FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2015
künftig die vermeintliche Absicherung über Bonds nicht mehr funktionieren wird, sind wir der Überzeugung, dass man als Investor etwas finden muss, das eine wirkliche negative Korrelation zu Aktien aufweist und dennoch einen Ertrag bringt. Genau deshalb sind wir so investiert, wie es derzeit der Fall ist. Viele Marktteilnehmer sehen aller- dings aktuell die größte Gefahr für die Kapitalmärkte von China aus- gehen. Wie beurteilen Sie das? Wir haben selbst geraume Zeit in China verbracht und sind zu dem Schluss ge- kommen, dass wir es in der Realität einfach mit einer dualen Entwicklung in der chinesischen Wirtschaft zu tun haben. Es gibt einige Bereiche der dortigen Volkswirtschaft, die in einer handfesten Rezession stecken. Dazu gehören neben dem Immobi- liensektor und vielen lokalen Ver- waltungen auch die Fertigungsin- dustrie, die mit enormen Überkapazitä- ten zu kämpfen hat, wie auch rohstoff- nahe Sektoren, die ebenfalls in einer Rezession stecken. Wäre das die ganze Story, läge die Wachstumsrate in China nicht bei sieben, sondern allenfalls bei drei oder vier Prozent, und die Arbeitslosigkeit wäre doppelt so hoch, wie sie heute ist. Das ist aber eben nicht der Fall. Denn es gibt eine andere Seite der Wirtschaft, die sich mitten in einem strukturellen Wandel befindet, die das Wachstum gestützt hat und nach wie vor un- terstützt. Aber was schließen Sie daraus, wie sieht Ihre Wachstumsprognose für das Land konkret aus? Aus unserer Sicht befindet sich die dortige Wirtschaft in einer Art Balance, die für ein Wachstum von sechs bis sieben Prozent sor- gen wird. Die wesentliche Frage wird sein, wie lange der Abschwung auf der einen Seite andauern wird und wie lange gleichzeitig der Aufschwung auf der anderen Seite in der Lage sein wird, das auszugleichen. Für die nächsten eineinhalb Jahre sind wir durchaus zuversichtlich, dass das funktionieren wird, die Regierung unternimmt zudem weitere ent- sprechende Schritte. Deshalb erwarten wir insgesamt eine Verlangsamung des Wachs- tums, eine Art Rebalancing, aber wir erwarten kein Hard Landing. Und das ist ein wichtiger Anker in unserer globalen Perspektive. Denn der Aktienmarkt kann vielleicht noch weiter fallen, bestimmte Sektoren können durchaus Überkapazitäten haben, und es wird Gewinner und Verlierer geben. Aber diese Entwicklung wird nicht die gesamte wirtschaftliche Land- schaft verändern im Sinne eines großen Ab- schwungs. Gleichzeitig aber warnen mehr und mehr Stimmen vor einer globalen Deflation, die von China ausgehen könnte. Eine Gefahr? Ich glaube nicht an eine von China ausgehen- de globale Deflation. In bestimmten Sektoren der chinesischen Wirtschaft haben wir viel- mehr enorme Lohnsteigerungen erlebt, die auch in anderen Branchen für einen gewissen Lohndruck sorgen werden. Ich glaube auch nicht, dass eine Fünf-Prozent-Bewegung der chinesischen Währung gegenüber dem US- Dollar in irgendeiner Weise den Pfad von Wachstum und Inflation in den USA beeinflussen oder beeinträchtigen wird, schon gar nicht die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Das aber sind die Treiber der Fed-Politik. Wenn die US- Notenbank ein Anheben der Zinsen verzögert, dann nicht wegen dem, was gerade in China passiert, sondern auf- grund interner Diskussionen. Unserer Ansicht hinkt die Federal Reserve seit geraumer Zeit hinter der Marktent- wicklung her. Sie sollte die Zinsen jetzt erhöhen, denn die US-Volkswirt- schaft befindet sich nicht nur nahe ei- nem Niveau der Vollbeschäftigung, sondern verzeichnet auch Wachstums- raten nahe dem Trend, und die Löhne sind zum Teil bereits angestiegen. Au- ßerdem haben sich der Häusermarkt und auch die Finanzmärkte teilweise schon wieder normalisiert. Die Noten- bank verfolgt aber nach wie vor die expansivste Geldpolitik der Geschich- te, eine Geldpolitik, die sicher ange- bracht war in einer tiefen finanziellen Rezession. Nur haben wir diese Politik bis heute beibehalten. Aber es fehlt doch immer noch ein Anstieg der Inflation. Gerade in Deutschland weiß man: Wenn die Inflation sichtbar wird, ist es bereits zu spät, um dann noch vorausschauend zu agieren. Und nur ein wenig zu spät zu sein ist schlim- mer, als ein wenig zu früh zu sein. Es geht schließlich darum, zu einem Zustand zu kom- men, den man als normal bezeichnen kann. Kurzfristige Zinsen von null Prozent mögen zu einer Krisensituation passen. Aber in einer solchen sind wir bereits in keiner Weise mehr. Von einer Krisensituation muss man aber sicher noch in Ländern wie Ukraine oder Ungarn sowie in Nigeria sprechen. Sie selbst sind mit Ihren Fonds einer der größten Investoren in Staatsschulden der Ukraine, was viele Ihrer Investoren mitt- lerweile beunruhigt. Wie beurteilen Sie den jüngst gefundenen Kompromiss? Als einer der langfristigen privaten Investoren in der Ukraine begrüßen wir es natürlich, dass es nach langwierigen Verhandlungen jetzt zu einer Vereinbarung gekommen ist, die es dem Land erlaubt, seinen Zugang zu den Kapital- märkten aufrechtzuerhalten und damit eine stabile wirtschaftliche Plattform zu finden, um Michael Hasenstab: „Ich glaube nicht an eine von China ausgehende globale Deflation.“ 62 www.fondsprofessionell.de | 3/2015 markt & strategie i fondsmanager im kreuzverhör » Eine vermeintliche Absiche- rung von Aktienanlagen über Bondinvestments wird künftig nicht mehr funktionieren. « Michael Hasenstab, Franklin Templeton KREUZ VERHÖR
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