FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016

124 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 Bank- und Versicherungswesen geführt. „Ich denke schon, dass Deutschland und Europa von Japan etwas lernen können“, ist Schick nach seiner Reise überzeugt. „Ein wichtiger Punkt ist, dass eine extrem lockere Geldpolitik nicht zu einem höheren Wirtschaftswachstum und damit zu einer gewünschten Inflation bei- tragen kann, wenn Unternehmen nicht inves- tieren“, sagt Schick. In Japan sei zu beobach- ten, was mittlerweile auch die westlichen Volkswirtschaften durcheinander bringe: eine extrem schwache Nachfrage nach Unterneh- menskrediten. Modell auf den Kopf gestellt „Ich habe mehrmals die Frage gestellt, ob die Zinsen in Japan denn so viel höher wären, wenn die Notenbank den Markt nicht mit Geld fluten würde“, sagt Schick. Die Antwort sei ein klares „Nein“ gewesen. Bereits seit den 1990er-Jahren verfolgten japanische Unter- nehmen eine konsequente Sparpolitik. „Und wenn sie heute Investitionen tätigen, dann finanzieren sie diese aus Gewinnen, nicht über Kredite“, sagt Schick. Damit sei das Modell der volkswirtschaftlichen Lehrbücher, das besagt, dass der Unternehmenssektor Kredite aufnimmt, die durch die Ersparnisse der pri- vaten Haushalte finanziert werden, auf den Kopf gestellt. Eine ähnliche Situation zeigt sich seit eini- ger Zeit in Deutschland. So hat eine Analyse, für die die Bundesbank die Jahresabschlüsse des Jahres 2013 von 23.000 Konzernen und Mittelständlern untersucht hat, ergeben, dass sich Unternehmen zunehmend unabhängig von Kreditinstituten finanzieren – sofern sie überhaupt investieren. Peter Jenkins, Produkt- spezialist für japanische Aktien bei Nomura, stellt in Nippon die gleichen Entwicklun- gen fest. „Der Markt für japanische Cor- porate Bonds ist extrem klein“, sagt er. An- lagemöglichkeiten seien mit der Lupe zu suchen. Damit Unternehmen mehr inves- tieren, sei es unerlässlich, dass der Staat noch stärker Investitionsprogramme an- schiebe, sagt Jenkins. Das gelte auch für gut situierte Länder der Eurozone wie Deutschland oder Österreich. „Was wir uns in Japan auch angeschaut haben, sind die Auswirkungen der Null- zinspolitik auf die Altersversorgung“, sagt Gerhard Schick. Um über eine auskömm- liche Rente verfügen zu können, zahlt ein Großteil der japanischen Bevölkerung in den staatlichen Pensionsfonds, den Govern- ment Pension Fund (GPIF), ein. Der Staatsfonds war bis Anfang 2014 dazu ver- pflichtet, nicht mehr als 24 Prozent der ange- legten Gelder in Aktien in- und ausländischer Emittenten zu investieren. Inzwischen hat die Regierung unter Abe jedoch dafür gesorgt, dass bis zu 50 Prozent in Unternehmenstitel fließen dürfen. Der Anteil der Investments in japanische Staatsanleihen wurde deutlich re- duziert. Ein Modell, das Schick begrüßt. Wenig Aktieninvestments Japan ist im Vergleich zur Wirtschaftsleis- tung des Landes zu etwa 245 Prozent ver- schuldet. Rund 91 Prozent der Schulden lie- gen bei den Japanern selbst. Wer in japanische Staatsanleihen investiere, sei zwar vor den Wirren der internationalen Finanzmärkte ge- schützt, andererseits aber stark abhängig von der Solvenz des Staates, so Schick. Und: Wenn inzwischen selbst zehnjährige Staats- anleihen Minuszinsen bringen, ist die Gefahr der Altersarmut groß – zumal private Anleger in Japan traditionell wenig auf Aktien und noch weniger auf ausländische Titel setzen. Daran hindert sie die Befürchtung, dass der Yen im Vergleich zu US-Dollar oder Euro aufwerten könnte, was den Wert ihrer Kapi- talanlagen schmälern würde. In Deutschland diskutiert die Politik seit einiger Zeit über die Idee einer „Deutschland- Rente“. Das Konzept sieht vor, dass vom Arbeitgeber bereitgestellte Beiträge über die Deutsche Rentenversicherung in einen Staats- fonds fließen, der sehr breit und gegebenen- falls mit einem hohen Aktienanteil investieren soll. Arbeitnehmer würden so ohne großen Aufwand ein zusätzliches Vorsorgepolster auf- bauen. „Genau das wäre eine gute Lehre, die sich aus dem Beispiel Japan ableiten ließe“, sagt Schick. Vielleicht. Allerdings argumentieren Gegen- stimmen, dass allen Bürgern auf diesem We- ge, unabhängig von ihrem persönlichen Risi- koprofil, eine einheitliche Investmentstrategie aufgedrückt würde. Ebenso bestünde die Ge- fahr, dass sich die öffentliche Hand im Falle klammer Staatsfinanzen eines Tages aus dem Rententopf bedienen könnte. Zudem würde die Anlagepolitik des Fonds vermutlich zu konservativ ausfallen, um eine wirklich attrak- tive Rendite erwirtschaften zu können – zu- mal unklar ist, in welche Titel der Fonds in- vestieren darf. Banken kommen zurecht Diese Lehre ist es also möglicherweise doch nicht, die Deutschland und die Eurozone aus dem Beispiel Japan ziehen können. Gibt es andere? Gerhard Schick findet schon, dass etwas zu lernen ist. „Während unserer Reise haben wir immer wieder die Frage gestellt, ob eine Nullzinspolitik die Finanzwirtschaft eines Landes oder eines Währungsraums tatsächlich kaputt macht“, berichtet der Politiker. Immerhin ist davon in Europa oft die Rede. Doch Schicks An- sprechpartner konnten ihm dazu nicht viel sagen. Der Grund ist einfach: Das Problem gibt es in Japan nicht mehr. Der Absturz der Zinsniveaus habe zwar vielen japani- schen Lebensversicherern enorme Schwie- rigkeiten bereitet. Einige Institute seien mittlerweile vom Markt verschwunden mit der Folge, dass Kunden fünf Prozent ihrer Gelder gestrichen worden seien. „Inzwi- markt & strategie I lehren aus japan Foto: © Gerhard Schick Gerhard Schick, Grüne: „Von ‚verlorenen Jahrzehnten‘ kann man in Japan nicht sprechen.“ Kaum Chancen auf Rendite Rendite zehnjähriger Staatsanleihen aus Japan und Deutschland Nach Jahren des Nullzinses hat Japan im März eine zehnjährige Staatsanleihe mit negativem Zins begeben. Quelle: Bloomberg 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 % 6 % 2010 2005 2001 ’16 Renditeentwicklung 10-jähriger Bundesanleihen Renditeentwicklung 10-jähriger japanischer Staatsanleihen

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