FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016
129 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 weit in Richtung eines Keynesianischen Kur- ses umgeschwenkt wird. Und dies würden etliche renommierte Wirt- schaftsforscher durchaus begrüßen. Alexander C. Kaufman, Redakteur der „Huffington Post“, äußerte jüngst Kritik am Nobelpreisträ- ger und Ökonomen Paul Krugman, die dieser wohl gelassen nehmen dürfte. Kaufman mo- nierte, dass Krugman in seinen Wortmeldun- gen zwar meist recht habe, dabei aber stets die selben drei Dinge thematisiere: Staatliche Sparpolitik sei ein Fehler, Inflationssorgen seien übertrieben und Keynes habe recht gehabt. Dass Krugman nicht aufhört, auf die- sen Punkten herumzureiten, liegt primär da- ran, dass man ihm und anderen Ökonomen, die ähnliche Thesen vertreten, bisher wenig Beachtung geschenkt hat. Die Welt fühlt sich angesichts der rekordhohen Staatsschulden nicht wohl bei dem Gedanken, diese noch stärker auszuweiten. Seit 1835 verschuldet Krugman verwies in diesem Zusammen- hang darauf, dass etwa die USA zum letzten Mal im Jahr 1835 schuldenfrei waren. Sieht man sich die Staatsschuldenentwicklung der USA in den letzten Jahrzehnten im Verhältnis zum Nationalprodukt an, wird deutlich, dass die Verschuldung der öffentlichen Hand in Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg deut- lich höher war als derzeit, ohne dass das Land in den Ruin geschlittert wäre. Im Gegenteil, die 50er- und 60er-Jahre waren eine prospe- rierende Periode. Krugman und viele andere glauben daher, dass die große Schuldenpanik, die imAnschluss an die Rettungsaktionen am Höhepunkt der Finanzkrise ausgebrochen ist, nicht nur völlig überzogen war, sondern die daraus abgeleitete Sparpolitik die Anschluss- probleme massiv verstärkt hat. Schulden sind gut Krugman schreibt in einemArtikel mit dem Titel „Schulden sind gut“: „Die Regierungen, die sich an den Warnungen vor fiskalischen Maßnahmen orientiert haben, setzten ihre Volkswirtschaften unter Druck, als diese am Boden lagen, was die Flaute verstärkt hat; und sie haben die öffentlichen Ausgaben ge- strichen, als Anleiheninvestoren sie geradezu angefleht haben, mehr auszugeben. Damit könnten sie der nächsten Krise den Boden bereitet haben. Ironischerweise wurde diese verrückte Politik, die auch reichlich mensch- liches Leiden verursachte, mit dem Verweis auf fiskalische Verantwortung betrieben.“ Krugman hat prominente Mitstreiter, der ebenfalls mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Joseph Stiglitz betrachtet die derzeit laufende Politik der Anleihenkäufe und der dadurch mitverursachten tiefen Zinsen als gescheitert, wenn er in einem Kommentar schreibt: „Doch gingen von den vorherrschenden politischen Strategien im Gefolge der Krise – Haushaltseinschnitten und einer quantitativen Lockerung seitens der wichtigen Zentralban- ken – kaum Anreize für den privaten Konsum, die Investitionstätigkeit und das Wachstum aus. Im Gegenteil: Diese Maßnahmen haben die Lage tendenziell verschlimmert.“ In den USA habe die Notenbank eine ver- steckte Subvention des Finanzsektors durch- geführt, weil die Banken für Einlagen bei der Fed binnen fünf Jahren risikolos 30 Milliarden US-Dollar verdient hätten. Die Politik der Notenbanken hat laut Stiglitz vor allem Fehl- anreize geschaffen, ein Beispiel dafür sind Unternehmensanleihen, die emittiert wurden, um eigene Aktien zurückzukaufen oder an- dere Finanzinvestitionen zu tätigen. Stiglitz kritisiert: „Weder die Geldpolitik noch der Finanzsektor tun, was sie eigentlich tun soll- ten. Es scheint, dass die Liquiditätsflut über- proportional zu finanziellem Reichtum und Vermögensblasen beigetragen hat, statt die Realwirtschaft zu stärken.“ Stiglitz’ Lösung sieht so aus, dass die öf- fentlichen Haushalte verstärkt in Infrastruktur, Bildung und Technologie investieren müssen. finanzieren ließen sich diese Ausgaben mit- hilfe von Ökosteuern, Steuern auf Monopole und andere Rentenerträge. Wacklige Theorien Bislang gelingt es den Keynesianern aber noch nicht, das Gegenlager davon zu überzeu- gen, dass eine Schuldenausweitung das rich- tige Rezept ist, vorläufig bleiben die Moneta- risten am Ruder. Dass dies so ist, liegt nicht zuletzt daran, dass keine Seite beweisen kann, dass ihr Rezept in der Praxis funktioniert. Ar- gumentiert wird mit komplizierten volkswirt- schaftlichen Modellen, die zum Teil schon im 19. Jahrhundert entwickelt wurden und von denen keines bisher alle „Prüfungen“ gemeis- tert hat. Früher oder später erweisen sie sich als in der Praxis nicht imstande, die Entwick- Foto: © Hemmerich, Bundesbank Paul Krugman: „Schulden sind nichts Schlechtes, Infla- tion ist kein Problem, und Keynes hatte recht.“ Josef Stiglitz: „Weder die Geldpolitik noch der Finanz- sektor tun, was sie eigentlich tun sollten.“ Jens Weidmann, Bundesbank: „Solide öffentliche Finan- zen sind auf lange Sicht förderlich für das Wachstum.“
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