FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

Sicht des GDV die Einführung eines so ge- nannten freiwilligen Opting-outs. Ich spreche hier gerade nicht von einem Obligatorium, sondern von einem System, bei dem Arbeit- nehmer automatisch in die bAV einbezogen werden und sich bewusst gegen dieses frei- willige Angebot des Abreitgebers entschei- den müssten. Das könnte helfen, große kol- lektive Lösungen in den Betrieben voranzu- bringen, um dann darüber auch entsprechen- de Effizienzvorteile nutzen zu können. Heuser: Wenn nun mehrfach über die Not- wendigkeit von mehr Transparenz gespro- chen wurde, damit die bAV einfacher wird für den Arbeitgeber und durchschaubarer für denArbeitnehmer, stellt sich die Frage, ob ein neues System wie die Nahles-Rente überhaupt sinnvoll ist. Oder führt das nicht am Ende einfach nur zu einer noch größeren Komplexität? Arteaga: Aber im Gegenteil, die sogenannte Nahles-Rente ist doch das phänomenal Ein- fachste, was man sich vorstellen kann. Wir haben ein massives sozialpolitisches Pro- blem vor uns. Es gibt zehn Millionen Arbeit- nehmer, die bisher keine betriebliche Alters- versorgung haben. Diese Menschen wer- den allesamt, soweit sie im Jahr 2035 ins Rentenalter kommen, ein enormes Pro- blem haben. Viele werden auf die Grund- sicherung zurückgreifen müssen, vor al- lem die Bezieher niedriger Einkommen, bei denen die gesetzliche Rente nicht ausreichen wird. Die hätten eigentlich, so war der ursprüngliche Plan, seit 2002 ei- ne private und eine betriebliche Alters- vorsorge aufbauen sollen. Aber genau das hat ja weitgehend überhaupt nicht stattgefunden. Das heißt nichts anderes, als dass auf die Politik ein erhebliches Problem im Hinblick auf Altersarmut zu- kommt, verstärkt ab dem Jahr 2035. Das ist ja genau der Grund, warum heute ge- handelt werden muss, und deshalb steht ja ein Ausbau der betrieblichen Altersver- sorgung als Ziel im Koalitionsvertrag. Nun hat das Bundesministerium für Ar- beit und Soziales seinen Vorschlag dazu vorgelegt, verbindliche bAV-Verträge über die Tarifparteien einzuführen. Dann hätten zumindest einmal alle tarifgebun- denen Unternehmen automatisch eine be- triebliche Altersversorgung. Deshalb gibt es den Absatz 2 in diesem neuen Paragraf 17b des Betriebsrentengesetzes, wonach dann auch kleinere, nicht tariflich gebundene Unternehmen sich einem größeren System anschließen können. Einfacher geht es nun wirklich nicht. Hinter den Bemühungen, die- sen neuen Vorschlag zu zerreden, stehen aus meiner Sicht die massiven Interessen der Versicherungswirtschaft. Natürlich könnte man alternativ durchaus auch über die Ein- führung eines Opting-out-Modells im Rah- men der bereits bestehenden bAV-Durchfüh- rungswege sprechen. Dann aber müssten die Versicherer zumindest auch glaubhaft ma- chen, dass es darüber möglich sein wird, in zwei oder drei Jahren auch im Privatsektor eine bAV-Verbreitung von annähernd 100 Prozent zu erreichen. Sonst wird es auch mit dem Opting-out so kommen, wie wir das ähnlich schon bei der Riesterrente erlebt ha- ben, nämlich dass auch die bAV zu einer Li- zenz zum Gelddrucken für Leute wie Carsten Maschmeyer verkommt. Andreas Beys (Sauren Fonds-Service): Ich würde gern einen Schritt zurückgehen und die Frage stellen, was eigentlich wäre, wenn es das bAV-System mit seinen unterschied- lichen Durchführungswegen, so wie es heute existiert, noch gar nicht gäbe und man es neu erfinden müsste. Ich würde mich wundern, wenn man dabei auf die Idee käme, die ent- sprechenden Lösungen genau so zu ent- wickeln, wie sie heute existieren. Denn die Zinssituation war doch in der Vergangenheit eine ganz andere. Von daher war die ur- sprüngliche Annahme, man werde ohne Mü- he eine ausreichende Rendite erzielen, um bis zum Ende der Laufzeit einen garantierten Ertrag in einer bestimmten Höhe bereitzu- stellen, vielleicht damals nicht falsch. Das ist aber heute einfach nicht mehr der Fall. Der IWF warnt schon jetzt vor erheblichen Pro- blemen, auf die die Versicherungsbranche eventuell zusteuern könnte. Im schlimmsten Fall werden wir in einigen Jahren vor einer immensen gesellschaftlichen Problematik stehen, die dann nicht nur die bAV betreffen wird, sondern auch die private Altersvorsor- ge, nur weil man unbedingt an einem System von Garantien festhalten will. Mir ist natür- lich klar, dass ein vollkommener Neustart nicht so einfach möglich ist. Aus diesem Grund sehe ich zumindest die mit dem BMAS-Vorschlag eingebrachte Idee einer reinen Beitragszusage mit Mindestleistung als einen Schritt in die richtige Richtung. Denn das würde bestimmte Probleme wie die schon angesprochene Komplexität der bAV, aber auch das Haftungsthema und die heute oft notwendige Bildung von Rückstellungen erheblich entschärfen. Ich will ja gar nicht generell gegen Versicherungslösungen argu- mentieren, aber im Bereich der Garantien werden viele Unternehmen erhebliche Pro- bleme bekommen. Außerdem glaube ich schon, dass man dem Bürger wieder mehr Ei- genverantwortung zutrauen und ihm letzt- endlich auch mehr Freiheit geben sollte, wie er für sein Alter spart. Dann könnte er selbst entscheiden, ob er lieber in einem Investmentfonds anspart oder eben mit einer Versicherung. Und der Arbeitgeber hätte ein- fach nur die Aufgabe, den Beitrag auf eine Art Vorsorgekonto einzuzahlen, das dann Bernd Steinhart (WWK Leben): „Es geht nur noch um den reinen Produktverkauf und die damit erzielbare Provision.“ 282 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 roundtable I bav Foto: © Christoph Hemmerich » Schlimm ist meiner Ansicht nach, dass das gesamte Thema der betrieb l ichen Vorsorge bei den meisten Arbeitgebern seit Langem extrem negativ behaftet ist. « Bernd Steinhart, WWK Lebensversicherung

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