FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2015

284 www.fondsprofessionell.de | 3/2015 Blick simple Ansatz ruft auch Kritiker auf den Plan. „Wer beispielsweise bei Quirion getestet hat, wie man in vier Schritten bequem zum Vermögensverwaltungsdepot gelangen kann, der reibt sich verwundert die Augen, weil hier in zwei Minuten online alles erledigt wird, was in der regulierten Finanzanlagenvermitt- lung mindestens zwei Stunden dauern wür- de“, kommentiert Jürgen Dumschat, Ge- schäftsführer des Beratungshauses Aecon Fondsmarketing, auf den Seiten von FONDS professionell ONLINE. „Einem 90-jährigen Anleger mit fünf Jahren Anlagehorizont wer- den hier mit 100 Prozent Renten-ETFs ein- fach mal 3,4 Prozent per annum als wahr- scheinlicher Ertrag prognostiziert. Ein freier Vermittler, der so etwas im Beratungsproto- koll niederschreibt, sollte sich gleich im Anschluss an das Beratungsgespräch eine Deckungszusage seiner Vermögensschaden- haftpflichtversicherung besorgen, denn er wird sie brauchen.“ Beide Welten vereinen Trotz aller Kritik: Freie Finanzberater soll- ten die Augen vor der neuen Welt nicht ganz verschließen. Thomas Schalow von Wertios Finanzdienstleistungen aus Frankfurt sieht das Thema Fintechs in der Vermögensverwaltung eher als Chance. „Ich beobachte, dass die meisten Kunden sich offline informieren und online kaufen – oder umgekehrt“, so der 44- Jährige. Für ihn wird die Onlineberatung ins- besondere bei der Akquise und der laufenden Betreuung von Kunden immer wichtiger. Auf seiner Internetseite bietet Schalow einen „An- lagefinder“ an, der nach Eingabe des ge- wünschten Anlagebetrags, der Laufzeit und der persönlichen Risikoneigung automatisch einen Portfoliovorschlag erstellt. Schalow fährt zweigleisig: Neben der Onlineberatung, seinem Finanzblog und Webinaren berät er Kunden auch persönlich vor Ort, vorausge- setzt, die Interessenten kommen aus dem Rhein-Main-Gebiet. „Wer nur auf Technik setzt, blendet rund 90 Prozent der potenziellen Zielgruppe aus“, sagt er. Wer als Berater das Onlinethema nicht in Eigenregie angehen möchte, dem bieten eini- ge Fintechs mittlerweile Alternativen an. So kooperiert die Depotbank Ebase bei ihrem Angebot Fintego, das früher unter dem Na- men Financescout 24 Managed Depot ver- marktet wurde, mit freien Beratern. Die Ver- mittler können die Onlinevermögensverwal- tung in den eigenen Internetauftritt integrieren und mit eigenem Branding „verkaufen“ – eine Angemessenheits- und Geeignetheitsprüfung nach demWertpapierhandelsgesetz inklusive. „Fintech als Brutkasten“ Auch Start-up Ginmon möchte unabhängi- ge Berater mit ins Boot nehmen. Vermittler sollen Kunden mit niedrigen Anlagevolumina, die aufgrund gestiegener regulatorischer An- forderungen nicht mehr profitabel betreut wer- den können, auf die Plattform überleiten. Der abgebende Betreuer mit Zulassung nach Pa- ragraf 34f oder 34d GewO erhält dafür die Hälfte der von Ginmon berechneten Erfolgs- beteiligung in Höhe von zehn Prozent. Zudem profitiert er von Empfehlungen, die seine übergeleiteten Kunden aussprechen. „Wir zielen nicht auf die Lieblingskunden der Berater ab, sondern eher auf die Klientel, die nicht 150 Euro die Beratungsstunde er- bringt“, sagt Ginmon-Gründer Ulrich Bauer. „Die neu gewonnene freie Zeit kann der Ver- mittler lukrativeren Mandanten widmen oder zur Akquise einsetzen.