FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2015

280 www.fondsprofessionell.de | 3/2015 vertrieb & praxis I fintechs Foto: © Jankaliciak | Dreamstime.com W er im Sommer eines der insgesamt 18 Open-Air-Konzerte von Helene Fischer besuchte, erlebte dabei, was mittlerweile technisch möglich ist. Die Fans der Sängerin konnten sich im Vorfeld der Tour „Farbenzauber“ eine kostenfreie App herun- terladen, mit der sie die Hoheit über ihr Smartphone an die Konzerttechniker abgaben. Diese aktivierten während des Konzerts un- terschiedliche Hintergrundfarben und Lichter auf dem Handy. Die Zuschauer wurden somit Teil der Licht- und Lasershow, Gänsehaut- Feeling inklusive. Was mittlerweile auch in ihrem Bereich möglich ist, könnte demnächst vielen altge- dienten Finanzberatungsunternehmen Kopf- schmerzen bescheren; jedenfalls jenem Teil, der noch auf Papier und Kugelschreiber und den persönlichen Kundenkontakt setzt. „Erst griff man die Branchen Musik und Bücher an, doch jetzt werden auch die Burgmauern der Geldhäuser erklommen“, sagt Christian Rieck, Finanzprofessor an der Frankfurt University of Applied Sciences. „Die Branche hat bisher Glück gehabt, denn Finanzprodukte sind nicht sexy.“ Am Anfang ging es um Zahlungsver- kehr und Kleinkredite, inzwischen rückt aber auch das Thema Vermögensberatung in den Fokus der Onlineanbieter. Unter Namen wie Ginmon, Fintego, Wikifolio oder Cashboard versuchen sie den etablierten Banken und Finanzberatern Kunden abzujagen. Inhaltlich unterscheiden sich ihre Konzepte dabei beträchtlich, sie reichen von Fondsver- mögensverwaltungen über ETF-Dachfonds bis hin zu Zertifikaten (siehe Tabelle auf der näch- sten Seite). Eines aber haben die Fintechs ge- meinsam: Die Geldanlage scheint in ihrer Welt spielend einfach zu sein. Mit verblüffend we- nigen Fragen wird der Anlegertyp festgelegt und eine Investmentstrategie zugeordnet – so auch beim im Frühjahr gestarteten Anbieter Ginmon aus Frankfurt. Dort erstellt einAlgorithmus das gewünsch- te Portfolio nach wissenschaftlichen Kriterien. Vom passiven Konzept mit ETFs scheint Gin- mon überzeugt zu sein: Hauseigene Modell- rechnungen unterstellen dem eigenen Invest- mentstil eine Performance, die um 1,1 Prozent über der eines vergleichbaren, aktiv gemanag- ten Fonds liegen soll. Der gesamte Ablauf ist recht bequem, bislang muss der Anleger nur vor die Tür, um sich per Postident-Verfahren zu legitimieren. Ab diesem Herbst wird das auch dieser Weg entfallen: Dann wird das Vi- deoident-Verfahren eingeführt, womit das Ganze noch einfacher wird. Renommierte Partner Die meisten Onlineverwalter setzen auf den Computer als Manager und verfolgen dabei einen passiven Ansatz mit einem regelmäßi- gen Rebalancing. Vertriebs- oder Bestands- provisionen fallen in der Regel nicht an oder kommen dem Kunden zugute. Im Hinter- grund arbeiten die jungen Wilden oft mit re- nommierten Adressen zusammen. So koope- riert der 2013 gegründete Anbieter Vaamo im Depotbereich mit der Fidelity-Fondsbank FFB, die passiven Fonds stammen vom US- Anbieter Dimensional Fund Advisors. Bei Immer mehr Fintechs bieten Online-Vermögensberatung an, was Old-School- Berater unter Druck setzt. Sie können von dem Trend jedoch auch profitieren. Roboter auf dem Vormarsch Traditionelle Kreditinstitute setzen auf Technik Auch klassische Banken haben inzwischen das Internet in ihre Verkaufsstrategie aufgenommen. Die Sutor Bank aus Hamburg bietet im Netz vier Fondsmodelle unter der Marke „Privatbank-Portfolio“ an. Bei den Kosten reißt sie jedoch nach oben aus: Für ihr dynamischstes Portfolio, das bis zu 100 Prozent auf Aktienfonds setzen kann, berechnen die Hanseaten 1,96 Prozent im Jahr. Die auf Honorarberatung spezialisierte Quirin Bank managt nach eigenen Angaben über ihre Onlineplattform Quirion inzwi- schen über 18 Millionen Euro in rund 500 Depots. Und die European Bank for Financial Services (Ebase) legte 2014 bei der standardisierten Fondsvermögensverwaltung über das Internet, die über angeschlossene Berater ver- mittelt oder als White-Label-Lösung für Vermögensver- walter angeboten wird, um 30 Millionen Euro zu. Diese Zahlen scheinen auch die traditionellen Großbanken anzuspornen. Die Deutsche Bank hatte bereits vor gerau- mer Zeit angekündigt, noch dieses Jahr eine reine Inter- netvermögensverwaltung starten zu wollen. Die Banker der Schweizer UBS entwickeln einen Onlinekanal zum be- stehenden Vermögensverwaltungsangebot namens UBS- Advice. Nach dessen Start können die Kunden über das Internet alle Vermögensinfos anfragen. Andreas Kubli, der Social-Media-Experte der UBS, glaubt jedoch nicht, dass das traditionelle Retailbanking in fünf Jahren verschwun- den sein wird. „Veränderungen gehen langsamer von- statten, als man sich das zumeist vorstellt.“ Lange Zeit konzentrierten sich Fintechs vor allem auf Konto- und Zahlungsverkehrsdienstleistungen. Inzwischen entdecken immer mehr Start-ups auch das Thema Geldanlage für sich.

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