FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

88 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 markt & strategie I zinswende Foto: © A1stock | Dreamstime.com B einahe hätte sich der alte Witz über die Phönizier überlebt, indem beklagt wird, dass diese zwar das Geld erfun- den haben, allerdings viel zu wenig davon. Wenn sich der Preis einer Sache von ihrer Verfügbarkeit ableiten lässt, hätte in den ersten Monaten dieses Jahres wohl kein Geldmangel herrschen können. Wie sonst hätte es sein können, dass die Bereitstellung von Geld nicht nur keine Zinsen brachte, sondern sogar Kosten verursachte? Mittlerweile normalisiert sich die Lage allerdings schon wieder. Seit Anfang Mai fällt die Anzahl der europäischen Staatsanleihen, die eine negative Rendite auf- weisen, wieder. In der Spitze war mehr als ein Drittel dieser Bonds von dem Paradoxon negativer Zinsen betroffen, Mitte Mai war es „nur“ noch ein Viertel. Nun stellen sich alle Marktteilnehmer die Frage, ob der „Flash- Crash“ am Rentenmarkt bereits das endgülti- ge Ende der Renditetalfahrt markierte oder ob es sich dabei nur um eine Korrektur in einem intakten Trend handelte. Angesichts des Rück- schlagpotenzials ist die Nervosität der Anlei- henbesitzer berechtigterweise stark gestiegen. Sollte sich hier tatsächlich ein nachhaltiger Renditeanstieg abzeichnen, wird der wohl im ersten Schritt crashartige Züge tragen, weil bereits viele spekulativ orientierte Marktteil- nehmer – allen voran Hedgefonds – nur da- rauf warten, hier mit Short-Positionen Kasse zu machen. Schon die zurückliegenden Kurs- bewegungen waren – relativ betrachtet – spektakulär. Zehnjährige deutsche Staatsan- leihen verdoppelten binnen kürzester Zeit ihre Rendite auf 0,7 Prozent. Absolut gesehen ist das natürlich nach wie vor wenig. Noch mehr legten die Renditen von Schweizer Staats- anleihen mit zehn Jahren Laufzeit zu – von 0,01 auf fast 0,1 Prozent, was beinahe einer Verzehnfachung der Rendite entspricht. Rund um den Nullpunkt erscheint natürlich jede Veränderung „groß“. Dennoch befürchten etliche Kommentatoren, dass dies erst der An- fang war. Rückblick ins Jahr 1994 Interessant ist in diesem Zusammenhang der Vergleich mit historischen Phasen stark steigender Renditen. Diesbezüglich herrscht nach 35 Jahren Rentenhausse naturgemäß Mangel, einzig das Jahr 1994 ist allen An- leihenprofis, die schon etwas länger aktiv sind, noch in böser Erinnerung. Damals er- höhten sich die Renditen von rund fünf auf rund acht Prozent, womit 1994 als schlech- testes Rentenjahr der jüngeren Geschichte endete. Das US-Magazin „Fortune“ titelte damals „Das große Bond-Massaker“, weil Anleihenbesitzer in diesem Jahr weltweit in Summe rund 1.500 Milliarden US-Dollar verloren hatten. Was passierte damals? Die Rentenmarktentwicklung im Mai war für Anleger weltweit ein Schock. Ist das lange angekündigte und von allen gefürchtete ultimative Zinstief erreicht? Turnaround ängste Die Frage, ob die Rentenmärkte das Ende ihres Höhenflugs und damit den Tiefpunkt der Renditen erreicht haben, beschäftigt derzeit jeden professionellen Anleger. Die Argumente dafür und dagegen halten sich derzeit die Waage. Bond-Crash Anfang Mai: Wie schlimm war es wirklich? Wie eine etwas stärkere Marktbewegung wahrgenommen wird, hat sehr viel mit der Berichterstattung in den Medien zu tun. Gefühlt war der Rücksetzer an den Rentenmärkten Anfang bis Mitte Mai ein besonderes Ereignis, tatsächlich gab es seit 2010 aber wesentlich dramatischere Wertvernichtungen, die allerdings nicht auf so viel mediale Resonanz stießen. Wenn man die „verlorenen“ Beträge präsentiert bekommt, darf man nicht übersehen, wie enorm groß die globalen Rentenmärkte mittlerweile sind, „ein paar Dutzend Milliarden“ sind da schnell gewonnen oder zerronnen. Die Nachrich- tenagentur Bloomberg hat die sieben letzten unerfreulichen Bewegungen am Rentenmarkt gegenübergestellt, und da nimmt sich der Mai 2015 plötzlich nur mehr halb so tragisch aus. Auslöser der Marktbewegung Datum Dauer Renditeanstieg Marktwert- Start Tage Basispunkte * verlust 1. Ausbruch Eurokrise 11. 10. 2010 65 54 724 Mrd. USD Gute Arbeitslosendaten USA 20. 3. 2012 14 16 452 Mrd. USD 2. Höhepunkt Eurokrise 16. 8. 2012 26 10 69 Mrd. USD Tapering-Ankündigung der US-Notenbank 2. 5. 2013 126 58 714 Mrd. USD Flash-Crash 2014 6. 11. 2015 18 19 741 Mrd. USD Gute Arbeitslosendaten USA 30. 1. 2015 18 19 174 Mrd. USD Flash-Crash Mai 2015 24. 4. 2015 17 20 ** 280 Mrd. USD *gemessen am Bloomberg Global Developed Bond Index **Stand 14.5.15 Quelle: Bloomberg

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