FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016
126 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 schen haben sich die japanischen Finanzun- ternehmen aber darauf eingestellt, dass die Zinsen niedrig sind“, sagt Schick. Sie finan- zierten sich jetzt nicht mehr vorrangig über das Zinsergebnis, sondern über Gebühren. Darauf sollten sich auch Banken und Versi- cherer in Europa einstellen. „Statt sich über die Situation zu beklagen, müssten sie ihre Geschäftsmodelle umbauen“, erklärt der Politiker. Vor allem sollten sie Gewinne ein- behalten, um ihre Kapitalbasis zu stärken, statt „munter Dividenden auszuschütten“. Bleibt die Frage nach den Exporten. Im- merhin zielt die Null- und mittlerweile Nega- tivzinspolitik Abes auch darauf ab, eine Auf- wertung des Yen zu verhindern und damit die Außenhandelsbilanz des Landes zu stärken. Doch das klappt nicht: Im Januar dieses Jah- res sind die Exporte Japans so stark eingebro- chen wie zuletzt 2009. Im Vergleich zum Vor- jahr gingen die Ausfuhren nach Angaben des Finanzministeriums um 12,9 Prozent zurück. Was auch immer die Gründe dafür sein mö- gen, klar ist, dass ein Nullzins allein einem Staat nicht zu höheren Ausfuhrraten verhilft. Migration kann helfen „Vergleicht man Japan mit stabilen Volks- wirtschaften in Europa, so fällt die Situation am Arbeitsmarkt auf“, sagt Nomura-Chef- volkswirtin Fujita. Aufgrund des demografi- schen Wandels, der sich in Japan früher be- merkbar gemacht hat als in vielen europäi- schen Staaten, habe Japan unter der Abe-Re- gierung dafür gesorgt, Frauen verstärkt in Be- schäftigungsverhältnisse zu bringen. Da diese aber eher im Niedriglohnsektor tätig seien, trage das jedoch kaum dazu bei, die Wirt- schaftskraft des Landes zu steigern. Migration sei ein Thema, dem sich Japan bislang ver- schließe, das Europa aber Chancen eröffne. Gerhard Schick denkt ähnlich. „Gesteuerte Migration ist sicherlich ein Faktor, der die Wirtschaftsleistung eines Landes steigern kann und gleichzeitig einer Altersarmut ent- gegenwirkt“, sagt er. In Japan werde das bis- her nicht so gesehen, und für diese Geschlos- senheit werde das Land einen hohen Preis zahlen müssen. „Da hilft es auch nichts, dass Abe die Japaner nicht durch Steuererhöhun- gen belasten will“, sagt Schick. Im Gegenteil, ein Staat, der es vorziehe, sich über Schulden statt über Steuern zu finanzieren, nehme eine drohende Altersarmut billigend in Kauf. Chancen am Aktienmarkt „Die Japaner selbst könnten aber natürlich auch besser für ihr Alter vorsorgen, wenn sie stärker in Aktien investieren würden“, erklärt Nomura-Manager Jenkins. Möglichkeiten seien durchaus vorhanden. „Japanische Un- ternehmen sind gerade im Technologiesektor große, zum Teil internationale Player“, erklärt der Experte. Anders als im Bereich der Cor- porate Bonds sei es nicht schwierig, gute Titel zu finden. Für internationale Aktienfonds sei Japan durchaus interessant. „Vor allem da seit dem Start der Abenomics zwar mehr private Gelder in unternehmerische Investitionen geflossen sind, aufgrund der insgesamt schwa- chen Wirtschaftsleistung aber noch keine Blase entstanden ist“, sagt Jenkins. Keine verlorenen Jahre „Während unserer Reise haben wir gerade in der Finanzbranche immer wieder gehört, die vergangenen 20 Jahre seien für Japan zwei ,verlorene Jahrzehnte‘“, berichtet Schick. Er teile diese Ansicht überhaupt nicht. „Wenn man sich anschaut, dass rund 127 Millionen Menschen im Durchschnitt doch auf einem hohen Niveau leben und es einen großen tech- nologischen Fortschritt gab, dann kann man nicht von verlorenen Jahren sprechen“, ist Schick überzeugt. Die Infrastruktur sei ex- zellent, die Verspätung von Zügen werde in Sekunden gemessen. Für ihn sei eigentlich die wichtigste Lehre, dass Zeiten ohne starkes Wirtschaftswachstum für hoch entwickelte Länder wie Deutschland oder Österreich keine Katastrophe seien. In Japan gebe es zwar ein klares Verteilungs- problem, und daran müsse sich auch etwas ändern, so Schick. Ansonsten halte er geringes Wachstum in einem reichen Land nicht für besonders problematisch. Die Wachstumslogik werde in Japan von niemandem hinterfragt. „Es kann aber nicht schaden, sich einmal zu fragen, ob Wachstum auf Teufel komm raus sein muss“, sagt Schick. Darüber habe er viel nachgedacht – im Land des Lächelns. ANDREA MARTENS | FP markt & strategie I lehren aus japan Foto: © nicholashan | Fotolia , Nomura Peter Jenkins, Nomura AM: „Japanische Unternehmen sind gerade im Technologiesektor große Player.“ Steckbrief Japan Japan ist ein ostasiatischer Staat, der 6.852 Inseln im Pazifik umfasst. Das Land zählt zu den am dichtesten besie- delten Regionen Asiens und liegt mit 127 Millionen Einwohnern auf Platz elf der bevölkerungsreichsten Staaten der der Erde. Japan hat eine hoch ent- wickelte Ökonomie und war viele Jahre lang die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den Vereinigten Staaten. Der Fuji ist mit 3.776 Metern der höchste Berg Japans. Amtssprache: Japanisch Hauptstadt: Tokio Regierungsform: Parlamentarische Demokratie Regierungschef: Shinzo Abe Fläche: 377.930 km 2 Einwohnerzahl: 127 Mio. (2015) Bevölkerungsdichte: 337 Einwohner pro km 2 Währung: Yen Wichtige Wirtschafts- Landwirtschaft, Fischerei sektoren: Technologie Bruttoinlandsprodukt: 4.602 Mrd. US-Dollar (2014) Leitindex Nikkei: 17.240 Punkte (14. 3.2016) 10.000 15.000 5.000 20.000 25.000 30.000 35.000 40.000 Nikkei Index Quelle: Bloomberg ’16 2000 1995 1990 1985 2005 2010
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