FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2016
einen Seite müssen sie die Zinszusatzre- serve aufbauen, auf der anderen fordern Sie die Branche auf, höhere Erträge zu erwirtschaften. Dazu kommen die neuen Eigenkapitalregeln Solvency II, die den Versicherern viel abverlangen. Es ist der Markt, der die Versicherer in den Schraubstock nimmt, nicht die Regulierung. „Don’t shoot the messenger!“ Solvency II ist der Botschafter, der zeigt, in welchem Schraubstock sich die Anbieter befinden, er kreiert den Schraubstock nicht. Darum sollten wir dankbar sein, dass Solvency II seit Jah- resbeginn nun endlich diese marktorientierte Transparenz bringt. Das Regelwerk legt öko- nomische Verpflichtungen offen, die schon seit vielen Jahren in den Bilanzen enthalten sind, bisher aber nicht angemessen bepreist wurden. Die Banken haben diesen Paradig- menwechsel mit Basel II vor einigen Jahren schon durchgemacht, nun sind die Versicherer an der Reihe. Dass die Zinszusatzreserve für die Anbieter eine Belastung ist, steht außer Frage. Aber sie deckt Verpflichtungen ab, die die Versicherer vor Jahren, wenn nicht vor Jahrzehnten, eingegangen sind. Wir sagen den Lebensversicherern nur, dass sie Vorsorge tref- fen müssen, um ihre einst gegebenen Verspre- chen einhalten zu können. Wird es denn allen Lebensversicherern gelingen, die garantierte Verzinsung von oft vier Prozent tatsächlich zu leisten? Alle Szenarien und Stresstests zeigen uns, dass kurz- bis mittelfristig kein Anlass zur Sorge besteht. Eine langfristige Prognose ist naturgemäß sehr viel schwerer. Das ist genau der Grund, warum wir nicht nur die Zins- zusatzreserve eingeführt haben, sondern die Versicherer auch dazu ermuntert haben, nicht zu einseitig auf die traditionellen Garantie- produkte zu setzen. Sie sollten ihr Angebot innovativ erweitern. Können die neuen Garantiemodelle, für die seit einiger Zeit verstärkt geworben wird, denn für die Kunden attraktiv sein? Im Grunde ist es doch so, dass die Anbieter zunächst die vier Prozent ver- dienen müssen, um die alten Verträge bedienen zu können. Nur wenn dann noch etwas übrigbleibt, profitieren auch die neuen Kunden. Das ist eine stark vereinfachte Sichtweise. Viele der modernen Varianten der Lebensver- sicherung geben erst für die Auszahlungspha- se eine Garantie. Ich halte das sozialpolitisch für eine gute Idee, weil die Garantie genau dann zum Tragen kommt, wenn sie der Ein- zelne am dringendsten benötigt, nämlich im Rentenalter. Gleichzeitig helfen diese Ange- bote den Anbietern, die ökonomisch korrekte Bepreisung und die Unterlegung mit Kapital zu optimieren – im Gegensatz zur Totalgaran- tie der traditionellen Lebenspolicen. In sol- chen Fällen ist es auch kein Fehler, einmal über die Grenzen zu blicken. Und da sollte es uns stutzig machen, wenn wir feststellen, dass wir mit unserer Fixierung auf die Garantie- zinsprodukte ziemlich einzigartig auf der Welt sind. Da müssen wir uns nicht ganz schlecht fühlen, wenn wir uns den internationalen Standards zumindest ein wenig annähern. Es gibt einen weiteren Hebel, an dem die Versicherer ansetzen können, um die Kosten ihrer Produkte zu senken und sie attraktiver zu gestalten: die Provision. Ihr Kollege Frank Grund, der die Versi- cherungsaufsicht leitet, sieht zwar Fort- schritte bei der Kostensenkung durch das Lebensversicherungsreformgesetz, hat zuletzt aber auch weitere Anstren- gungen angemahnt. Grundsätzlich aller- dings ist er für die Beibehaltung des pro- visionsbasierten Vertriebs. Gilt ein „Pro Provision“ aus Sicht der Bafin generell, also auch für den Fondsvertrieb? Ich halte überhaupt nichts davon, den Men- schen vorzuschreiben, wie sie Produkte er- werben sollen und wie sie dafür zu bezahlen haben, sondern ich bin ein großer Anhänger der gleichberechtigten Existenz von Provi- sions- und Honorarberatung. Ich halte es auch für reichlich naiv zu glauben, dass in der Ho- norarwelt grundsätzlich treusorgende, ehrli- che, nur dem Interesse der Kunden verpflich- tete Berater unterwegs sind, während auf der Provisionsseite verdeckte Eigeninteressen re- gieren. In beiden Welten ist es wichtig, trans- parent und fair zu agieren und das Interesse des Kunden im Blick zu behalten – völlig los- gelöst von der Form der Vergütung. Nebenbei bemerkt: Man kann nicht einen Mangel an Wertpapierkultur in Deutschland beklagen und den vorherrschenden Vertriebsweg ver- bieten, der dafür sorgen könnte, genau diese Kultur zu stärken. Die europäische Wertpapieraufsicht ESMA war drauf und dran, über ihre Entwürfe zur Mifid II ein Provisionsver- bot durch die Hintertür einzuführen. Darum ist es auch so wichtig, auf europäi- scher Ebene immer wieder darauf hinzuwir- ken, dass sich die sogenannten Level-II-Maß- nahmen nicht zu weit vom ursprünglichen politischen Willen entfernen dürfen, der ein Nebeneinander von Provisions- und Honorar- beratung vorsieht. Dafür gibt es die entspre- chenden Gremien, in denen wir uns sehr deut- lich in diese Richtung geäußert haben. Da wird kontrovers diskutiert, mitunter auch gestritten – das ist Teil unseres Jobs. Die EU-Kommission will den Tag der Anwendung der Mifid-II-Richtlinie um ein Jahr auf Anfang 2018 verschieben, nicht aber den Zeitplan der nationalen Umsetzung, die Mitte 2016 abgeschlos- sen sein soll. Ist das nicht einigermaßen mutig? Schließlich müssen die Parla- mente dann Gesetze verabschieden, die auf wichtige Details aus Brüssel verwei- sen, die zum großen Teil noch gar nicht vorliegen. Ich stimme zu: Das ist sehr mutig. Wir begrü- ßen die Verschiebung der Mifid-Anwendung, würden uns aber auch für die Umsetzung in den Einzelstaaten mehr Zeit wünschen. Die nationalen Gesetze hängen implizit stark von den Level-II-Texten ab, die – wie Sie richtig sagen – zu einem guten Teil noch ausstehen. Felix Hufeld: „Es ist der Markt, der die Versicherer in den Schraubstock nimmt, nicht die Regulierung.“ steuer & recht I felix hufeld | bafin 320 www.fondsprofessionell.de | 1/2016 » Solvency II legt ökonomische Verpflichtungen offen, die schon seit vielen Jahren in den Bilanzen enthalten sind, bisher aber nicht angemessen bepreist wurden. « Felix Hufeld, Bafin Foto: © Christoph Hemmerich
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=