FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2015

tion zwischen dem chinesischen und dem US-Aktienmarkt gibt. Zudem ist die Ent- wicklung ja nicht wirklich neu, sie ist nur psychologisch relevanter geworden. Aber wir alle wussten doch schon vorher, dass Chinas Wachstum sich verlangsamt, auch wenn man den offiziellen Zahlen nicht im Mindesten trauen kann. Die Angaben mögen direktional korrekt sein, aber es fällt doch auf, dass es nie zu einer nachträglichen Korrektur der Zahlen gekommen ist, während die Angaben zum Bruttoinlandsprodukt in den USA zum Teil noch zehn Jahre nach ihrer Veröffent- lichung offiziell revidiert wurden. Das wird zudem sehr deutlich, wenn man Chinas Wachstumszahlen mit jenen von Singapur vergleicht, wo es sowohl schon zu einer nachträglichen Revision der Zahlen als auch zu einer zeitweisen Abschwächung des Wachstums gekommen ist. Was die Situation in China meines Erachtens allerdings ver- schlimmert, das ist die Tatsache eines Über- gangs von einer investitionsgetriebenen hin zu einer vom Konsum getragenen Wirtschaft. Cormac Weldon (Artemis IM): Wenn man dann noch einbezieht, dass als Antwort Chi- nas auf die Kursrückgänge eine gleichzeitige Währungsabwertung stattgefunden hat – da- hingestellt, ob wir nun amAnfang oder schon wieder am Ende dieses Prozesses stehen –, dann muss man auch in Betracht ziehen, dass damit deflationäre Kräfte verbunden sind, die zumindest einen Einfluss auf die Inflations- erwartungen weltweit haben werden. Und vielleicht noch kurz zum zweiten Teil der Eingangsfrage: Man muss sich schon klar- machen, dass die USA zur gleichen Zeit, da das globale weltweite Wachstum nach unten revidiert wird, kurz vor ihrem ersten Schritt zu einer Zinserhöhung stehen. Schon die Auseinandersetzung mit höheren Zinsen hat ausgereicht, um außerhalb der Vereinigten Staaten Fragen aufzuwerfen und auf Risiken in den Schwellenländern aufmerksam zu machen. Eckhard Sauren (Sauren Fonds-Service): Herr Eichler, wie wichtig ist es für Sie als Fondsmanager für europäische Aktien, was da gerade in China passiert? Olgerd Eichler (Mainfirst AM): Die Situation in China ist insofern interessant für die euro- päischen Aktienmärkte, als China der viert- wichtigste Handelspartner von Deutschland ist. Schon anhand nur dieser Zahl wird deut- lich, dass die Entwicklung dort schon von einer hohen Bedeutung ist. Ich er- warte allerdings nicht, dass es in dem Land zu einer Stagnation kommen wird. Es mag durchaus einen deutlichen Rück- gang des Wachstums geben, aber am Ende wird der Regierung einmal mehr nichts anderes übrig bleiben, als für eine Stimulierung dieses Wachstums zu sor- gen. Der chinesischen Regierung bleibt gar keine andere Wahl, als mit allen Mit- teln sicherzustellen, dass diese Volks- wirtschaft weiter wächst. Vielleicht wer- den wir dann nur noch drei, vier oder fünf Prozent Wachstum in China sehen und nicht mehr die sieben Prozent oder mehr wie in der Vergangenheit. Das wird zu Anpassungen führen, zumindest werden die exportorientierten Unter- nehmen in Europa ihre Prognosen nach unten anpassen müssen. Dennoch: Un- term Strich ist das für mich nichts, was mir besondere Sorgen bereitet – zum einen weil die Konjunktur in Europa ins- gesamt definitiv im Aufwärtstrend ist: Wir beobachten hier eine Ausweitung des Bruttoinlandsprodukts, die mehr als ein Prozent ausmachen wird, und zwar für längere Zeit, um einmal zwei Jahre nach vorn zu schauen. Außerdem bin ich da- von überzeugt, dass Herr Draghi extrem ent- schlossen ist, die Zinsen sehr, sehr niedrig zu halten. Gleichzeitig werden die M&A-Akti- vitäten weiter anhalten, und es wird zu Re- strukturierungen und einer vermehrten Akti- vität an den Kapitalmärkten kommen. Natür- lich darf man in diesem Zusammenhang nicht den amerikanischen Aktienmarkt aus dem Blick verlieren, der immerhin einen gro- ßen Teil des Weltmarktes ausmacht und von erheblicher Bedeutung für die europäischen Unternehmen ist. Speziell die Entwicklung der dortigen Kapitalmärkte ist von besonde- rer Relevanz. Aber ich glaube, die Federal Reserve wird nicht mehr unternehmen, als die Zinsen zu normalisieren. Die Notenbank hat kein Interesse daran, die Wirtschaft ab- zukühlen, sie will lediglich das Zinsniveau ein wenig anheben, gewissermaßen um ihr Pulver trocken zu halten und eventuell die Möglichkeit zu haben, zu reagieren, falls es eben doch zu einer Abschwächung der Wirt- schaft kommen sollte. Daher bin ich davon überzeugt, dass die Notenbank kein Niveau der Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen akzeptieren wird, das über drei Prozent liegt – ein Niveau, auf dem die Zinsen in den vergangenen Jahren nur ein einziges Mal gestanden sind. Aus diesem Grund bin ich durchaus davon überzeugt, dass wir uns ins- gesamt in einem ziemlich guten Umfeld für Aktien als einer Art Renditepool befinden. Was speziell europäische Aktien angeht, so haben diese aus meiner Sicht in der jüngeren Zeit allzu stark gelitten. In sechs bis neun Monaten werden wir mehr Klarheit haben, und meine Erwartung ist, dass nur sehr we- nige Unternehmen zu wirklich spürbaren Korrekturen ihrer Erwartungen gezwungen sein werden. Klaus Kaldemorgen: „Die meisten Ökonomen liegen meines Erachtens nach immer noch zu hoch, was ihre Erwartungen an das Wachstum angeht.“ » Trauen die Märkte den Noten- banken wirklich noch zu, unter QE alles retten zu können, nachdem die Schweizer Nationalbank ihren Währungskurs freigegeben hat und auch China nicht in der Lage war, seine Märkte zu schützen? « Eckhard Sauren, Sauren Fonds-Service 103 www.fondsprofessionell.de | 3/2015

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