“ Das Fintech sieht sich selbst als „Brutkasten“ für Kunden mit einem Anlagevolumen von unter 20.000 Euro. Sollte das Vermögen irgendwann einmal auf 100.000 Euro wachsen, kann der Berater die Betreuung wieder aufnehmen. Damit der Ver- mittler seine Kunden zwischenzeitlich nicht aus den Augen verliert, erhält er regelmäßig eine Übersicht über das Depotvolumen – aus Gründen des Datenschutzes in anonymisierter Form. Bauer, selbst Finanzanlagenvermittler und langjähriger Niederlassungsleiter von MLP, will niemanden verunsichern: „Wir möchten die Berater nicht arbeitslos machen, vielmehr möchte Ginmon eine Brücke schla- gen. Alle Themen außerhalb der Wertpapier- anlage, beispielsweise das Versicherungsge- schäft, verantwortet weiterhin der Berater.“ Eine Zusammenarbeit von freien Beratern und Fintechs kann sinnvoll sein – auch aus Sicht der „Robos“. Vor allem dann, wenn die Kurse fallen: Denn die meisten reinen Online- verwalter können verunsicherten Kunden kei- nen Rat geben, wenn sie den Wert ihres De- pots dahinschmelzen sehen. Wohl dem, der in stürmischen Zeiten noch einen menschlichen Berater vorweisen kann. MARCUS HIPPLER | FP vertrieb & praxis I fintechs Foto: © Scalable Capital, Kanzlei Dr. Schulte und Partner Erik Podzuweit, Scalable Capital: „Banken sind zu teuer, zu vertriebsorientiert und zu umständlich.“ Welche Regeln gelten für Fintechs? „Fintechs bieten keine Beratung an und haften deshalb auch nicht.“ Diese Aussage hört man regelmäßig in den Gesprächen mit Verantwortlichen von Unternehmen, die online Geld einsammeln. Dabei berufen sich die Macher gern auf eine reine „Exe- cution only“-Ausführung. Ganz so eindeutig ist die Rechtslage jedoch nicht. Denn intern ordnen die meisten Geldanlage-Fintechs, die in der Regel Fi- nanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach Paragraf 34f GewO sind, ihre Kunden in eine Risikokategorie ein und schlagen daraufhin ein Mo- dellportfolio vor. Diese Vorgehensweise könnte einer Be- ratung mit dementsprechender Haftung gleichkommen. „Eine mögliche Haftung des Vermittlers durch den Vor- schlag eines Portfolios könnte gegeben sein, wenn auf dieser ‚Beratung‘ die Entscheidung des Kunden beruht“, sagt Rechtsanwalt Erik Kraatz von der Kanzlei Dr. Schulte und Partner aus Berlin. „Hinter dem ‚Execution only‘-Ge- schäft steckt noch immer der Gedanke eines erfahrenen Anlegers, der seitens der Bank keiner Be- ratung bedarf.“ Wenn dies nun über die Hintertür erfolge, bedürfe es einer Fortent- wicklung der Rechtsprechung. „In derarti- gen Fällen muss neben dem Finanzvermitt- ler auch die anlegende Bank, zumindest in engen Grenzen, stärkere Warnpflichten er- halten, insbesondere wenn es sich um einen unerfahrenen Kunden handelt“, so Kraatz. „Gleiches Geschäft muss den gleichen Regeln unterliegen“, verkündete auch der Bundesverband deutscher Banken in sei- nem im Frühjahr erschienenen Positionspapier. „Auch Fintech-Unternehmen müssen sich danach richten und mit aufsichtsrechtlicher Genehmigung arbeiten, soweit es ihre Geschäftstätigkeit erfordert.“ Die Finanzaufsicht ist ebenfalls wachsam: „Die neuen, weitgehend unregulierten Wettbewerber wie zum Beispiel Fintechs werden wir in den Blick nehmen – da können Sie sicher sein“, so Bundesbankvorstand Andreas Dombret jüngst auf einem Symposium. Rechtsanwalt Erik Kraatz

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