FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016

317 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 schen Anbieter unter erheblichem Druck. Im milden Stressszenario fallen sieben, im ver- schärften sogar 21 Lebensversicherer durch. Um welche Unternehmen es sich handelt, bleibt abermals offen. Also muss der Makler selbst zu den Versi- cherern recherchieren, die für seine Kunden in Frage kommen. „In der Vergangenheit war es nicht einfach, aus dem Geschäftsbericht eines Versicherers auf seine Solvabilität zu schließen“, sagt Leithoff. Durch das neue VAG habe sich das jedoch geändert, weil die Anbieter nun viele Informationen über ihre Finanzlage veröffentlichen müssen. „Ab dem Geschäftsbericht 2016 ist die Solvabilitätsquo- te anzugeben und zu erläutern. Der Makler muss natürlich den Geschäftsbericht lesen und verstehen“, so Leithoff. Ratings werden wichtiger Auch wenn es diverse Seminare gibt, wie der Geschäftsbericht eines Versicherers zu le- sen ist – jedermanns Sache ist das nicht. Die Informationspflicht darf dennoch nicht igno- riert werden. „Durch die EU-Vertriebsrichtli- nie IDD wurden die Anforderungen an Mak- ler noch einmal erhöht. Sie schreibt Versiche- rungsvermittlern vor, sich laufend fortzubil- den“, so Leithoff. Auch die Lektüre einschlä- giger Fachpublikationen ist Pflicht. „Dann weiß der Makler zum Beispiel, wer Probleme mit seiner IT hat, bei wem die Zinszusatzre- serve enorm angestiegen ist und wer seinen Versicherten hohe Überschüsse gutschreibt.“ Die Herausforderung liegt darin, dass es nicht die eine magische Kennzahl gibt, nach der sich beurteilen lässt, wie ein Versicherer dasteht. „Natürlich ist etwa die Nettoverzin- sung eines Versicherers eine wichtige Kenn- zahl, aber deren isolierte Betrachtung kann völlig in die Irre führen“, sagt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse bei der Versicherungs- Ratingagentur Assekurata. „Beispielsweise steigt die Nettoverzinsung an, wenn ein Haus hohe Zinszusatzreserven stellen muss und da- zu stille Reserven auflöst.“ Auch die alleinige Betrachtung der Zinszusatzreserve oder der Bewertungsreserven reiche nicht aus. „Dane- ben spielen das Gesamtertragsprofil, die Risi- koannahmepolitik, die Sicherheitskapitalaus- stattung, die Höhe der Bewertungsreserven und letztendlich auch die Leistungsregulie- rung eine Rolle“, so Heermann. Für eine schnelle Einschätzung empfiehlt er einen Blick auf Ertragskraft und Rech- nungszins. „Die Kombination dieser beiden Kennzahlen gibt zwar längst nicht das ulti- mative Bild der Finanzlage eines Versicherers wieder“, meint Heermann, „aber sie liefert zumindest eine Momentaufnahme, wie es bei einem Versicherungsunternehmen einerseits um die Ertragskraft bestellt ist und welchen Anteil Garantien und Zinszusatzreserve ande- rerseits abfordern.“ Heermann vermutet, dass die wenigsten Makler die Bonität eines Versicherers in aller Tiefe beurteilen können. „Selbst wenn er den Geschäftsbericht gut durcharbeitet, fehlt zwangsläufig noch immer der Blick nach in- nen. Wenn wir mit einem Rating beauftragt werden, können wir tiefer in ein Unternehmen hineinschauen und beispielsweise das Risiko- management, die Kapitalanlagesteuerung und die strategische Positionierung begutachten – und das gibt ja auch Aufschluss über die lang- fristige Leistungsfähigkeit“, so Heermann. Oberes Drittel Auf das Resultat solcher Untersuchungen – die Versicherungsratings – können sich Makler natürlich auch stützen. Anders als die Geschäftsberichte, die problemlos im Internet zu finden sind, kosten solche Studien aller- dings viel Geld, mitunter mehrere tausend Euro. „Ratings stellen auch eine gewisse Selektion dar“, meint Heermann. „Wenn ein Versicherer uns Einblick in interne Daten und Vorgänge gewährt, um ein Rating zu erhalten, ist das ein positives Zeichen. Bei einem Haus, das kein qualifiziertes Rating aufweist, ist zumindest mehr Vorsicht geboten als bei sol- chen, die sich dem Ratingprozess stellen und darüber ihre Bonität nachweisen.“ Jenssen vom VDVM ist hingegen nicht der Meinung, dass seine Mitglieder mit der Infor- mationspflicht überfordert sind. „Versiche- rungsmakler beschäftigen sich ja mit der Ma- terie. Die meisten haben Informationsdienste wie Morgen & Morgen, den Map-Report oder andere abonniert, die gute Übersichten brin- gen.“ Außerdem dürften Makler durchaus auf die Kompetenz der deutschen Versicherungs- aufsicht Bafin vertrauen. „Wir empfehlen un- seren Mitgliedern, nur solche Versicherungs- bereiche eines Hauses anzubieten, bei denen der Anbieter seinen Sitz in Deutschland hat.“ Müsse man in bestimmten Fällen auf andere Häuser ausweichen, solle man seine Kunden darauf hinweisen, dass im Ausland mitunter weniger strenge Regeln gelten als hierzulande. „Es hat schließlich Gründe, warum es Versi- cherer so nach Irland zieht“, meint Jenssen. Er steht auf dem Standpunkt, dass Makler nur Produkte von Versicherern anbieten soll- ten, die sich in den einschlägigen Rankings zumindest im oberen Drittel wiederfinden. Wenn ein Makler vor Gericht stehe, müsse er begründen können, warum er den einen und nicht den anderen Anbieter empfohlen habe. Mehr Arbeit, weniger Brot All diese Pflichten sind nicht neu, aber sie treten jetzt womöglich stärker in den Vorder- grund, weil die Versicherer wegen der niedri- gen Zinsen vor besonderen Herausforderun- gen stehen. Dass dies wegen des Lebensver- sicherungsreformgesetzes mit einer Kürzung der Provisionen zusammenfällt, ist für Makler besonders ärgerlich. ANKE DEMBOWSKI | FP Foto: © Kanzlei Johannsen Rechtsanwälte, Verband Deutscher Versicherungsmakler Thomas Leithoff, Kanzlei Johannsen: „Der Makler ist Au- ge und Ohr des Kunden. Dazu gibt es Rechtsprechung.“ Hans-Georg Jenssen, VDVM: „Makler müssen auf realistische Gefahren hinweisen.“

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=