FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

304 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 steuer & recht I versicherungsver trieb I m Frankfurter Westhafentower regiert der Rotstift: Wegen Budgetkürzungen muss am Sitz der EU-Versicherungsaufsicht EIOPA eine Reihe von Projekten eingestellt werden. Ein Vorhaben jedoch bleibt davon unberührt: die stärkere Kontrolle des Versi- cherungsvertriebs via Internet. Schon das zeigt, wie ernst die Aufseher diesen boomen- den Vertriebskanal nehmen. Bereits im Jahr 2014 legte die Behörde drei Dokumente zum Thema vor, und auch Brüssel hat den Inter- netvertrieb auf dem Schirm. In der Neufas- sung wird die EU-Vermittlerrichtlinie IMD (Insurance Mediation Directive) zur IDD (In- surance Distribution Directive) – die Namens- änderung signalisiert, dass nicht mehr nur die Vermittler, sondern alle Vertriebskanäle regu- liert werden. Auch wenn die IDD noch zwi- schen EU-Parlament, Kommission und Minis- terrat ausgehandelt werden muss und die EIOPA-Dokumente keine rechtlich bindende Wirkung haben, ist schon heute klar: Auf die Versicherungsbranche kommt einiges zu, ins- besondere mit Blick auf den Onlinevertrieb. In Deutschland spielt dieser Absatzkanal zwar noch eine Nebenrolle, europaweit ist er aber schon sehr wichtig (siehe Grafik). In ihrem jüngsten „Opinion Paper“ spricht die Behörde einige Punkte an, die sie am Internetvertrieb stören. Ihr Hauptanliegen be- steht in einer besseren Kundeninformation. So würden Verbraucher insbesondere bei Vergleichsportalen dazu tendieren, ihre Wahl nur nach dem Preis zu treffen. Andere wich- tige Details seien oft unzureichend aufbereitet. Das Ergebnis: Kunden enden mit Pro- dukten, die nicht ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Bereits einige Monate zuvor hatte die Behörde die Intransparenz der Rankings bei Ver- gleichsportalen moniert. Die Versicherungsaufseher kommen außerdem zu dem Schluss, dass sich Ver- gleichsportale für bestimmte Produkte wie Lebenspolicen gar nicht eignen, weil für deren Auswahl neben dem Preis zahl- reiche weitere Informationen benötigt werden. Die Behörde deutet hier sogar die Möglichkeit eines Verbots an. In einem im Oktober veröffentlichten Konsulta- tionspapier führt sie den Begriff des „Ziel- marktes“ ein. Im Klartext heißt das, Versiche- rer sollen bei jedem Produkt dafür sorgen, dass sie den passenden Vertriebskanal aus- wählen. Und das könnte darauf hinauslaufen, dass Portale und Direktversicherer komplexe Lebenspolicen nicht mehr verkaufen dürfen. Beratung als Option Auch die IDD beschäftigt sich mit dem Internetvertrieb. Die Direktive unterscheidet zwischen Verkauf und Beratung: Bei Ersterem muss der Vertrieb auf Basis der Wünsche und Bedürfnisse des Kunden ein oder mehrere Produkte vorschlagen. Bei der personalisierten und auch nur als Option beschriebenen Bera- tung muss der Verkäufer zudem im Detail erklären, warum er ein Produkt empfiehlt. Beide Vorgaben spiegeln sich schon heute weitgehend im deutschen Versicherungsver- tragsgesetz (VVG) wider. Demnach hat der Vertrieb einen Kunden „nach seinen Wün- schen und Bedürfnissen zu befragen und zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat an- zugeben“. Noch sind die deutschen Direkt- versicherer und Portale von den Beratungs- pflichten des VVG ausgenommen, unter dem IDD-Regime wird sich das aber ändern. Dann müssen sie im Internet deutlich mehr Infor- mationen bieten. Steffen Schording, Geschäftsführer des zur Gothaer gehörenden Direktversicherers Asstel, bleibt entspannt: „Wir müssten nicht viel um- stellen, denn wir präsentieren unseren Kunden bereits eine umfassende Auswahl an Informa- tionen, ergänzt um die Möglichkeit einer tele- fonischen Beratung. Im Zuge der Umsetzung unserer Multikanalstrategie kommt dann noch die persönliche Beratung hinzu.“ Dennoch dürfte die IDD wohl dafür sorgen, dass sich viele Portale und Direktversicherer auf den schlichten Verkauf von Policen be- schränken und die Finger von der aufwendi- geren Beratung lassen – vor allem für kom- plexe Produkte. „Das Problem besteht darin, dass sich die Kunden durch viele Dokumente durchklicken müssten. Eine komplizierte digitale Beratung ist nicht wünschenswert“, sagt Christian Wiens, Chef des Onlinemaklers Plan Forward. „Wenn keine personalisierte Empfehlung ausgesprochen werden muss, ist es einfacher, die Bedürfnisse per Eingabe- maske abzufragen und dann Vorschläge zu machen, aus denen der Kunde selbst auswäh- len muss“, ergänzt Oliver Pradetto, Geschäfts- führer des Maklerpools Blau Direkt. „Die Bereitstellung einiger standardisierter Informationen ist noch keine Beratung“, be- tont auch Marco Gerhardt, Partner der auf den Finanzsektor spezialisierten Unternehmensbe- ratung Innovalue. Er empfiehlt Direktvertrie- ben, sich mit Technologien wie Co-Browsing und Videoberatung an erklärungsbedürftige Produkte heranzuwagen. Für Portale mit schmalem Budget ist das aber wohl zu teuer. Positiv für Makler? Welche Auswirkungen die Regulierungs- pläne der EU für „klassische“ Makler konkret haben werden, ist noch nicht abzusehen, da die finale Version der IDD noch aus- steht. Der Trend ist aber klar: „Die zuneh- mende Regulierung wird die Abschluss- strecken im Direktvertrieb deutlich ver- komplizieren“, sagt Gerhardt, „zumin- dest kurzfristig kann das dafür sorgen, dass Kunden wieder verstärkt die persön- liche Beratung suchen und sich an Mak- ler wenden.“ Langfristig wird die Kon- kurrenz aus dem Netz allerdings höch- stens gebremst, keinesfalls aber ver- drängt. Gerade in Deutschland hat dieser Vertriebskanal schließlich noch viel Auf- holpotenzial. JEns BrEDEnBals | FP Der Internetvertrieb macht klassischen Maklern zunehmend Konkurrenz. Jetzt nimmt sich die EU-Versicherungsaufsicht auch diesen Vertriebskanal zur Brust. Die Online-Police im Visier Online-Policenvertrieb in Europa In Deutschland werden so wenige Versicherungen via Internet oder Telefon vertrieben wie nirgendwo sonst in Europa. Quelle: Insurance Europe 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % Deutschland … … Ø Europa Finnland Niederlande Kroatien Neugeschäft Nicht-Lebenspolicen 2012 über Direktkanäle 71 % 60 % 46,2 % Ø 45,5 % 4,6 %

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=