit, sagen wir, zehn oder 20 Be- schäftigten geht, dann winkt der in aller Regel von vornherein ab mit dem Hinweis, es seien schon mindestens vier andere – ich sage bewusst – Verkäufer hier gewesen, die erfolglos versucht hätten, die betriebliche Altersversorgung in seinem Betrieb voran- zubringen. Warum ist das so? Weil niemand eine grundlegende Finanzplanung aufgestellt hat, geschweige denn umfassend über alle mit der bAV verbundenen Aspekte informiert hat. In 90 Prozent der Fälle – und da muss ich Herrn Dr. Arteaga leider zu- stimmen –geht es nicht darum, ein für den Betrieb und seine Mitarbeiter sinn- volles bAV-System zu installieren, erst recht nicht seit der Umsetzung des LVRG. Es geht nicht mehr um die Frage, in welcher Form die Beiträge eigentlich angelegt werden oder wie hoch die In- vestmentquote tatsächlich ist und wie viel eigentlich im klassischen Dek- kungsstock landet. Es geht vielmehr nur noch um den reinen Produktverkauf und die damit erzielbare Provision. Uwe Deist (Büchner Barella): An dieser Stelle möchte ich dann aber schon eine Lanze für den Vertrieb brechen. Denn es ist ja keineswegs so, dass wir in der bAV lediglich solche Vertriebstruppen hätten, die dann nur teure Einzelverträge an den Mann oder die Frau bringen. Zudem muss man sicher auch der einen oder an- deren Versicherungsgesellschaft den Vorwurf machen, dass oft hohe Kosten in manchen Produkten versteckt waren. Wenn ein fondsgebundenes Produkt bis zu 25 Prozent immanente Kosten hat, dann kann am Ende natürlich kein zu- friedenstellender Ertrag herauskommen. Das hat der Branche sicher nicht gut getan. Wir als Makler haben eine durchschnittliche Pro- vision in unseren Beständen von 20 bis 22 Promille. Ich denke, das ist eine angemesse- ne Vergütung für eine umfassende Beratung, die wir in der bAV bieten. Wir betreuen ja auch unsere Bestände und beraten unsere Kunden und die Arbeitgeber schließlich auch während der gesamten Laufzeit. Aber ich räume ein: In kleinen und mittelständischen Unternehmen ist es tatsächlich so, dass man nicht mit der gesamten Komplexität der bAV auf Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zugehen darf. Denn vieles würden beide Seiten über- haupt nicht verstehen. Ohne Beratung ist des- halb das derzeitige System überhaupt nicht implementierbar. Dazu ist es viel zu kom- plex. Heuser: Was sagen Sie als Vertreterin des GDV, Frau Houben? Ilka Houben (GDV): Die Diskussion bisher macht meines Erachtens eines deutlich: Es besteht im Zusammenhang mit der bAV eine enorme Komplexität, die es zu reduzieren gilt. Ein wichtiger Hebel ist auch mehr Transparenz auf Seiten aller Beteiligten, das betrifft sowohl die Arbeitgeberseite als auch die Arbeitnehmerseite. Hier kann der Ver- trieb mit guter Beratung und Know-how viel beitragen. Es muss das Dilemma aufgelöst werden, das uns Befragungen immer wieder zeigen: Viele Arbeitgeber sagen, dass Mitar- beiter gar kein Interesse an der bAV haben, während zugleich viele Mitarbeiter monie- ren, sie seien gar nicht ausreichend infor- miert. Eine solche Situation, in der im Grun- de an keiner Stelle etwas weitergeht, ist nicht selten, gerade in kleinen und mittelständi- schen Betrieben. Ein gutes Instrument ist aus Ilka Houben (GDV): „Es besteht im Zusammenhang mit der bAV eine enorme Komplexität, die es durch eine größere Transparenz auf allen Seiten zu reduzieren gilt.“ » Wirtschaftlich betrachtet ist die Entgeltumwandlung verflixt nahe an der privaten Vorsorge, denn die Motivation geht in aller Regel von der Privatperson aus – vom Arbeitnehmer und nicht vom Arbeitgeber. « Marco Arteaga, DLA Piper UK

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