FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2015
wirklich differenziert hinschauen. In einigen Ländern läuft es vernünftig. Andere dagegen, etwa die von Rohstoffexporten abhängigen Volkswirtschaften Nigeria, Indonesien oder Brasilien, leiden unter dem Preisverfall. China als riesiger Rohstoffabnehmer müsste eigent- lich profitieren, hat jedoch seine hausgemach- ten Probleme. Damit bleiben Staaten wie die Türkei oder Indien. Selbst in diesen Ländern haben sich die Margen und Gewinne der Un- ternehmen nicht durchweg positiv entwickelt. Gefällt Ihnen dennoch etwas? Indien entwickelt sich strukturell langfristig gut. Die Reformen der Regierung Modi wei- sen in die richtige Richtung. Die Türkei wie- derum ist in einer sehr guten Ausgangslage. Das Land dürfte von der Öffnung des Irans profitieren. Der Iran selbst hat einen erstaun- lich großen Aktienmarkt, der uns nur derzeit nicht zugänglich ist. Die Sicherheitslage in Syrien und im Nahen Osten spielt an den Kapitalmärkten zudem keine Rolle. Kritischer erscheint die innenpolitische Lage in der Türkei mit dem Streit um die Politik von Präsident Erdogan. Schwellenländer galten früher als Diversifikation. Doch auch sie gliedern sich immer mehr in den Gleichlauf der Börsen ein. Dienen Emerging Markets noch der Risikostreuung? Sicherlich gibt es einen höheren Gleichlauf zwischen den USA und anderen entwickelten Märkten. Aber selbst da ist die Korrelation nicht völlig gleich. Schauen Sie sich Japan oder Indien an. Da eröffnet sich durchaus die Möglichkeit, Risiken zu streuen. Diversifikation funktioniert bei den Emerging Markets nach wie vor. Unsere global ausge- richteten Fonds nutzen das auch. Die Volati- lität ist hier niedriger als bei Regionen-, Län- der- oder Branchenfonds. Die grundsätzliche Richtung gibt aber die Weltwirtschaft vor. Entsprechend werden die Aktienmärkte im Trend in die gleiche Richtung laufen. Wie können Investoren noch streuen? Was für Investoren immer wichtiger wird, ist eine höhere Sicherheit der Produkte. Eine eher defensivere Anlage, etwa in Titel mit hohen Dividendenausschüttungen, empfiehlt sich da. Wenn die Marktlage mal turbulenter ist, federn die Dividendenrenditen mögliche Rückschläge ab. Dividendenstrategien verfehlten aber auch ihre Ziele. So zählten einst Banken und Versorger zu den größten Ausschüt- tern. Doch selbst hohe Dividenden konn- ten die dramatischen Kurseinbrüche nach der Lehman-Pleite und der Ener- giewende nicht ausgleichen. Das ist richtig. Aktuell sind auf dem Papier Öl- und Bergbaukonzerne die größten Divi- dendenzahler. Da muss man sich fragen, ob sie die Ausschüttungen nachhaltig leisten kön- nen. Für Anleger könnte ein Investment ein sehr schmerzhaftes Unterfangen werden. Da- her kaufen wir nicht die Unternehmen, die die größten Dividenden versprechen, sondern die- jenigen, die eine nachhaltige Ausschüttung bieten. Die Unternehmen müssen eigentlich die Luft haben, die Dividende zu erhöhen. Wie filtern Sie solche Firmen heraus? Wir greifen auf die Expertise unserer Analys- ten zurück. Wir haben eine umfassende Struk- tur aufgebaut, die viele Regionen und Berei- che abdeckt. Unsere Branchenanalystin hatte die Schwächen in den Geschäftsmodellen der deutschen Versorger wie RWE schon sehr früh erkannt. Daher halten wir seit Jahren dort keine signifikanten Investments mehr. Ihr Haus ist nicht das einzige, das auf der Jagd nach soliden Dividendentiteln ist. Besteht die Gefahr, dass sich ein Herdentrieb entwickelt? Sicher, Anleger bewegen sich manchmal wie eine Herde. Als Investor muss man schauen, dass man nicht immer hinterherläuft. Aber es ist auch nicht zielführend, stets eine Gegen- position einzunehmen. Contrarians haben häufig einen schweren Stand. In manchen Phasen muss man sich von der Herde trennen, in anderen muss man eben mitlaufen. Wichtig ist vor allem, dass man sich in jeder Phase frei bewegen kann. Vielen Dank für das Gespräch. SEBAStIAn ErtInGEr | FP Henning Gebhardt: „Aktuell sind Öl- und Bergbaukonzerne die größten Dividendenzahler. Da muss man sich fragen, ob sie das nachhaltig leisten können. Für Anleger könnte das ein sehr schmerzhaftes Unterfangen werden.“ markt & strategie I henning gebhardt | deutsche asset & wealth management 128 www.fondsprofessionell.de | 3/2015 » Diversifikation funktioniert bei den Emerging Markets nach wie vor. Die Richtung gibt aber die Weltwirtschaft vor. « Henning Gebhardt, Deutsche AWM Foto: © Jens Braune del Angel Investmentprofis mit Eis: Stefan Kreuzkamp (Chief Investment Officer EMEA), Asoka Wöhrmann (Chief Investment Officer) und Henning Gebhardt (Global Head of Equity)
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