FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

4 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 brief der herausgeber M achen wir uns nichts vor: Ein Großteil unserer Bevölkerung ist längst smartphonesüchtig. Wer nach der Landung des Flugzeugs nicht in der ersten Sekunde, in der es gestattet ist, den Flugmodus seines Smartphones abdreht, ist die Ausnahme, nicht die Regel. In Restaurants, selbst während wichtiger Bespre- chungen und häufig auch während des Autofahrens schweift der Blick immer wieder auf Blackberry, iPhone und Co. Ob man das gut findet oder nicht, soll nicht Gegenstand unserer Kolumne sein, es geht vielmehr darum, wie man als Finanzberatungsunternehmen mit diesem Thema umgeht. Die Boston Consulting Group kam nach einer im Frühjahr publizierten Umfrage, die weltweit durchgeführt wurde, zu dem Schluss, dass im „Wealth Management“ heute noch zu wenig auf mobile Technologien gesetzt wird. Das höchste der Gefühle ist in den meisten Fällen ein Online-Banking-Zugang, über den man sein Depot betrachten und eventuell eine Aufteilung nach Assetklas- sen abrufen kann. Man könnte natürlich sagen: Das ist doch auch ge- nug. Die Frage ist ja nicht, was technisch möglich wäre, sondern was sich der Kunde wünscht. Und da klafft leider eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage – jedenfalls ist dies das Ergebnis der Studie. In der wurde abgefragt, was einerseits die Finanzdienstleister anbieten und was sich die Kunden andererseits wünschen würden. Zufrieden- stellend sind hier nur die Ergebnisse für die erwähnten simplen Informationsangebote „Portfolioansicht“ und „Transaktionsübersicht“ und das wiederum nur für PC und Laptop. Wer diese Informationen gern mit seinem Tablet-Computer oder gar auf seinem Smartphone sehen will, hat mehrheitlich Pech gehabt. Für iPad und Co. bieten weniger als 60 Prozent der befragten Firmen entsprechende Lösungen an, mehr als 60 Prozent der Kunden hätten das aber gern. Und beim Mobiltelefon wird das Verhältnis noch schlechter. Weniger als 40 Pro- zent der Wealth Manager bieten ihren Kunden dafür ein Tool, mehr als 40 Prozent der Kunden würden sich das jedoch wünschen. Onlinezugriff auf Verträge und Policen stellen die Finanzdienstleister schon für den PC eher selten zur Verfügung, für Tablet und Smartphone gibt es das aber so gut wie gar nicht. Aber auch hier würden sich zwischen 20 und 40 Prozent der Kunden dafür inter- essieren. 20 Prozent klingt nun nach eher wenig, dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass gerade die Klienten, die die höchsten Ansprüche stellen, auch jene sind, die man am schnellsten verliert. Und da in der Sparte Wealth Management ohnedies ein harter Ver- drängungswettbewerb herrscht, ist jeder verlorene Kunde ein Pro- blem. Noch schlechter als bei Informationen über den Bestand sieht die Sache bei jenen Themen aus, die Neugeschäft bringen könnten. Marktanalysen und Marktdaten werden mehrheitlich bestenfalls für den PC bereitgestellt. Zwischen 60 und 100 Prozent der Kunden wür- den sich das auch für ihr Tablet oder ihr Smartphone wünschen, leider bieten nur 20 bis 40 Prozent eine solche Informationsschiene an. Diese Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ist insofern erstaunlich, als sie sich vergleichsweise leicht schließen ließe. Das Researchmaterial liegt vor, und es für mobile Geräte abfragbar zu machen sollte keine große technische Herausforderung sein. Am schlechtesten sieht es jedoch bei einem Thema aus, das das größte Geschäftspotenzial hätte: maßgeschneiderte Investmentange- bote. Das bieten weniger als 40 Prozent der Unternehmen an, und falls doch, dann nur für den PC, für Tablet und Smartphone gibt es das bei weniger als 20 Prozent der Anbieter. Das wäre auch halb so schlimm, wenn nicht mehr als 60 Prozent der Anleger angeben wür- den, dass sie das gern am Tablet beziehungsweise Smartphone (mehr als 40 Prozent) hätten. In einer früheren Umfrage des Consultants hatten 75 Prozent der Vermögensverwaltungskunden angegeben, dass sie sich mehr Multi-Channel-Interaktionsangebote wünschen würden, als man ihnen bietet. Das Angebot in diesem Bereich ist besonders dünn. Weder Videokonferenzen noch Online-Chats mit Beratern oder Experten werden in der Regel angeboten, auch Interaktionsmöglich- keiten über Social-Media-Plattformen sind Mangelware. All das könnte man als Anbieter ignorieren, wenn es nicht zur selben Zeit eine wachsende Zahl von Robo-Advisors gäbe, die fast ausschließlich via Internet mit ihren Kunden kommunizieren. Sie verfügen daher über die dafür nötigen Werkzeuge und setzen somit Standards. Immer noch nicht alarmiert? Nun, der Einzelhandel hätte sich vor 15 Jahren wohl auch nicht vorstellen können, dass Amazon eines Tages sogar Kartoffelchips versendet – und dass die auch bestellt werden. Wir wünschen Ihnen an dieser Stelle wie jedes Jahr einen ebenso erfolgreichen wie erholsamen Sommer! Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Ausgerechnet die Oberliga der Vermögensverwaltung ist beim Einsatz digitaler Medien für mobile Geräte vergleichsweise zurückhaltend. Das könnte sich als Fehler erweisen. Digitale Lücke Mamdouh El-Morsi, Gerhard Führing

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