FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

Georg Schuh (Deutsche AWM): Die Fondsin- dustrie wird sich mit entsprechenden eigenen Lösungsvorschlägen so lange schwertun, wie in einem bAV-System weiterhin an einer Mindestgarantie festgehalten wird. Denn ei- ne garantierte Leistung in einer bestimmten Höhe anzubieten ist eigentlich das Kernge- schäft der Versicherungen. So lange wir bei der „unsinnigen“ Garantie bleiben und auch in der bAV die null Prozent oder eben sogar eine noch höhere Verzinsung zusagen, wird sich die Fondsindustrie naturgemäß mit Vor- schlägen zurückhalten. Aber genau da liegt ja das größte Problem. Denn es wird aufgrund der Niedrigzinsphase noch große Enttäu- schungen im Hinblick auf zugesagte Garan- tien geben, wenn wir es nicht schaffen, quasi eine Öffnung in Richtung mehr Risiko und damit verbunden höhere Erträge über andere Anlageformen wie zum Beispiel einen höhe- ren Aktienanteil hinzubekommen. In dieser Hinsicht könnte die Fondsbranche natürlich sehr wohl einen eigenen Beitrag leisten. Schwerdtle: Gerade deshalb bietet sich eine Kombination aus Fondsindustrie und Versi- cherungswirtschaft an, denn es geht ja nicht darum, einen von beiden zu verteufeln. Im Grunde brauchen sich beide gegen- seitig. Die Versicherungswirtschaft muss das Langlebigkeitsrisiko ab- decken, das geht nur über ein mög- lichst großes Kollektiv. Und die Fondsindustrie ist sicherlich eher ge- eignet, kostengünstig und renditeori- entiert Kapital aufzubauen. Die Geld- anlage im Versicherungsmantel wird immer eine schlechtere Kostenstruk- tur haben als die Fondslösung. Schuh: Wobei man sicher ergänzen sollte, dass das Modell einer Garantie von null oder sogar mehr Prozent früher sicher kein Fehler war. Aber man muss bedenken, dass wir heute in einem vollkommen anderen Kapi- talmarktumfeld unterwegs sind. Wir können es uns einfach nicht mehr lei- sten, uns weiterhin in der „Sozialro- mantik“ einer nicht mehr exis- tierenden Hochzinsphase zu bewe- gen. Deswegen ist aus meiner Sicht ein grundsätzliches Umdenken von- nöten. Wir müssen uns einfach einge- stehen, dass wir die demografische Entwicklung unterschätzt und die Zinsentwicklung überschätzt haben. Denn jetzt kommen die Folgen dieser Fehl- einschätzungen gewissermaßen wie ein Bu- merang zu uns zurück. Deshalb müssen wir meines Erachtens weg von der jetzt noch ver- breiteten Garantiedenke. Das heißt ja nicht, dass man einem Arbeitnehmer nun das volle Kapitalmarktrisiko zumuten oder aufbürden sollte. Es wird vielleicht nicht ganz so ein- fach sein, das den Begünstigten zu erklären, aber ich glaube, man kann auch den Vorsor- gesparern in der betrieblichen Altersversor- gung durchaus mehr zutrauen. Mein Vor- schlag wäre, die Garantie sozusagen auf mi- nus zwei oder minus drei Prozent, um eine Größenordnung in den Raum zu werfen, zu senken. Dann haben wir zumindest wieder eine Chance, eine halbwegs auskömmliche Rendite zu erwirtschaften, indem man ver- sucht, über einen höheren Anteil an langfri- stigen Risikoprämien auch einen höheren Gesamtertrag über die Laufzeit hinweg zu er- zielen. Ich glaube sogar, dass die meisten Ar- beitnehmer eher bereit wären, ein höheres Risiko, verbunden mit der Chance auf einen angemessenen Ertrag in Kauf zu nehmen, als am Ende einer langen Ansparphase lediglich ihre eingezahlten Beiträge zurückzuerhalten. Karch: Ich würde gern auf den Einwand von Herrn Beys zurückkommen. Ich bin immer sehr dafür, sich erst einmal zurückzulehnen und sozusagen alles von der grünen Wiese her neu zu überlegen. Die Erfahrung zeigt uns aber, dass Veränderungen an bestehenden Systemen immer sehr pfadabhängig sind. Man kann sich von dem existierenden bAV- System nicht durch ein Hard Reset lösen. Selbst wenn wir etwas Neues hinzusetzen, existiert das Alte weiter und muss trotzdem diese Komplexität bewältigen. Damit würden wir im Grunde nichts gewinnen, mehr noch: Wir würden etwas Neues andocken, das dann Nikolaus Schmidt-Narischkin (Towers Watson): „Der Fair- ness halber muss man fragen: Wie viel einfacher als eine Direktversicherung soll es denn werden bei der bAV?“ Michael Schwerdtle (Heysenberg): „Die Geldanlage im Versicherungsmantel wird immer eine schlechtere Ko- stenstruktur haben als die Fondslösung.“ 284 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 roundtable I bav Foto: © Christoph Hemmerich » Es bietet sich eine Kombination aus Fondsindustrie und Versiche- rungswirtschaft an, denn es geht ja nicht darum, einen von beiden zu verteufeln. Im Grunde brauchen sich beide gegenseitig. « Michael Schwerdtle, Heysenberg

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