FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016
298 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 die erforderliche Geschwindigkeit der Verän- derung hin: „Noch hat unsere Branche gute Margen, sodass wir die erforderlichen Inves- titionen und Änderungen vornehmen kön- nen.“ Zu viel Zeit lassen dürfe sich die Bran- che damit jedoch nicht. Pietribiasi meint, die Mehrheit der Asset Manager hätte den drin- genden Anpassungsbedarf bereits erkannt und investiere viel Geld in entsprechende Techno- logieprojekte. Aufhalten ließe sich die Digita- lisierung ohnehin nicht. Dank der Digitalisierung können Anwen- dungen auch spielerischer gestaltet werden – zum einen, um Kunden mit sogenannten „gamifizierten“ Services anzusprechen, zum anderen, um eine individuelle Preisgestaltung zu ermöglichen. Ein Beispiel sind Autoversi- cherungstarife, die unter anderem in Italien schon auf dem Markt sind. Hier können Fah- rer ein elektronisches Gerät installieren, das ihren Fahrstil analysiert. Positiv bewertet wird, wenn man pflichtbewusst an roten Ampeln stoppt, genügend Abstand hält und seine Geschwindigkeit nicht allzu schnell ändert. Wer dank der Datenauswertung als guter Fah- rer eingestuft wird, erhält einen Rabatt bei der Kfz-Versicherung. Es geht ums Überleben Um den Trend nicht zu verpassen, haben einige große Asset Manager bereits Experi- mentierstuben für Start-ups aus der Finanz- branche gegründet. „Wir arbeiten eng mit den von uns betreuten Fintech-Unternehmen zu- sammen und entsenden unsere Angestellten dorthin, damit sie sich von den Entrepreneu- ren inspirieren lassen“, erklärt Société-Géné- rale-Manager Renault. Offenbar befürchten die Geldhäuser, dass das darwinistische Prin- zip auch in der Finanzwelt gilt: Wer sich nicht schnell genug anpasst, stirbt aus. Als aussterbender Dinosaurier will sich natürlich niemand sehen – auch nicht Union Investment. Eine Tochterfirma des Fondsan- bieters aus dem Genossenschaftssektor lan- cierte Anfang März das Internetportal Visual- vest. Ähnlich wie bereits Vaamo, Ginmon oder Easyfolio stellt dieses Online-Tool pas- sende Musterportfolios aus verschiedenen Fonds zusammen. Die hauseigenen Union- Fonds bleiben außen vor, sogar zu ETFs ha- ben die Genossen keine Berührungsängste. Mehr als ein Modewort „Fintech ist weit mehr als ein Modewort“, sagt Alfi-Präsidentin Denise Voss. „Fintech wird tiefgreifende Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle von Asset Managern, Ver- triebsstellen und Dienstleistern haben, die sich darüber hinaus auch noch sich wandelnden Verbrauchergewohnheiten gegenüber sehen.“ Ihr zufolge muss die Fondsbranche nicht nur effizienter werden, sondern auch auf eine hö- here Kundenzufriedenheit hinarbeiten, wenn sie weiterhin erfolgreich sein will. Einer der Aussteller auf der Alfi-Konferenz war das Fintech Amplexor, das maschinen- unterstützte Übersetzungen von Fondsdoku- menten anbietet. Das hilft den Gesellschaften, die ihre Anteile zunehmend auch imAusland vertreiben und dazu ihre Dokumente in der jeweiligen Sprache vorlegen müssen. „In vie- len dieser Dokumente kommen in jeder Ak- tualisierung immer wieder dieselben Sätze vor. Wir haben eine Datenbank entwickelt, die Sätze, die bereits einmal übersetzt wurden, erkennt und genau gleich übersetzt“, erklärt Julia von Mylius von Amplexor. Außerdem stellt das junge Unternehmen eine Textdaten- bank zur Verfügung, in der auch Metadaten erfasst sind. Auf diese Weise werden zum Beispiel mehrere Korrekturvarianten ein- und desselben Texts verwaltet. Außerdem können Texte, die für unterschiedliche Medien wie Smartphone-Apps, Web-Inhalte oder Papier- dokumente produziert wurden, mit einem Klick medienübergreifend geändert und auf den neuesten Stand gebracht werden. Ist der Rechner überlegen? All das ist nur ein kleiner Ausschnitt des schnell wachsenden Fintech-Segments. „Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche der Bran- che, unter anderem auch die Kampagnenvor- bereitung, das Produktmanagement, die Scha- densabwicklung und sogar das Unterneh- mensmanagement“, sagt Stephan Jelinek, der sich mit seiner Beratungsfirma Netzwerk- freund auf dieses Themenfeld spezialisiert hat. Insbesondere für Robo-Advice sieht er eine vielversprechende Zukunft: „In der Vergan- genheit waren die Beratungsergebnisse bei Banken, Sparkassen, Versicherungen und Fondsgesellschaften nur vom Menschen ab- hängig: Angst und Gier führten auf Berater- und Kundenseite zu schlechteren Renditen als notwendig.“ Er meint, dass es Computer mit ihrer immer perfekter werdenden künstlichen Intelligenz besser machen können: „Die blitz- schnelle Auswertung aller verfügbaren Markt- und Kundendaten bringt bessere Beratungs- ergebnisse und eine höhere Kundenzufrieden- heit, denn immer intelligentere Computertech- nik lässt die Emotionen außen vor.“ Georg Graf von Wallwitz, Gründer des Münchner Vermögensverwalters Eyb &Wall- witz, ist hingegen der Meinung, dass mitfüh- lende Beratung und echte Kundenbetreuung nicht durch Computer ersetzt werden können. Er gibt ein plastisches Beispiel: „Charles Schwab, ein großer Makler für Kleinanleger, hat sechs Milliarden Dollar an Anlegergel- dern, die von Algorithmen verwaltet werden. Allerdings musste Schwab seine Callcenter Mitarbeiter im Januar 30 Prozent länger ar- beiten lassen, denn in Zeiten fallender Märkte wollen die Anleger anscheinend nicht mit Robos, sondern mit Menschen reden. Noch.“ ANKE DEMBOWSKI | FP bank & fonds I robotics in der finanzbranche Foto: © Netzwerkfreund, Alfi Stephan Jelinek, Netzwerkfreund: „Emotionen wie Angst und Gier führen zu schlechteren Renditen als nötig.“ Denise Voss, Alfi: „Fintech wird tiefgreifende Auswirkun- gen auf die Geschäftsmodelle haben.“
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