FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016
230 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 Die Einführung der Honorarberatung hatte auch positive Effekte. „Die meisten Finanz- berater bieten jetzt mehr Qualität“, sagt Hilko de Brouwer, der bei der holländischen Fonds- gesellschaft Kempen Capital Management das internationale Geschäft aufbaut. „Das Service- niveau hat sich deutlich verbessert.“ Wer für die Beratung ein Honorar nimmt, steht nun mehr unter Druck, dieses auch durch eine ent- sprechende Leistung zu rechtfertigen. Die Banken wiederum bieten ihren Kunden eine Art Rundum-Paket. Dabei ist die Konto- führung und in verschiedenen Abstufungen auch die Beratung für die Geldanlage einge- schlossen. Und ein weiterer Effekt ist zu be- obachten: „Seit Einführung des Provisions- verbots ist die Zahl von Anlagelösungen, die direkt an Endkunden vertrieben werden, deut- lich gestiegen“, berichtet Angelos Gousios vom Analysehaus Cerulli Associates. „Die Rabobank etwa hat das Angebot auf ihrer Direktplattform deutlich ausgebaut und viele ihrer klassischen Bestandskunden in den Direktbankbereich herübergelockt.“ Arme bleiben auf der Strecke Allerdings bleibt eine Kundenguppe auf der Strecke. „Wie läuft das mit Menschen, die weniger verdienen und sich die Extrakosten für eine Beratung nicht leisten können?“, fragt de Brouwer. „Gerade dieser Kreis hätte Unter- stützung beim Vermögensaufbau am drin- gendsten nötig.“ Reichere Kunden, die sich die Honorarberatung leisten können, seien weniger darauf angewiesen. Besserverdiener mit höherem Bildungsniveau kommen zudem besser mit den Direktangeboten zurecht. Das gleiche Problem offenbart sich in Großbritannien. „Die Berater müssen ihren Kunden nun Honorare in Rechnung stellen. Zudem wurden die Anforderungen an die Qualifikation verschärft. Das steigert die Kos- ten für Beratungsgesellschaften“, berichtet Cerulli-Analyst Gousios. „Daher wird es für viele Anbieter unrentabel, das weniger wohl- habende Kundensegment zu bedienen.“ Ver- schärfend kommt hinzu: Im April läuft eine Übergangsfrist ab, wonach noch über Platt- formen Bestandsprovisionen für Altbestände vereinnahmt werden durften. Vor einer solchen Entwicklung hatte Garry Heath gewarnt, der ehemalige Chef des briti- schen Verbandes der freien Finanzberater. Schlimm sei die Tatsache, „dass durch das Provisionsverbot mehr als 16 Millionen Men- schen in Großbritannien im Prinzip keinen Zugriff mehr auf professionelle Anlagebe- ratung haben“. Die einzigen, die weiterhin Be- ratung bekommen, seien sehr wohlhabende Personen. „Wie diese Entwicklung als ver- braucherfreundlich angesehen werden kann, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel“, so Heath. In der sehr kontroversen Diskussion um die Folgen des Provisionsverbots sind sich in die- sem Punkt die Beobachter weitgehend einig: Für ärmere Menschen hat sich eine Versor- gungslücke aufgetan. In dem nach ihm benannten „Heath Report“ warnte der Ex-Verbandschef auch vor einem drastischen Rückgang der Beraterzahl. Die Zahlen der Finanzaufsicht FCA zeigen zwar einen Rückgang, dieser trifft aber beson- ders den Bankbereich. So hat sich etwa San- tander nach den Skandalen aus weiten Teilen des Investment-Retailgeschäfts zurückgezo- gen. Auch andere Institute reagierten mit er- heblichem Stellenabbau und dem Einstamp- fen von Geschäftsfeldern. Nun wollen aber zumindest die Spanier – neu aufgestellt – wie- der am britischen Markt mitmischen. Roboter sollen Lücke schließen „Außerdem gibt es neue Formen der Fi- nanzberatung, die diese Lücke schließen“, meint Gousios. Eine wichtige Rolle spielt dabei Robo Advice. Die Finanzberatung über Online-Portale, die per Algorithmus zum Anleger passende Produkte ausspuckt, konn- te seit dem Provisionsverbot in Großbritan- nien an Fahrt gewinnen. „Der Markt fährt mit Vollgas in diese Richtung“, berichtet du Croo de Jongh. In beiden Ländern hat der Schwenk auf Honorarberatung zudem zu einer größeren Sensibilität für Kosten geführt. Die Fonds- gesellschaften führten sogenannte „saubere“ Anteilsklassen ein, die keine Provisionen oder Kickbacks enthalten. Zudem geraten neben den Verwaltungsgebühren auch die anderen Spesenblöcke eines Fonds in den Fokus, etwa die Transaktionskosten. „Der Druck auf Berater wie auch auf Asset Manager ist gewachsen, die Kosten zu senken“, sagt Gousios. Ohnehin schon günstige Produkte wie ETFs hätten an Be- deutung gewonnen. „Das Honorarmodell hat gewiss für mehr Transparenz gesorgt. Aber ob es insgesamt das bessere Modell ist, muss sich erst noch zeigen“, fasst de Brouwer zusammen. Ein hochrangiger deutscher Finanzauf- seher, der regelmäßig mit seinen britischen Kollegen spricht, berichtet jedenfalls, dass in London hinter vorgehaltener Hand im- mer noch diskutiert wird, ob das Provi- sionsverbot eine so gute Idee war – unab- hängig von den offiziellen Verlautbarungen aus der Behörde. SEBASTIAN ERTINGER | FP Foto: © Kempen Capital Hilko de Brouwer, Kempen Capital: „Ob das Honorar- modell wirklich besser ist, muss sich erst noch zeigen.“ Radikaler Schwenk Die Einnahmen britischer Finanzberater stammen zunehmend aus Honoraren statt Provisionen. Das Provisionsverbot zeigt Wirkung. Die Einnahmen britischer Finanzberater entspringen zunehmend Honoraren. Seit Anfang 2015 dürfen auch keine Bestandsprovisionen mehr vereinnahmt werden. Quelle: Association of Professional Financial Advisers 2014 2013 2012 2011 2010 2009 2.500 Mio. £ 2.000 1.500 1.000 500 0 Honorar Provisionen sonstige Einnahmen 1.472 Mio £ 140 Mio £ 81 Mio £ 972 Mio £ 1.475 Mio £ 85 Mio £ vertrieb & praxis I provisionsverbot
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