FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2015

120 www.fondsprofessionell.de | 3/2015 „Die empirisch nachgewiesenen höheren Renditen lassen sich auch ökonomisch be- gründen“, erläutert Goltz. „Value-Aktien etwa bieten eine Risikoprämie, weil sich der Un- ternehmenswert aus Fabriken oder anderen immobilen Werten zusammensetzt, die sich nur schwer verkaufen lassen. In einer Kon- junkturschwäche haben Value-Firmen wenig Spielraum, rasch die Kosten zu senken.“ Die- ses Beispiel zeige, dass die Prämien eben mit höheren Risiken einhergingen. „Dem sollten sich Anleger bewusst sein“, stellt Goltz klar. „Die Ergebnisse der fundamentalen Analy- sen können auch danebenliegen“, ergänzt Martin Weithofer, Leiter Strategic Beta bei der Deutschen Asset & Wealth Management. So könne etwa eine politische Einflussnahme auf die Finanzmärkte die Preisentwicklung von den Bewertungsgrundlagen entkoppeln. Die Liquiditätsschwemme der Europäischen Zen- tralbank und das Rettungspaket für Euro-Kri- senstaaten löste etwa zeitweilig eine Rally bei Peripherie-Bonds aus, „ohne dass diese fun- damental so gerechtfertigt gewesen wäre“, so Weithofer. McNeil von Wisdom Tree fasst zusammen: „In manchen Phasen werden Fun- damentalstrategien den Markt übertreffen, in anderen werden herkömmliche Indizes höhere Renditen erzielen.“ Damit ist klar: Faktormo- delle allein sind kein Allheilmittel gegen schwache Performance. Neben den Faktoren Value und Größe iden- tifizierten spätere Arbeiten weitere Faktoren, die die Preisentwicklung an den Kapitalmärk- ten beeinflussen sollen. Dazu zählt der Mo- mentumfaktor, wonach sich gut gelaufene Aktien weiterhin gut entwickeln werden. An- dere Modelle sind Low Beta, Minimum Vo- latility oder Minimum Variance, also im Grunde Titel, die eine geringere Volatilität als der Gesamtmarkt aufweisen sollen. Damit nicht genug: Dutzende Wissenschaftler arbei- ten daran, aus historischen Finanzmarktdaten neue Faktoren herauszufiltern. In der Literatur kursiert bereits der Begriff „Faktor-Zoo“. Das Edhec-Risk Institute etwa berechnet derzeit 2.997 Smart-Beta-Indizes. Davon sind jedoch nicht alle als Investment gedacht. Amundi hat zusammen mit dem Institut aber immerhin einen Multifaktor-ETF aufgelegt. Forschung fabriziert Datenmüll Hintergrund der Faktorenfülle ist die Ver- fügbarkeit moderner Großrechner, die die Auswertung großer Datensätze erleichtern. „Mit der heutigen Computerrechenleistung lassen sich theoretische Modelle relativ rasch auf ihren empirischen Gehalt abklopfen“, er- läutert Beck vom Institut für Vermögensauf- bau. Die emsige Datenschürferei fördert aber viele Scheinmerkmale zutage. Ein Forscher- team rund um Campbell R. Harvey von der Duke Universität in North Carolina untersuch- te die statistischen Berechnungen vieler wis- senschaftlicher Publikationen. Das Ergebnis: Von den zahllosen neuen Faktoren, die die Forschung ausspuckt, halten nur wenige einer Überprüfung stand. „Low-Beta-Modelle etwa sind empirisch zwar herleitbar, aber nicht theoretisch begründbar. Es besteht also die Gefahr, dass historische Daten überbewertet werden“, erläutert Beck. Dennoch schwappt die Faktorvielfalt in die Praxis über. Manche Vertriebsabteilungen greifen dies gern auf, obwohl der Nutzen nicht unbedingt groß ist, etwa beim Faktor Größe. „Wir sehen bei den bestehenden Small-Cap-Indizes bereits ein vernünftiges verfügbares Angebot“, meint Weithofer. Manche Anbieter entfernen sich zudem von der wissenschaftlich gesicherten Basis. „Die Definitionen der Faktoren sind eigentlich schlicht, einfach und allgemein gültig“, sagt Edhec-Forscher Goltz. „Doch diese werden oft von den Anbietern durch eigene Defini- tionen ergänzt oder gar ersetzt. Das ganze Modell wird obendrein für die rückblickende Betrachtung schöngerechnet, damit es in Mar- ketingprospekten gut aussieht“, wettert er. Auch Wisdom-Tree-Manager McNeil warnt: „Eine ansehnliche historische Wertentwick- lung heißt noch lange nicht, dass die Strategie auch in Zukunft funktioniert. Sehr komplizier- te Multifaktorstrategien werden sich voraus- sichtlich nicht auf Dauer halten können. Diese erinnern mich stark an die strukturierten Produkte, die die Banken vor der Finanzkrise verkauften.“ In den Rückrechnungen würden zudem oft Gebühren und Handelskosten weggelassen. Letztendlich wird sich erst im Lauf der Zeit zeigen, welche der Faktorstrategien nicht nur in der Rückrechnung hübsch aussehen, son- dern auch im echten Leben langfristig funk- tionieren. SEBASTIAN ERTINGER | FP markt & strategie I smar t beta Martin Weithofer, Deutsche AWM: „Die Ergebnisse der fundamentalen Analysen können auch danebenliegen.“ Wachstum gewinnt an Fahrt Die kumulierten Zuflüsse in Europas Smart-Beta-ETFs lagen zuletzt deutlich über jenen der Vorjahre. 2015 könnte ein neues Rekordjahr werden. Quelle: Bloomberg, Lyxor Smart-Beta-ETFs sammeln Geld ein Neue Strategien locken Anleger an: Europäische Smart-Beta-Produkte verzeichnen seit vielen Monaten hohe Zuflüsse. Quelle: Bloomberg, Lyxor Juli 2014 0 100 200 300 400 500 600 700 800 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 Mio. Euro Mrd. Euro 459 Mio. Euro Aug. 2014 598 Mio. Euro Sept. 2014 268 Mio. Euro Okt. 2014 544 Mio. Euro Nov. 2014 621 Mio. Euro Dez. 2014 445 Mio. Euro Jan. 2015 290 Mio. Euro Feb. 2015 409 Mio. Euro März 2015 813 Mio. Euro April 2015 546 Mio. Euro Mai 2015 34 Mio. Euro Juni 2015 179 Mio. Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. n Nettozuflüsse in europäische Smart-Beta-ETFs n 2015 n 2014 n 2013 n 2012 Foto: © Deutsche Asset & Wealth Management Bis zum 30. Juni 2015

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