FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016

238 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 könnten. So wissen Anleger, dass eine Strate- gie nicht für jeden Investor gleichermaßen geeignet ist. „Dennoch lassen sich Kunden stark davon beeinflussen, wie ihr Berater selbst investiert“, sagt Weber. Der Grund: Sie suchen nach Orientierung. Wer seiner Klientel also schlüssig erläutert, wie er selbst anlegt, warum er welches Produkt gewählt hat und wie erfolgreich er damit ist, hat gute Chancen, dass die Kunden sich anschließen. Nicht zuletzt klappt auch das sogenannte Commitment Device recht gut. Mit dieser Nudging-Methode bringt der Berater seinen Kunden dazu, sich selbst zu verpflichten. Das kann sinnvoll sein, wenn der Klient etwas zunächst nicht tun möchte, der Berater aber überzeugt ist, dass ihm genau dies zugute käme. „Dann kann der Berater Angebote ma- chen“, sagt Weber. Lässt er den Kunden kon- krete Sparziele wie eine Immobilie oder ein Auto benennen, fällt es ihm leichter, monat- lich auf eine gewisse Summe zu verzichten. Wird der Sparbeginn in die Zukunft verscho- ben – etwa auf den Zeitpunkt der nächsten Gehaltserhöhung –, klappt es noch besser. „All diese Arten des Nudging funktionieren natürlich“, sagt der Hochschullehrer. „Das heißt aber noch lange nicht, dass Finanzbera- ter sie auch einsetzen sollten.“ Und wenn, das ist Webers feste Überzeugung, sollten sie un- bedingt dem Kunden dienen. Kontrollieren kann dies niemand, schließlich lassen Bera- tungsprotokolle nur erkennen, worüber bera- ten worden ist – aber nicht wie. „Letztendlich rächt es sich jedoch, wenn Kunden bewusst in eine Richtung gedrängt werden, nur damit der Finanzberater höhere Provisionen erzielt“, sagt Weber. „Geht dann etwas schief, macht der Kunde Verluste, ist er weg.“ Aufschlussreiches Experiment Was hingegen wirklich für langfristige Kundenbindung sorge, sei etwas ganz ande- res: echte Aufklärung in Sachen Geldanlage. „Wir haben ein Experiment mit mehreren tausend Probanden gemacht“, berichtet der Professor. Dabei wurde der einen Hälfte er- klärt, wie Kapitalmärkte funktionieren und wie es zur DAX-Entwicklung kommt. Da- nach wurde eine riskante Investition simuliert. „Der anderen Hälfte haben wir zusätzlich auch die Verteilung des Risikos in dem Invest- ment verdeutlicht“, berichtet Weber. In beiden Fällen kam es zu Verlusten. „Die Personen, denen wir die Risikoverteilung erläutert hatten, waren aber trotzdem zufrieden und er- klärten, sie würden wieder investieren“, sagt Weber. Aus einem einfachen Grund: Sie fühl- ten sich vernünftig aufgeklärt und hatten das Risiko einer Geldanlage verstanden. „Das ist gute Finanzberatung“, konstatiert Weber. Wer der Klientel erkläre, wie Märkte funktionieren und mit welchen Risiken sie rechnen muss, dem bliebe sie auch dann treu, wenn eine Anlagestrategie nicht aufgeht. „In diesem Fall denken sich die Kunden: „Das hat mir mein Berater ja vorher gesagt und ich habe mich selbstständig so entschieden“, ist Weber überzeugt. „So schafft man Zufrieden- heit und tut sich damit am Ende selbst den größten Gefallen.“ Und dafür muss niemand tricksen – nicht mit Grafiken und auch nicht mit Zahlenreihen. ANDREA MARTENS | FP vertrieb & praxis I wissenschaft und anlageberatung Foto: © Christoph Hemmerich So lassen sich Kunden beeinflussen Finanzberater und -vermittler können ihre Kunden bei der Entscheidung für eine Anlagestrategie, ein Produkt oder eine Sparsumme durchaus beeinflussen. FONDS profes- sionell zeigt, mit welchen Methoden dies gelingt – und wie sie funktionieren. Nudging: Das englische Wort „nudge“ bedeutet Stups oder Schubs. Der Begriff „Nudging“ stammt aus der Ver- haltensökonomie und wurde vor allem durch den ameri- kanischen Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und den US-Rechtswissenschaftler Cass Sunstein geprägt. Thaler und Sunstein verstehen unter Nudging eine Methode, mit der sich das Verhalten von Menschen gut vorhersagbar manipulieren lässt. Ohne Warnungen oder Empfehlungen auszusprechen und ohne ökonomische Anreize zu setzen, können Berater ihre Klientel sanft in die gewünschte Richtung „stupsen“. Skalen optimal einsetzen: Um den Kunden etwa dazu zu bringen, monatlich eine möglichst hohe Summe zu sparen, kann der Berater ihm ein Blatt Papier vorlegen, auf dem drei Betragsspannen angegeben sind. Etwa 20 bis 80 Euro, 80 bis 100 Euro und 100 bis 120 Euro. Die gewünschte Summe sollte in der Mitte stehen, denn Menschen wählen meist den goldenen Mittelweg. Der Trick dabei: Wer für die Mitte hohe Beträge wählt, bringt den Kunden dazu, eine höhere Summe zu nehmen – was sich auch auf die eigene Provision auswirken kann. Anchoring: Auch Anchoring ist eine Unterform von Nudging. Dabei werden verbal Anker gesetzt, an denen sich der Kunden „festhält“. Das funktioniert vor allem bei Fragen. Ist sich ein Kunde zum Beispiel unschlüssig, in welches Fondsprodukt der investieren soll, kann die Ant- wort lauten: „Die meisten entscheiden sich für den ...“ Und schon stimmt die Richtung. Commitment Device: Diese Methode wird auf Deutsch „verbindliche Selbstverpflichtung“ genannt. Sie ist dann besonders geeignet, wenn ein Kunde etwas nicht tun möchte, was ihm nach Ansicht des Beraters aber zugute käme. In diesem Fall kann ihm der Finanzprofi Angebote machen, die etwas Nützliches mit etwas Angenehmem verbinden. Wenn der Kunde ein konkretes Sparziel (Welt- reise, neues Auto) benennen kann, statt abstrakt „fürs Alter vorzusorgen“, fällt es ihm leichter, auf Geld zu verzichten. Zudem hilft es, den Kunden für die Zukunft zu verpflichten, nach dem Motto: „Die nächste Gehaltserhöhung wird in die Altersvorsorge investiert.“ Eigene Strategie übertragen: Viele Anleger und Sparer suchen nach Orientierung und möchten sie bei einem Profi finden. Erläutert der Berater ihnen schlüssig, wie er selbst investiert und was die Gründe dafür sind, folgen Kunden leicht seinem Beispiel. Auch die Über- tragung des eigenen Musters auf die Klientel ist eine Strategie, die der Manipulation dient. Ganz bewusst gewählte Zahlenreihen: Professor Martin Weber erklärt, wie Berater ihre Kunden durch den Einsatz von Skalen gezielt zu einer bestimmten Entscheidung bringen können.

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