FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2015

92 www.fondsprofessionell.de | 2/2015 die Zinswende spricht, und das ist das Quan- titative Easing der EZB. Ein Markt kann nur längerfristig auf Talfahrt gehen, wenn sich alle Teilnehmer auf der Verkäuferseite versam- meln, ohne auf ein Gegenüber zu treffen. Das Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank ist aber eben erst angelaufen, bisher wurde nur etwa zehn Prozent der angekündigten Käufe getätigt. Für David Tan, Leiter weltweites Renten- management bei J.P. Morgan Asset Manage- ment, ist das Grund genug, keinen Renten- crash zu erwarten. „Man muss bedenken, dass man die EZB auf der anderen Seite des Ge- schäfts hat“, so Tan. „Wir scheuen uns zu sa- gen, dass wir definitiv das Renditetief gesehen haben.“ Auch andere Kommentare verweisen darauf, dass es sich in der Vergangenheit noch nie wirklich ausgezahlt hat, sich allzu voreilig gegen die Politik einer Zentralbank zu stellen. Erst recht nicht gegen eine EZB, die mehr als 1,14 Billionen Euro in die Märkte pumpen wird, um die Zinsen unten zu halten und so Kreditvergabe und Wirtschaft anzukurbeln. Und es gibt aber noch ein weiteres gutes Argument gegen die Befürchtung, die Anlei- henmärkte könnten eine schlimme Zeit vor sich haben. Bisher herrscht bei den meisten Marktteilnehmern darüber Konsens, dass die Gefahr von steigenden Zinsen von den USA ausgeht. Da, so die häufig kolportierte Ein- schätzung, werde ab September dieses Jahres, manche nennen auch den Januar 2016 als Starttermin, die Zinsschraube fester gezogen. Das ist aber keineswegs so sicher. Ein allfäl- liger Zinsschritt der Fed wäre ja nur durch ei- ne nachhaltige Stabilisierung der US-Kon- junktur zu rechtfertigen. Von der kommen al- lerdings nach wie vor äußerst gemischte Si- gnale. In jüngerer Zeit mehren sich auch die Bedenken, welche Auswirkungen die Dollar- kursentwicklung haben wird. Der Arbeits- markt der USA hat sich bis heute nicht wirk- lich vom Zusammenbruch des Jahres 2008 er- holt. Jüngsten Angaben des Institute for Sup- ply Management zufolge beginnt die Jobma- schine der amerikanischen Industrie bereits zu stottern. Während 2014 rund 200.000 neue Arbeitsplätze entstanden, waren es in den er- sten Monaten dieses Jahres nur 4.000. Mehr- heitlich geht man davon aus, dass dies einer Kombination aus der Konjunkturflaute in Europa, den Einnahmenausfällen in den ölex- portierenden Staaten und dem starken US- Dollar zuzuschreiben ist. Eine allfällige Zins- anhebung durch die Fed würde die US-Wäh- rung vermutlich noch stärker steigen lassen, und damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert, heute geringer als noch vor wenigen Monaten. So gesehen besteht also noch kein Grund zur Panik – und dass die Rentenmärkte brandgefährlich sind, ist ja nichts Neues. GERHARD FüHRING, HANS HEUSER | FP markt & strategie I zinswende Foto: © Pimco Wie kommt es zu Negativzinsen? Intuitiv sind negative Zinsen ein Ding der Unmöglichkeit, denn der Sparer hat die Alternative der Bargeldhaltung, die ihn zumindest nichts kostet. Wie kommt es also trotz- dem zu diesem Phänomen? Tatsächlich gibt es dafür sogar mehrere mögliche Auslöser. Der „vernünftigste“ davon ist der Versuch einer nationalen Notenbank, die Aufwertung ihrer Währung zu verhindern. Das passiert bei „kleineren“ Währungen sehr rasch, wenn sie den Status einer Fluchtwährung haben. Das bekannteste Beispiel ist natürlich der Schweizer Franken. Und tatsächlich griff die Schweizer Nationalbank schon anno 1964 und neuerlich 1971 zu diesem Mittel. 1971 passierte es, um den Kapitalzustrom aus dem US-Dollar-Raum zu stoppen. In den USA herrschte damals infolge der Aufkündigung des Bretton-Woods-Abkommens eine Währungskrise. Auch Dänemark und Schweden gingen am Höhepunkt der Eurokrise im Jahr 2010 diesen Weg, die Notenbanken führten negative Leitzinsen ein, um die Aufwertung ihrer Währungen zu bremsen. Solche lokal initiierten Phasen negativer Zinsen oder „Strafzinsen für Ausländer“ sind somit nicht ungewöhnlich und auch logisch begründet. Zudem handelte es sich in der Vergangenheit um ein temporäres Phänomen, da jede Währungskrise früher oder später gelöst wird. Die Negativzinsen, die wir seit einigen Monaten in der Europäischen Union erleben, sind jedoch in keinster Weise mit einer Kapitalflucht in den Euro zu begründen. Hier ist die Situation deutlich komplizierter. Die offizielle Erklärung dafür ist der Versuch der europäischen Zentral- bank, die Geschäftsbanken dazu zu bewegen, mehr Kredite zu vergeben, um die Konjunktur anzukurbeln. Dazu wurden die Zinsen für kurzfristige Einlagen der Banken bei der EZB unter null gesetzt. Und das funktionierte auch schlag- artig. Binnen 24 Stunden zogen die Institute rund 25 Mil- liarden Euro ab. Und die Statistiken der EZB deuten auch darauf hin, dass sich die Kreditvergabe in der Union seit- her wieder ausweitet. Das allein hätte allerdings bei langlaufenden Staatsanlei- hen noch keine negativen Renditen verursacht. Dafür war aller Wahrscheinlichkeit nach die Ankündigung sowie der Start des Quantitative Easings, also massive Käufe euro- päischer Staatsschulden durch die EZB, verantwortlich. Natürlich löst eine solche Ankündigung automatisch Kurs- gewinne bei den betroffenen Papieren aus – auch dann, wenn deren Renditen schon nahe null Prozent liegen. Jeder spekulative Käufer kann ja sicher sein, dass er sie zu einem späteren Zeitpunkt an die Notenbank verkaufen kann. Dieses Programm ist auch das beste Argument all jener Marktbeobachter, die davon ausgehen, dass der Renditesprung im Mai nur eine Irritation des Marktes, aber noch nicht der Anfang der „Zinswende“ war. Renditen Deutschland: Ende einer Tauchfahrt? Fürs Erste liegen die Renditen deutscher Anleihen mit mittleren Laufzeiten wieder über der Wasserlinie. Ob sie noch einmal auf Tauchfahrt gehen, wird derzeit heftig diskutiert. Quelle: Deutsche Bundesbank -0,2 -0,1 0 % 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 % 12/2014 01 02 03 April Mai 2015 8 bis 15 Jahre 5 bis 8 Jahre 3 bis 5 Jahre Bill Gross, Janus: War das Zitat, Bundesanleihen seien „einmalige Leerverkaufschancen“, der Crashverursacher?

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