FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

auch wieder erklärt werden muss. Deswegen sind wir von der Aba dagegen, etwas Neues zu etablieren, und würden es vorziehen, be- stimmte Stellschrauben so klug zu drehen, dass vieles, was im jetzigen System als viel zu komplex wahrgenommen wird, einfacher verständlich wird. Natürlich versteht kein Mensch zur Gänze eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse. Aber darauf kommt es auch gar nicht an, denn mein Auto oder mein Handy verstehe ich auch nicht in all ihren Funktionen. Ich benutze sie dennoch jeden Tag ohne große Mühe. Deshalb ist das Wichtigste, auch beim Thema bAV, die Men- schen – ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer – in die Lage zu versetzen, eigene Handels- kompetenz zu entwickeln. Heuser: Sonst würden wir ohnehin Gefahr laufen, ein vom Gesetzgeber verordnetes Obligatorium in der betrieblichen Alters- versorgung zu bekommen , einfach weil es gar nicht mehr anders gehen wird. Es gibt schon heute in der gesetzlichen Rentenver- sicherung so viele Probleme, dass eine Re- gierung eventuell gar nicht mehr umhin- kommen wird, eine zusätzliche obligatori- sche Vorsorge einzuführen, weil sie sonst Gefahr läuft, dass künftig breite Schichten der Bevölkerung, vor al- lem aber Bezieher niedrigerer Ein- kommen, im Alter nicht ausrei- chend versorgt sind. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für ein sol- ches Szenario? Steinhart: Ich glaube nicht an das Obligatorium, weil auch in einem solchen System der Arbeitnehmer sein Nettogehalt braucht, das heißt, ein Obligatorium müsste über zusätz- liche Arbeitgeberkosten finanziert werden. Allein deshalb schon würde es Widerstand dagegen geben. Wenn es um den großen Wurf geht, um die Verbreitung der bAV voranzutreiben, dann müsste man als Erstes einfach nur an drei Stellschrauben drehen: Wir brauchen eine Portabilität, bei der die Übertragung von einem Versi- cherer zum anderen nicht zwölf Mo- nate dauert, das muss sehr viel einfa- cher werden. Zweitens benötigen wir ein Aufbohren der Steuer- und Sozi- alabgabenfreiheit von Beiträgen von derzeit vier auf acht Prozent der Bei- tragsbemessungsgrenze. Und schließlich brauchen wir ein Versicherungs- produkt, bei dem die Abschlusskosten von, sagen wir, 20 Promille über die gesamte Laufzeit verteilt werden. Das ist sicher ein Lernprozess, aber dann hätten wir einen Durchbruch. Und dann bräuchte es auch kei- ne Nahles-Rente und kein neues Aba-Modell. Schwerdtle: Ein Obligatorium erwarte ich nicht, schließlich leben wir in einem Land, in dem der Bürger mündig ist und in der Lage sein sollte, auch solche Entscheidungen selbst zu treffen. Ein Opting-out halte ich dagegen für einen guten goldenen Mittelweg, der in anderen Ländern auch schon funktioniert, warum dann eigentlich nicht in Deutschland? Lieber die fünf vorhandenen Durchführungs- wege so verschlanken, dass es vielleicht nur noch zwei oder drei gibt. Einer davon ist dann halt dieses Opting-out Modell mit einer möglichst einfachen Produktklassifizierung dahinter, bei der die Investmentbranche gefordert ist. Deist: Ein Obligatorium erwarte ich so lange nicht, wie wir den Paragraf 1 Absatz 1 Satz 3 im Betriebsrentengesetz haben, wonach der Arbeitgeber eine bestimmte Leistung zusagt und damit auch haftet für das, was er zusagt. Houben: Ein Obligatorium wäre für die Wirt- schaft nachteilig, weil zusätzliche Kontroll- pflichten und zusätzliche Bürokratie auf die Unternehmen zukämen. Das wäre gerade für den Mittelstand wieder ein neuer Hemm- schuh in einer Situation, in der wir gerade über mehr Entbürokratisierung weiter Schwung in die Wirtschaft bekommen wol- len. Auch die Politik würde vermutlich den Kontrollaufwand scheuen, denn es müsste Georg Schuh (Deutsche AWM): „Wir können es uns nicht mehr leisten, uns weiterhin in der ,Sozialromantik‘ einer nicht mehr existierenden Hochzinsphase zu bewegen.“ Uwe Deist (Büchner Barella): „Wir werden über neue Ver- gütungsmodelle nachdenken müssen.“ 286 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 roundtable I bav Foto: © Christoph Hemmerich » Es wird aufgrund der Niedrigzinsphase noch große Enttäuschungen im Hinblick auf zugesagte Garantien geben, wenn wir es nicht schaffen, quasi eine Öffnung in Richtung mehr Risiko und damit verbunden höhere Erträge über andere Anlageformen hinzubekommen. « Georg Schuh, Deutsche AWM

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